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Lehrbuch der Liebe und Ehe

AutorFranz Blei
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl196 Seiten
ISBN9783849623104
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Dieses Buch ist nicht als erotischer Leitfaden oder Sex-Handbuch gedacht. Nach AnsichtBleis muß im Vertraulichen und Gewöhnlichen des Alltags die Liebe auf die Probe gestellt werden, die sich nicht in den Flitterwochen nach der ersten Nacht beweist, sondern in den Jahren nach dem ersten Ehejahr. Diese Regulierung des verheerenden Feuers und dessen Leitung, daß sie das Ganze einer Gemeinsamkeit durchwärme und nicht nur das nächtliche Lager erhitze: das ist die zivilisierte Form, welche die zerstörerische Leidenschaft der Liebe annehmen muß, um als Liebe bestehen zu bleiben.

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Leseprobe

§ 6

 

Solches aber, die Liebe, die erst Leidenschaft war, dann Pflicht wurde, aufzulösen in das Spielen der Liebe, ist die Funktion und das Talent des Liebhabers, sein Seinsgrund. Das, was zuerst Rasen der Leidenschaft, dann Seufzen unter der Pflicht, schließlich Langweile wird, als ein Spielen neu zu machen, ist des Liebhabers Aufgabe. Er wird wie ein neugieriges Kind, aber auch, man verstehe recht, wie ein kundiger Wüstling sein, nicht das oder das, sondern das und das. Es muß seine Torheit im Schatten seiner Weisheit stehen, im zarten Schatten einer zerbrechlichen Weisheit.

 

Unter der Leidenschaft der Liebe leben, das ist wie unter einem Fallbeil stehen, – niemand hält das aus in zivilisierten Zeiten. Jedenfalls nicht als einen dauernden Zustand. Nur die Jugend hat das kurze Gesicht und genügend Blindheit in den Augen, um das Fallbeil nicht zu sehen. Später aber –, wen in den Vierzigern solche Liebe trifft, der nimmt gleich besser Zyankali. Aber doch träumt man davon, daß sie einen träfe. Und der wache Traum bildet sich von dieser großen Liebe ein kleines Simulakrum, ein reizvolles Trugbild, dessen kunstreicher Priester der gute Liebhaber ist. Aber man darf es nicht machen wie Herr M. Der hielt sich für nichts sonst bereit als für die große Liebe, von Jugend an, und versagte sich jede andere. Es endete damit, daß, als er fünfunddreißig war, jede Liebe vor ihm davon lief, die große wie die kleine. Herr M. hat sein Widerpart in jenen Mädchen, die eigensinnig erklären, sich nur in der Ehe einem Manne hinzugeben: diese Mädchen heiraten nie.

 

Die Geliebte des Liebhabers weiß nun, daß man nicht, wie sie ehemals glaubte und glauben machen wollte, mit dem liebt, was man schamhaft ausweichend oder ahnungslos umschreibend Herz nennt. Sie weiß, daß dieses Herz der Herold der Sinne – in jedem Sinne Sinne – ist. Nicht nur der Sinnlichkeit im Allergröbsten. Der Liebhaber wird dieser Frau den Esprit und die Courage zu solchem Wissen geben, die Tiefe und die Oberfläche, die Grazie und die Laune, die Lustigkeit und die Melancholie, die Freiheit und die Unberechenbarkeit. Er wird dieser Frau »das Herz« ganz leicht machen: das ist seine schönste und sittlichste Aufgabe.

 

 

 

§ 7

 

Das junge Mädchen, darum so reizvoll, weil ihre Sinnlichkeit noch nicht lokalisiert, weil sie ganz und überall von ihr durchdrungen ist, – das junge Mädchen, auf »Herz« erzogen, wird dieses Herz schwer wollen, wie der Liebende, der ja nicht glücklich ist, wenn er nicht unglücklich liebt. Darum gibt es ja auch für das junge Mädchen, das Mädchenkind, den Liebhaber nicht, der ja immer das ist, was das junge Mädchen nicht ist und nicht sein darf, nämlich ein Gnostiker, ein Wissender der Liebe. Das junge Mädchen will die Liebe kennen lernen und glaubt sie zu kennen, wenn sie einen Geliebten hat. Aber die Frau, die einen Liebhaber wünscht, hat bereits das fatale Wissen, indem sie das Herz, ihren Anfang als Mädchen, gegen die Sinne wechselte.

 

Der Liebhaber muß den Takt besitzen, der Frau diese über Nacht gekommene Einsicht, diese Umschaltung von Herz in Sinne zu erleichtern, indem er so tut, als merke er diesen Wechsel nicht. Er wird sich hüten, der Frau »das Herz«, die »tieferen Gefühle« abzusprechen. Er wird immer diese unschuldige elfenbeinerne Agraffe am Busen belassen und nur ein ganz kleines bißchen darüber lächeln und im rechten Augenblick. Lächelt er gar nicht darüber, könnte ihn die Frau in den Verdacht einer falschen Sentimentalität bekommen. Lächelt er zu viel oder zu deutlich, so drängt er damit die Situation und den Zustand ins Nichts-als-Gemeine.

 

Der Geliebte liebt das junge Mädchen, der Liebhaber würde es verderben. Denn zuerst und zunächst will jeder junge Mensch, Jüngling oder Mädchen die Liebe, nicht das Spielen der Liebe, will Himmel oder Abgrund, aber nicht die irdische Mitte. Diese frühere Wahrheit hat heute etwas ihre Evidenz verloren.

 

Der Mann schämt sich, zu lieben, sagt Anaxagoras. Die Frau hinwieder schämt sich, nicht geliebt zu werden, fährt der Weise fort. Der Mann ist der Begehrende vorher. Nachher muß die Frau erobern, was nicht leicht ist, denn der Mann hat die Neigung zur Flucht zu sich selber zurück, wo er nicht mehr bloß ist, was er eben war, nur Mann und nichts als das, sondern auch Mensch. Bei der Frau sind Menschsein und Frausein nicht so disparate Bezirke, teils aus Natur, teils aus Geschichte. Der gute Liebhaber wird diese dem Manne natürliche Neigung, nach vollbrachter Tat davonzulaufen, tapfer bekämpfen, verbergen und bleiben. Er wird dem Eroberungskampfe der Frau im Nachher und ihrem Wertigkeitsgefühl, das sie in diesem Nachher genießt, so sehr entgegenkommen, daß die Frau glaubt, was sie glauben möchte, daß sie nämlich nicht nur unentbehrlich für den Mann geworden sei, sondern immer wieder begehrt und erkämpft werden muß, wofür sie ja Reserven hat. Es ist nicht zu entscheiden, ob die Frau wirklich so reich ist oder sich so reich glaubt oder glauben muß, um – im natürlich-ursprünglichen Verlauf der Dinge, der seine psychische Parallele hat – den Mann mindestens so lange festzuhalten, bis das Kind da ist.

 

 

 

§ 8

 

Ich glaube, es war Spinoza, der festgestellt hat, daß die Unterhaltung der allerwenigsten Frauen nachher imstande ist, den Mann zu fesseln. Welche Bundesgenossen hat die Frau in diesem Kampfe um das Dableiben des Mannes? Nur einen einzigen: ihre Schönheit und deren unerschöpfliche Ressourcen, wenn die Frau diese kennenzulernen sich bemüht hat. Nur diese Schönheit unterwirft und demütigt den Mann. Will man dem guten Liebhaber ein echtes Gefühl lassen unter all den seltsamen Heucheleien seines Wesens, so dieses: daß er Demut vor der Schönheit der Frau empfindet, stärker als sonst ein Mann. Denn der gute Liebhaber macht sich wenig aus der Liebe, aber viel aus den Frauen. Beim Geliebten ist es umgekehrt.

 

Worte werden dort, wo die Begriffe schwanken aus ihrer Natur, leicht überdeutlich. Besonders in allen Angelegenheiten der Liebe trifft das zu. Der Liebhaber ist nicht, wie die Worte solches vorstellen wollen, ein sehr bewußter Regisseur, Kenner und Künstler. Worte haben immer eine zu scharfe Kontur, besonders im Vokabularium der Liebe, – man muß, hört oder braucht oder liest man sie, ihre Kontur irisieren lassen, um ihren schwankenden Charakter nicht zu verlieren. Das etwas Undeutliche ist hier richtiger als das Überdeutliche. Es gibt, wie alle wissen, in den Liebessachen keine genaue Grenze zwischen echt und falsch, bewußt und naiv. Man ist nie ganz echt, nie ganz falsch. Die Worte der Liebe und in der Liebe haben einen vielfachen ungenauen und oft widerspruchsvollen Sinn, und der seltsame Genius dieses Widerspruchsvollen ist im seltenen vollkommenen Liebhaber verkörpert. Immanuel Kant hat gesagt, daß zu lieben der größte Beweis von Mut ist, den die Frau geben kann. Wer diesen Mut provoziert und damit belohnt, daß ihn zu haben weder das Leben noch den Kopf kostet, der ist der rechte Liebhaber.

 

Die Demokratien dieser Zeit lassen wohl dem Tüchtigsten freie Bahn, sein Ererbtes oder Erschwindeltes höchst zu verzinsen, nicht aber dem einzelnen sich einem Tag- und Nachtwerke zu überlassen, das die Liebe ausfüllt. Liebe als Berufung, das gab es im achtzehnten Jahrhundert noch bei Männern, heute gibt es das wohl nur mehr als Beruf bei Frauen. Ein Mann, der heute und mit den heutigen Frauen für die Liebe und nichts sonst leben wollte, würde sehr bald in ein widerliches Scheusal verkommen und einen Grad der Nichtigkeit erreichen, der ihn aus der Reihe der Männer striche. Der Liebhaber wird aber immer ein Mann sein und was Männliches treiben müssen. Er kann was immer sein unter der einen Voraussetzung, daß er in dem, was er treibt, nicht wird, was man Betrieb nennt. Es gibt eine hohe männliche Geistigkeit, welche kraft der Stärke ihrer Fiktion die Vollkommenheit in der Liebe ausschließt. Es gibt aber auch eine männliche Materialität, welche den, der von ihr beherrscht ist, unfähig macht, ein Liebhaber zu sein. Raffende Hände kann der Liebhaber nie haben, sondern nur schenkende. Besitzgier macht Mann wie Frau ungeschlechtlich.

 

Was auch immer den Liebhaber in seinem Leben beschäftigt als Beruf, als Liebhaberei, als Tätigkeit, als schöne Nützlichkeit oder harte Notwendigkeit, – er wird dies als Liebhaber der Frau nicht beiseite stellen oder ausschalten, sondern er wird es in die Form einer Zivilisation bringen, darin latent sein lassen, ja spezifische Farben daraus entlehnen. Anders würde er ein abstrakter Mann werden, was die Frau nicht verträgt. Anders würde er eine falsche Unbeteiligtheit am Leben markieren und so gefälscht wirken wie ein Mensch, der ohne leiseste dialektische Färbung, sei es auch nur in der Kehle oder Nase, sogenanntes reines Hochdeutsch spricht. Wer von seinen Wirklichkeiten absieht, hat immer trübe Gründe und verdient alles Mißtrauen. Und das weiß der rechte Liebhaber, der ja alles weiß. Er weiß auch, daß unter allen Frauenberufen der der anständigen Frau der...

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