Allzeit bereit? Wie man dem Glück auf die Sprünge hilft
Nächstes Jahr wird es sich entscheiden. Muss es sich entscheiden. Maria ist müde geworden. Partnersuche ist anstrengend mit 74. Jetzt hat sie sich ein Ziel gesteckt: An ihrem 75. Geburtstag wird sie die Wahl treffen: Aufgeben? Oder weitermachen?
Wenn sie doch nur endlich einen fände, der schlank ist und gepflegt – wie ihr verstorbener Mann. Geistig anspruchsvoll und gut gekleidet – wie ihr verstorbener Mann. Vielleicht einer Fremdsprache mächtig – wie ihr verstorbener Mann.
Noch 25 Jahre nach seinem Tod kann sie ihn nicht vergessen. Schon gar nicht die Umstände seines Todes. Er starb aus heiterem Himmel an einem Herzinfarkt, neben ihr im Bett. Da war er 49. Sie 48. Und sie blieb allein zurück mit zwei kleinen Kindern.
Sie könnte sich durchaus vorstellen, sich noch einmal einzulassen, theoretisch. Sogar auf ein Zusammenleben. Nach 25 Jahren des Alleinseins. Der Neue müsste natürlich ihre Möbel mögen. Den polierten englischen Schrank beim offenen Kamin, das Prachtstück von Sekretär aus derselben Epoche und die zierliche Tischrunde mit den chintzbezogenen Stühlen in Weinrot. Wohin mit seinen Möbeln? «Tja.» Pause. «Oben im ersten Stock, da wäre noch Platz.»
Nicht, dass sie es nicht versucht hätte. Sie war gerade 70 geworden, als sie sich auf den Weg ins erhoffte Glück machte. Eine aufgeschlossene, agile, schlanke Frau, sportlich-elegant bekleidet mit leuchtend roter Jacke und Hose im Schottenkaro, blonder Kurzhaarfrisur und lackierten Fingernägeln. Seit 25 Jahren managt Maria ihr Leben souverän, hält engen Kontakt zu Kindern und Enkelkindern, empfängt Gäste im Einfamilienhaus am Rande der Großstadt und langweilt sich keine Sekunde. Sie hat Freundinnen, ein Theaterabonnement, besucht Kunstausstellungen. Aber es fehlt eben ein Mann. Ein Mann, mit dem sie all das teilen könnte und noch mehr.
Als sie vor dreieinhalb Jahren den Schritt ins Abenteuer wagte, da ging sie schwungvoll voran. Und zwar schnurstracks in die virtuelle Welt.
Mutig lud sie eine der ersten Bekanntschaften zu sich nach Hause ein. Kaum hatte er «Hallo» gesagt, schloss er diskret die Haustür hinter sich – «wegen der Nachbarn» –, um ihr sogleich mit einer stürmischen Umarmung an die Wäsche zu gehen. «Der hatte wohl Viagra genommen.»
Jüngere meldeten sich auch. Interessante Männer, kluge Männer. Männer mit gewissen Besonderheiten, die man allerdings mögen muss. Latex-Slips beim Liebesspiel zum Beispiel. Nichts für Maria. Auch der knauserige Postbeamte, der den Spartrieb seiner verstorbenen Frau noch posthum in den höchsten Tönen lobte, war nicht ihr Fall. Oder der Ewiggestrige, der die unglückliche Geschichte von seiner früheren Frau wieder und wieder herunterbetete. Und der kluge Hanseat, der genau wie sie nie sein Haus verlassen würde und arg unter gesundheitlichen Problemen litt.
Nein, keiner reichte ran an ihren Mann, den sie so früh verlor und von dem sie bis heute einfach nicht loskommt.
Markus Ernst, Diplom-Psychologe und Paartherapeut aus Hamburg, kennt diesen Zwiespalt aus seiner Praxis nur zu gut. Ob man nun online oder offline auf die Suche gehe, spiele im Grunde keine Rolle, meint er. Viel wichtiger sei vielmehr die Frage:
«Bin ich bereit für eine neue Partnerschaft? Ich denke besonders an die ältere Zielgruppe. Da ist ja häufig eine Partnerschaft im Vorfeld zu Ende gegangen, entweder ist der Partner gestorben, oder es ist zur Scheidung gekommen. Auf jeden Fall zu einer Form des Verlusts, den man verarbeiten muss. Und da muss man sich wirklich gut selbst befragen: Bin ich wieder frei, und habe ich die Offenheit, einem neuen Menschen zu begegnen? Habe ich die vorherige Beziehung so weit verarbeitet, dass ich mit offenen Kanälen auf Partnersuche gehe? Das ist nicht ganz leicht. Man kann kein Geheimrezept geben und sagen, das und das muss so und so sein. Aber man kann sich schon fragen: Spielt der Ex-Partner noch eine große Rolle in meinem Leben? Denk ich ständig an ihn? Ein Indiz für eine noch nicht verarbeitete Beziehung und Noch-nicht-Bereitschaft für etwas Neues ist, wenn man jemand Neues kennenlernt und merkt: Mensch, da ist eine Wellenlänge, daraus könnte sich was entwickeln. Und dann treten ganz schnell wieder Gedanken an den alten Partner auf, und es finden Vergleiche statt, was Eigenschaften betrifft. Wenn man das merkt, dass man da noch so verwurzelt ist in dem Vorangegangenen, dann ist das bestimmt ein Zeichen, dass man noch nicht so hundertprozentig offen für was Neues ist.»
Unkonventionelle Wienerin sucht Partner bis 57 J. (eine Mischung aus Gérard Depardieu und Sean Penn), eloquent und witzig, zum Reisen und Speisen, Lieben und Lachen.
«Ich denke, besonders für die Generation 55+ ist es wichtig, zu Beginn nicht zu sehr eingeschränkt zu sein. Ich höre beim Telefon-Coaching immer wieder, dass sehr, sehr genaue Vorstellungen bestehen, wie er oder sie sein muss, Größe, Eigenschaften, Wohnort usw., dass die Suchkriterien sehr, sehr eng gesteckt werden. Gerade ältere Menschen sagen mir: Ich such aber nur in München in meinem Wohnbezirk. Ich will auf keinen Fall den Ort verlassen für eine Partnerschaft. Ich denke, je älter man wird, umso schwieriger wird das vielleicht, diesen Freundeskreis und die vertraute Umgebung zu verlassen. Man darf aber nicht vergessen, dass es häufig der Fall ist, dass man jemandem begegnet, der vielleicht in Köln lebt und der dann durchaus bereit wäre, den Wohnort zu wechseln für die große Liebe. Und deshalb sollte man auch durchaus weiter gefasst suchen und diese Checkliste ein bisschen auflockern und sich bei den einzelnen Punkten fragen: Ist es wirklich absolut ausgeschlossen, dass er gelegentlicher Raucher ist, wenn er auf den Balkon geht und nicht in der Wohnung raucht? Das sind Kleinigkeiten, aber die können die Partnersuche extrem beeinflussen. Da besteht die Gefahr, dass viele, die auch in Frage kommen könnten, direkt ausgefiltert werden. Also mit anderen Worten: Fassen Sie die Suchkriterien, egal ob bei der Offline- oder Online-Suche, weit und gucken Sie, was passiert! Und gehen Sie mit einer gewissen Offenheit an die Sache heran.»
Wenn es nicht völlig unangebracht, ja sogar zynisch wäre bei all dem Leid und Elend in der Welt, würde ich mich als den unglücklichsten Menschen auf Erden bezeichnen. Eine wunderbare zweite Liebe ist vorbei und hinterlässt Trauer und herzzerreißenden Schmerz, Tag und Nacht. Ich, kein Supermann, mit Ecken und Kanten, 67 J., 176/76, NR, vielfältige Interessen, kein explizites Hobby, wünsche mir – total unrealistischerweise – wieder genau so eine lebendige, intelligente, lebensfrohe, wundervolle Partnerin (nicht «Dame», sondern «Kumpel»). Möglicherweise Raum 7.
Ein ungewöhnlicher Notruf, der da in einer Wochenzeitung stand. Prompt fühlen sich 39 Frauen zur Rettung aufgerufen. 39 unerschrockene Frauen treten an gegen einen mächtigen Konkurrenten, den Schatten von Mona. Wenn Günther von seiner Mona spricht, dann immer im Präsens: «Diese Frau ist grandios, flexibel, spontan. Ich bin eher planerisch, kleinkariert. Ich wäre zum Beispiel nie auf die Idee gekommen, nach Island in den Urlaub zu fahren. Mit Mona schon.» Aber Mona hat ihn verlassen, vor Monaten schon. Jetzt ist er allein nach all den Jahren. Und kommt nicht darüber hinweg.
Beinahe auf den Tag genau vor sieben Jahren hatte er sie gefunden. Oder sie ihn. Damals hatte er die allererste Anzeige geschaltet, in derselben Zeitung wie dieses Mal. Und kurioserweise reagierten auch damals exakt 39 Frauen darauf. Er war 60, EDV-Experte in gehobener Position und stand vor einem Trümmerhaufen. Nach 40 Jahren Zusammensein war die Beziehung zu seiner Frau, einer Physikerin, endgültig zerbrochen. Sie kannten sich seit Schülertagen, heirateten und trennten sich. Kamen wieder zusammen und trennten sich. Und obwohl die Scheidung längst hinter ihnen lag, fuhren sie weiterhin zwölf Jahre lang gemeinsam in den Urlaub. Meist in ein weiträumiges Ferienhaus, wo sich jeder für drei Wochen in seine Bücher vergrub. Ein Arrangement, das beiden behagte – bis sie einem Kollegen begegnete. Plötzlich war es mit ihnen aus und vorbei.
Da gab er die erste Anzeige auf. Und fischte unter allen 39 Zuschriften Mona heraus, seine neue große Liebe. «Eine wunderbare Frau, in vielem das Gegenteil oder besser die Ergänzung zu mir: offenherzig, kreativ, kommunikativ, mit einem riesigen Freundeskreis. Ich bin eher der Ordentliche, Pünktliche, Zuverlässige, Zurückhaltende mit den sogenannten Sekundärtugenden, denen ja viele nicht gerade schmeichelhafte Einsatzgebiete nachgesagt werden.» Das soll wohl heißen: Warmduscher, Schattenparker, Handtuchbügler.
Noch heute erinnert sich Günther an alle Einzelheiten der ersten Begegnung: wie sie in signalroten Stiefeln in den Zug stieg, in dem sie verabredet waren. Und sie strahlte. Und er wusste in dieser Sekunde: «Diese Frau möchte ich gern in den Arm nehmen.»
Gemeinsam fuhren sie zu ihm nach Hause.
Eigentlich suchte er wieder eine Frau, die kochen konnte und gerne essen ging. Mona konnte nicht kochen. Und im französischen Restaurant, in das er sie ausführte, fand sie keinen Gang besonders gut. Er war trotzdem fasziniert von ihr. Damals arbeitete er noch als Berater im süddeutschen...