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E-Book

Lebensqualität und Sinn im 'Golden Age'

Selbstcoaching als Reifungschance mit 55+ Mit Zeichnungen von Esther Killias

AutorErica Binder
VerlagJunfermann
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783955716462
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Ein bewusstes und sinnvolles Leben mit 55+ Eine Anleitung zum Selbstcoaching und zur Sinnfindung, damit das Älterwerden vermehrt zur Lust statt zum Frust wird - zur Entdeckung einer neuen Lebensphase, die befriedigt und erfüllt. Ein Großteil der Arbeitsleistung wurde erbracht, die verbleibende Lebenszeit ist oft materiell abgesichert. Niemand weiß, wie lange diese häufig als 'Golden Age' bezeichnete Lebensphase dauern wird und unter welchen Umständen man sie erlebt. Aber wir alle haben die Möglichkeit einer Einflussnahme - sei diese ganz konkret und praktisch oder auf der Ebene des Bewusstseins angesiedelt. Es geht weder um Schönfärberei noch um Miesmacherei, sondern um ein bewusstes, sinnvolles und lebendiges drittes Alter unter dem Motto: Carpe diem! Ziele dieses Buches: - Mit Vorurteilen aufräumen: 'senile' bzw. 'unnütze' Alte - Mut machen für die dritte Lebensphase - jenseits von Jugend- und Konsumterror - Impulse für das Selbstcoaching und damit zur Selbstentfaltung - Impulse für die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Lebenssinn - Tipps für Alltagsbewältigung und Lebensqualität

Erica Binder, Ausbildung als Lehrerin, Studium der Pädagogik und Psychologie an der Uni Bern. Dozentin für Lehrerbildung und Ausbildung von Sozialpädagogen, Supervisorin. Seit 10 Jahren eigene Praxis für Berufs- und Lebensalltagscoaching in Bern.

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Leseprobe

2. Wir Golden Ager


„Es kommt nicht darauf an,
wie alt man wird,
sondern wie man alt wird.“

(Werner Mitsch)

2.1 Golden Ager, die „neuen Alten“?


Ältere Menschen sind durch Entwicklung, Lebensweg und Schicksal so unterschiedlich und heterogen, dass nicht pauschal von den Alten im Sinne einer Typologie gesprochen werden kann. Zu dieser heterogenen Gruppe der Golden Ager kommen in den nächsten Jahren die Kohorten der Babyboomer (geboren zwischen 1955 und 1969) und die der sozial und politisch bewegten Alt-68er (geboren zwischen 1945 und Anfang der 1950er-Jahre) hinzu.

Als Kohorten werden Gruppen von Personen bezeichnet, die im gleichen Zeitraum im gleichen kulturellen Umfeld geboren wurden. Gewisse soziale, politische und kulturelle Ereignisse haben sie gemeinsam erlebt und daher auch ähnliche Inte­ressen ausgebildet. Natürlich ist eine Kohorte nicht homogen; es gibt immer wieder Trendsetter, Aktivisten, Mitläufer und solche, die nur „mit betroffen“ sind. Wenn man davon ausgeht, dass die Jugend mit ca. 20 Jahren ihre wichtige Prägung erhält, werden aus dieser Jugend 40 Jahre später die „neuen Alten“. Laut Bruns und Böhme (2007) gehören 8 Millionen Menschen allein in Deutschland zu den Alt-68ern. Dieser Zuwachs in der Gruppe der Alten macht sich bemerkbar. Gemeinsam mit den Babyboomern geben sie allein durch ihre Anzahl auch im Alter den Ton an (1/3 der Bevölkerung).

Abbildung 2: Alt-68er gestern

Sogenannte 68er in den Jahren kurz nach 1968:

  • Aufgewachsen in einer Friedens- und Wohlstandsperiode
  • Bildungsexpansion (bessere Jobs, besseres Einkommen, „Aufsteiger“)
  • Geprägt durch Jugendkultur, Kulturkonsum, Kleidung, Autonomie im Denken, Enttabuisierung der Sexualität, neue Lebensformen (Wohngemeinschaft)
  • Erfahrungen: 68er-Zeit, Vietnamkrieg, antiautoritäre, Erziehung, Friedensbewegung, Emanzipationsbewegung, AKW-Gegnerschaft etc. Viele haben Erfahrungen mit Demonstrationen, Therapien etc.
  • Neue Lebensentwürfe, neue Rollenbilder der Geschlechter, Emanzipation
  • Werte: Selbstentfaltung durch Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung, Selbstverantwortung.

Alt-68er heute:

  • Lebensqualität: gesunde, lange nachberufliche Phase
  • Oft gute materielle Absicherung (Rente, Vermögen)
  • Selbstgestaltung des Alters (Lebensphilosophie und Lebensformen)
  • Unternehmungslust, Neugier, Nonkonformismus
  • Erwarten Bildungs- und Kulturprogramme und umfassende Konsum- und Serviceangebote
  • Neues Engagement: nachberufliche Aufgaben, Freiwilligenarbeit etc.
  • Durch die vielseitigen Möglichkeiten, sich auszudifferenzieren, sind die Alt-68er noch viel heterogener als die bisherige Kohorte von alten Menschen.

Abbildung 3: Alt-68er heute

Als Rentner*innen haben die ehemaligen 68er wieder mehr Raum für ihre Ideale. Unter der Voraussetzung, dass Interesse besteht und sie über genügend Power und Möglichkeiten verfügen, werden sie sich für ein Alter in Würde und Selbstbestimmung einsetzen. Dabei handelt es sich nicht nur um einen neuen Alterslifestyle, sondern um einen Wertewandel, zieht sich doch die Forderung nach Selbstbestimmung wie ein roter Faden durch das Leben der 68er-Generation. Dazu gehört auch die Vorstellung von einem Leben im Alter, das nicht auf Gebrechen, Leid, und Einsamkeit beschränkt ist, sondern das Aktivität, Vitalität und Lebensfreude einschließt.

Geistige und körperliche Leistungsfähigkeit sind zentrale Anliegen sowie eine neue Moral von Sexualität im Alter: „Mein Körper gehört mir – egal wie alt er ist.“ Auch andere moderne Wohnformen – Alters-Wohngemeinschaft statt Altersheim – gehören dazu. Diese Selbstbestimmung erstreckt sich auch auf die Frage, ab wann das eigene Leben nicht mehr lebenswert ist. Sterbehilfe ist für ein selbstbestimmtes humanes Sterben kein Tabu.

2.2 Individueller Wandel: Lebensstufe Integrität


Die in den letzten Jahrzehnten erfolgte Verlängerung der Lebensspanne führt dazu, dass wir nicht mehr auf alte Vorstellungen und Strukturen des Alters zurückgreifen können – die gewonnenen Lebensjahre verlangen nach sinnvoller Füllung. „Wir haben offensichtlich noch gar nicht gelernt, mit dem langen Leben, besonders mit einem langen Alter, angemessen umzugehen. Viele leben, als würden sie nicht älter als sechzig Jahre. Viele haben keinen anderen Plan, als nach der Pensionierung auszuruhen. Wer kann zwanzig oder dreißig Jahre ausruhen, ohne dabei unglücklich zu werden?“ (Amann 2014, S. 137) Alter ist eine normale Lebensphase, keine „Restzeit“!

Ingrid Riedel (2009, S. 136) zitiert C.G. Jung: „Bedenken wir noch, dass Jung an der Schwelle zu seinem 60. Lebensjahr in dem Aufsatz ‚Seele und Tod‘ von 1934 schrieb: ‚Altsein ist äußerst unpopulär. Man scheint nicht zu berücksichtigen, dass Nicht-altern-Können genauso blödsinnig ist wie den Kinderschuhen Nicht-entwachsen-Können. Ein Mann von dreißig, der noch infantil ist, ist wohl bedauernswert, aber ein jugendlicher Siebzigjähriger, ist das nicht entzückend? Und doch sind beide pervers, stillos, psychologische Naturwidrigkeiten. Ein Junger, der nicht kämpft und siegt, hat das Beste seiner Jugend verpasst, und ein Alter, welcher auf das Geheimnis der Bäche, die von den Gipfeln in Täler rauschen, nicht zu lauschen versteht, ist sinnlos‘.“

Betty Friedan schreibt in Mythos Alter (1995, S. 84): „Warum betrachten wir das Alter nicht als eine neue Entwicklungsphase im menschlichen Leben – nicht Verlust der Jugendlichkeit, sondern eine Entwicklung mit offenem Ende und eigenen Gesetzen, die wir vielleicht auf noch nie da gewesene Weise selbst bestimmen können … Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir nach dem ‚Altbrunnen‘ suchen und aufhören, unser Älterwerden zu verleugnen.“

2.2.1 Entwicklung – auch im Alter?

Unter Entwicklung versteht man Veränderungen, die zeitlich geordnet erfolgen. Es verändern sich äußere Merkmale, aber auch innere Strukturen und Verhaltensweisen. Entwicklung bezieht sich also auf körperliche genauso wie auf psychische Vorgänge. Frühere Entwicklungskonzepte betrachteten vor allem Kindheit und Jugend. Mittlerweile gibt es jedoch auch Konzepte lebenslanger Entwicklung. Entwicklung bedeutet aber nicht nur Wachstum, sondern auch Abbau. Es geht nicht um Gewinn oder Verlust, sondern um ein ständiges Wechselspiel zwischen Wachstum und Abbau von Kompetenzen. Genetische Grundlagen sind für die individuelle Entwicklung nicht allentscheidend; hier sind Lebensbedingungen, Erfahrungen und persönliche Zielsetzungen mindestens genauso wichtig. In allen Altersstufen gibt es (ungenutztes) Potenzial sowie auch alters- und personenbedingte Grenzen der Entwicklungsmöglichkeiten.

Entwicklung findet also lebenslang statt und keine Altersphase des Menschen ist hierbei wichtiger als die anderen. Das Leben in seiner Ganzheit hat seinen Wert, nicht nur die Phase der Erwerbstätigkeit!

Quizfrage: Das ganze Leben ist Entwicklung. Wieso findet man am Anfang hierfür den positiven Begriff „Reifen“ und zum Ende des Lebens das eher abwertende Wort „Altern“?

Modelle der menschlichen Entwicklung teilen das Leben in Phasen ein. Je nach Blickwinkel – biologisch, sozial, psychologisch etc. – fallen diese unterschiedlich aus. Eine biologische Einteilung beispielsweise wäre: Kindheit – Erwachsensein – Alter. In der Anthroposophie spricht man von Siebenjahres-Einteilungen usw. Allen Modellen gemeinsam sind die Übergänge zwischen den einzelnen Phasen. Je nach Person und Situation können diese von einer fröhlichen Aufbruchstimmung geprägt sein oder zu einer schmerzhaften Durststrecke werden.

2.2.2 Lebensphasen nach Erik H. Erikson

„Erikson hat als erster Entwicklungspsychologe eine ausgebaute Entwicklungstheorie, die den gesamten Lebenslauf abdeckt, vorgeschlagen. In zweifacher Hinsicht ist Erikson für die Psychologie des Erwachsenen und der alternden Menschen relevant, nämlich wegen der Phasen 6, 7 und 8 sowie wegen seines Vorschlags, den individuellen Charakter eines Menschen zu verstehen aus der Art, wie er oder sie die Grundkonflikte, die die Entwicklung der Reihe nach stellt, löst“ (Flammer 1988, S. 102).

Erik H. Erikson beschreibt die psychosoziale Entwicklung eines Menschen im Spannungsfeld zwischen seinen Bedürfnissen als Individuum und den sich verändernden Anforderungen der sozialen Umwelt. Durch diese Konfrontation ergeben sich Konflikte und Krisen, deren Bewältigung Erikson als Entwicklungsaufgabe bezeichnet. In den acht definierten Phasen gilt es, bestimmte psycho-soziale Krisen zu bewältigen; von der Art der Bewältigung hängt der weitere Verlauf der Entwicklung ab. Dabei wird ein Konflikt nie vollständig gelöst, sondern bleibt ein Leben lang aktuell. Es gibt keine richtigen Lösungen. Vielmehr gilt es, die jeweils für das Individuum zutreffende Balance zu finden. Solche anstehenden Entwicklungsaufgaben sind z. B. Berufseinstieg, Familiengründung, Berufsende, Sterben und Tod.

...

Stufe

Lebensjahr

Psychosoziale Krise

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Inhalt8
Vorwort12
Teil I: Eine neue Lebensphase: Golden Age16
1. Das Golden Age20
1.1 Eine neue Lebensphase entsteht20
1.2 Die Demografie-Bombe und ihre Folgen22
1.2.1 Allgemeine soziale Folgen22
1.2.2 Individuelle Folgen der Demografie-Bombe25
1.3 Sozialer Wandel27
1.3.1 Alters-Lifestyle27
1.3.2 Theorien zum Alter und zum Altern29
2. Wir Golden Ager32
2.1 Golden Ager, die „neuen Alten“?32
2.2 Individueller Wandel: Lebensstufe Integrität35
2.2.1 Entwicklung – auch im Alter?35
2.2.2 Lebensphasen nach Erik H. Erikson36
2.3 Wendezeiten – Lebensübergänge41
2.3.1 Lebensübergänge Krise oder Chance?41
2.3.2 Wendezeit Pensionierung42
3. Mein Golden Age46
3.1 Neue Herausforderungen46
3.2 Neues Zeitmanagement48
3.2.1 Zeit im Lebensverlauf49
3.2.2 Ausblick auf die restlichen Jahre des Golden Age51
3.3 Neues Engagement53
Teil II: Lebensbilanz und Biografiearbeit60
4. Lebensbilanz62
4.1 Wozu eine Lebensbilanz?62
4.2 Verschiedene Bilanzmöglichkeiten65
4.3 Persönliche Lebensbilanz und Quintessenz70
4.4 Tipps zur Biografiearbeit71
5. Altlasten entsorgen76
5.1 Stopp Gedankenkreisen76
5.2 Stress lass nach …80
5.3 Innere Antreiber entschärfen83
5.4 Motto-Transformation86
5.5 Umgang mit Enttäuschungen88
5.6 Loslassen89
6. Unsere persönlichen Kraftquellen94
6.1 Ressourcen94
6.2 Copingstrategien97
6.3 Resilienz aufbauen101
6.4 Pflegeset für interne Kraftquellen103
6.4.1 Tut-mir-gut-Liste103
6.4.2 Achtsamkeit, Meditation, Kontemplation104
6.4.3 Entspannungsmethoden106
6.4.4 Imaginationen, Visualisierungen und Fantasiereisen110
6.4.5 Affirmationen zum Selbstkreieren112
6.4.6 Gute Gefühle ankern113
Teil III: Lebensbewältigung und Vorsorge114
7. Lebensbewältigung im Golden Age116
7.1 Abschied von Power und Co.116
7.1.1 Jugendliche Eigenschaften im Golden Age117
7.1.2 Umgang mit Einschränkungen: SOK-Modell118
7.2 Gesund – krank120
7.3 Beziehungsklärung126
7.3.1 Partnerschaft im Golden Age127
7.3.2 Familienbande132
7.4 Konfliktbereinigung133
7.5 Verlust und Trauer140
7.5.1 Verlust140
7.5.2 Trauer140
7.6 Einsamkeit und Altersdepression145
7.6.1 Einsamkeit145
7.6.2 Altersdepression147
8. Vorsorgen für die nächste und letzte Lebensphase152
8.1 Polymorbidität, Demenz, Pflegebedürftigkeit152
8.2 Ars moriendi158
8.3 Checklisten167
Teil IV: Lebenssinn im Golden Age176
9. Lebenssinn178
9.1 Sinn und Definition der Sinnfrage178
9.1.1 Sinn – was ist das überhaupt?179
9.1.2 Wer definiert Sinn auf welche Weise?180
9.2 Sinn: Impulse aus der Philosophie182
9.3 Sinn: Impulse aus der Psychologie185
10. Lebenssinn: Glück – Zufriedenheit?192
10.1 Glück in der Philosophie: Glückseligkeit192
10.2 Glück in der Psychologie: glücklich sein195
10.3 Tipps für Glück und Zufriedenheit197
11. Lebenssinn Tugend: Werte – Würde?202
11.1 Tugend: Werte – Würde202
11.1.1 Tugend202
11.1.2 Werte204
11.1.3 Würde205
11.2 Alterstugend: Weisheit?207
11.3 Alterstugend: Gelassenheit?210
12. Lebenssinn: Selbstverwirklichung216
12.1 Impulse aus der Philosophie216
12.2 Impulse aus der Psychologie217
12.3 Selbstverwirklichung im Golden Age221
13. Lebenssinn: Transzendenz und Spiritualität224
13.1 Begriffe und Abgrenzungen224
13.1.1 Begriffsklärung225
13.1.2 Abgrenzungen der Begriffe225
13.2 Impulse aus Philosophie und Psychologie227
13.2.1 Philosophie227
13.2.2 Psychologie229
13.3 Spirituelles Bewusstsein – spirituelles Leben232
Teil V: Ars vivendi im Golden Age240
14. Mein Machsal, Mixsal und Schicksal242
14.1 Wegweiser im Sinn-Dschungel242
14.2 Mein Machsal im Golden Age244
14.3 Mein Mixsal im Golden Age246
14.4 Mein Schicksal im Golden Age248
15. Erfüllung im Golden Age254
15.1 Lebensqualität im Golden Age254
15.2 Bewusstsein – Sinn – Erfüllung257
15.3 Ars vivendi im Golden Age259
Schlusswort und Dank262
Literatur264
Index270
Die Autorin273

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