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Suche kochenden Betthasen

Was wir aus wissenschaftlichen Studien für die Liebe lernen können

AutorJule Specht
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783644499010
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Macht Sex gesund? Beeinflussen Hochzeit und Scheidung unsere Persönlichkeit? Ist Intimität oder Leidenschaft wichtiger? Rettet Sex Liebe? Wann ist der optimale Zeitpunkt, «Ich liebe dich» zu sagen? Warum mag Anton Mia, aber nicht Marlene? Jule Specht schlägt aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm heraus eine Brücke zum «echten» Leben und trägt hier auf unterhaltsame Art und Weise interessante und oft auch überraschende Erkenntnisse zum Miteinander vor, während und nach Beziehungen zusammen.

Jule Specht (Jahrgang 1986) ist Professorin für Persönlichkeitspsychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. In ihrer Forschung befasst sie sich vor allem mit Fragen der Persönlichkeitsentwicklung im Erwachsenenalter und den Ursachen und Konsequenzen des subjektiven Wohlbefindens. Sie schreibt für die «Psychologie heute». Jule Specht lebt mit ihren beiden Kindern in Berlin.

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Leseprobe

SEX MIT SUPERMAN


Sex mit einem attraktiven Mann zu haben klingt für die meisten Frauen verlockend. Doch wäre dieser Sex besser als Sex mit einem weniger attraktiven Mann? Tatsächlich wäre er das, und eine Ursache dafür ist das Testosteron. Im Bett kann eine Prise dieses Sexualhormons nämlich für besonderen Schwung sorgen, was in Affären genussvolle Vorteile bringt. Es gilt aber nicht nur als treibende Kraft beim Sex, sondern beeinflusst auch andere Eigenschaften wie Dominanz, Aggressivität und leichtsinniges Verhalten. Für langfristige Beziehungen eignet sich deshalb eher ein Mann mit niedrigerem Testosteronlevel. Warum das so ist, was sich die Natur dabei denkt und welche Frauen auch langfristig auf Superman fliegen, beantworten aktuelle wissenschaftliche Studien.

***

Eine Frau ist dann besonders interessant für einen Mann, wenn sie jung ist, hübsch und fruchtbar. Die Qualität eines Mannes, bewertet mit den Augen einer Frau, ist komplizierter. Frauen sind bei der Partnerwahl deutlich wählerischer als ihre männlichen Gegenstücke, und es sind eher die weniger offensichtlichen Eigenschaften eines Mannes, die ihn als Partner interessant werden lassen. Erfolg, Macht und Geld sind oft nicht auf den ersten Blick erkennbar, gleichwohl werden sie von vielen Frauen als sehr vielversprechende Merkmale empfunden. In diesem Fall erfüllt der Mann die Rolle einer Ressource. Doch auch gutes Aussehen ist bei Männern selbstverständlich von Vorteil. In diesem Fall erfüllt der Mann die Rolle eines Accessoires.

Einer Studie von David Puts und Kollegen zufolge steigert ein attraktives und männliches Aussehen sogar den Spaß im Bett. Doch wie lassen sich solche Fragestellungen untersuchen, ohne in fremde Schlafzimmer zu linsen und damit die Stimmung zunichtezumachen? Puts und Kollegen entschieden sich dafür, heterosexuelle Paare zu befragen und deren Antworten mit ihrem Aussehen zu verknüpfen. Dafür erklärten sich 110 Paare bereit, die Auskunft zu ihren sexuellen Höhepunkten gaben und von unbeteiligten Dritten hinsichtlich ihres Aussehens bewertet wurden.

Puts und Kollegen konnten so zeigen, dass maskulin aussehende Männer ihre Partnerinnen im Allgemeinen häufiger zum Orgasmus bringen. Und das bereits vor ihrem eigenen Höhepunkt, was für ein ausgeprägtes, als besonderes sexuelles Vergnügen geltendes Vorspiel spricht. Sex mit einem attraktiv aussehenden Mann dagegen steigert die Wahrscheinlichkeit für einen weiblichen Orgasmus während oder nach dessen Höhepunkt. Ähnliches gilt für länger andauernde Beziehungen, in denen die Frau auch eher später als früher zum Orgasmus kommt. Bei sexuellen Handlungen ohne Fortpflanzungschance, wie beispielsweise beim Oralsex, bleibt die weibliche Lust übrigens unbeeinflusst von der Maskulinität und Attraktivität des Bettgefährten.

Es drängt sich die Frage auf, wozu diese Differenzierung sinnvoll ist: Warum verspüren Frauen das sexuelle Vergnügen nicht mit jedem Mann, auch dann, wenn es sich um eine Romanze zwischen der Schönen und dem Biest handeln sollte? Die Evolutionspsychologie vermutet Folgendes: Ein Mann mit hervorragenden Genen zeugt zum einen gesunden, süßen und intelligenten Nachwuchs. Unter dem Gesichtspunkt einer kontinuierlichen Optimierung der Menschheitsgeschichte wäre dieser Mann als Bettgefährte demnach ein vortrefflicher Kandidat. Zum anderen sieht ein Mann mit tadellosen Genen auch attraktiv und maskulin aus. Eine Frau mit mehr oder weniger bewusstem Interesse an makellosem Nachwuchs begeistert sich deshalb bevorzugt für attraktive und maskuline Männer.

Landet dieser attraktive und maskuline Mann später mit der jungen, hübschen, fruchtbaren Frau im Bett, dann wäre Nachwuchs, zumindest was die langfristige Erhaltung der Spezies anbelangt, von Vorteil. Die Natur nutzt diesen Vorteil für sich, indem sie die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft bei dieser Konstellation erhöht. Ein Orgasmus fördert eine Schwangerschaft nämlich direkt und indirekt, unter anderem durch die erhöhte Ausschüttung des Sexualhormons Oxytocin: Dadurch wird mehr Sperma zum Ort des Geschehens befördert (anstatt dass es unverrichteter Dinge den Weg nach außen sucht), es bleibt eine erhöhte Anzahl fähiger Spermien erhalten, und deren verlängerte Haltbarkeit wird erleichtert. Auch die Chance auf wiederholten Sex zwischen diesem Mann und dieser Frau steigert sich dadurch, denn wenn der Sex einmal besonders gut war, dann bietet sich selbstverständlich (nicht nur) eine Wiederholung an.

Wie maskulin und attraktiv ein Mann ist, wird unter anderem von dem Sexualhormon Testosteron beeinflusst. Wird viel Testosteron im Körper eines Mannes ausgeschüttet, spiegelt sich das nicht nur in einem ausgesprochen männlichen Aussehen wider, sondern auch in seinem Verhalten. Das Testosteronlevel ist beispielsweise bei Männern höher, die dominant auftreten und einen höheren sozialen Status innehaben. Es steigt auch, wenn ein Mann Interesse an einer Frau hat, diese beeindrucken oder einfach ins Bett kriegen möchte.

Um zu untersuchen, wie und unter welchen Bedingungen sich Testosteron auf das Verhalten auswirkt, beobachteten Richard Slatcher und Kollegen 76 heterosexuelle Studenten. Diese gaben eine Speichelprobe ab, aus der sich das Testosteronlevel bestimmen lässt. Da der Testosteronspiegel im Laufe eines Tages schwankt, wurden die Beobachtungen zur besseren Vergleichbarkeit alle am frühen Nachmittag durchgeführt. Anschließend bekamen je zwei Männer die Aufgabe, für sieben Minuten um die Aufmerksamkeit einer jungen und attraktiven Mitarbeiterin des (ansonsten männlichen) Forscherteams zu buhlen.

Männer mit viel Testosteron verhielten sich dominanter und werteten ihren Kontrahenten mehr ab. Auf die schöne Mitarbeiterin, um deren Gunst geworben werden sollte, machte das anscheinend einen guten Eindruck: Sie fühlte sich zu solchen Männern besonders hingezogen. Diesen Erfolg kann das Testosteron deshalb für sich verbuchen, weil eine hohe Konzentration des Hormons zum einen das Interesse der Männer an Frauen erhöht und zum anderen den Wettbewerbseifer steigert.

Vom Elfenbeinturm zum wirklichen Leben: Testosteron und Lust

Ein ausgeprägtes Level an Testosteron bei Männern wirkt auf Frauen attraktiv. Es lässt die Männer besonders maskulin und damit attraktiv aussehen, geht mit Selbstsicherheit und Dominanz einher und weckt bei ihnen den Drang nach Eroberungen. Die Frauen fühlen sich von diesem kompetitiven Gebalze gebauchpinselt und erleben beim Sex mit diesen Männern tatsächlich mehr Höhepunkte. Die Rolle als Accessoire erfüllt ein Mann mit hohem Testosteronlevel also möglicherweise sehr gut. Auch spricht sein Auftreten für gute Gene, was ihn als Erzeuger von späterem Nachwuchs prinzipiell geeignet macht.

Ein Mehr an Testosteron verspricht zwar weiche Knie bei den Frauen, aber auch hier kommt es, wie so oft, auf das gesunde Mittelmaß an. Bei einer übermäßigen Testosteronkonzentration wird aus anziehendem Selbstbewusstsein nämlich schnell leichtsinniges Verhalten. Steven Stanton und Kollegen konnten das in einer Studie verdeutlichen: Sie nahmen knapp 300 Personen – Männern und Frauen – eine Speichelprobe zur Testosteronbestimmung ab und ließen sie an einem Glücksspiel teilnehmen.

In mehreren Durchgängen sollten die Probanden zwischen zwei angebotenen Alternativen wählen: Entweder einem festen, aber kleinen Geldbetrag (zum Beispiel 5 Dollar) oder der Chance auf einen größeren Geldbetrag (zum Beispiel 13 Dollar), die verbunden war mit dem Risiko, gar kein Geld zu erhalten oder bereits erspieltes Geld wieder zu verlieren. Männer waren bei diesem Glücksspiel deutlich risikofreudiger als Frauen und hatten, wie zu erwarten, auch ein deutlich höheres Testosteronlevel als diese.

Darüber hinaus waren Personen mit einem für ihr Geschlecht typischen Testosteronlevel vergleichsweise wenig risikofreudig und entschieden sich dementsprechend eher für geringe, aber sichere Geldbeträge. Personen mit einem extremen Testosteronlevel, das heißt sehr viel oder sehr wenig Testosteron, verhielten sich dagegen deutlich risikofreudiger: Als logische Konsequenz gewannen sie deshalb viel und verloren auch wieder viel. Der damit einhergehende Nervenkitzel ist zwar aufregend, kann sich auf lange Sicht als Leichtsinn aber auch nachteilig auswirken. Ein hohes Testosteronlevel ist insbesondere dann problematisch, wenn die hemmungslosen Wagnisse zu Alkoholmissbrauch und Drogenkonsum, Aggression und straffälligem Verhalten führen.

Ungezügeltes Verhalten, gesteigertes Interesse am anderen Geschlecht und Mut zum Risiko bilden auch eine fruchtbare Voraussetzung für sexuelle Untreue. Und tatsächlich geht ein hohes Testosteronlevel mit Promiskuität einher. Für eine Single-Frau mag das von Vorteil sein, denn dann profitiert sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit vom guten Sex mit ebenjenen maskulinen Männern. Für die Partnerin bringt diese sexuelle Freizügigkeit entsprechend Nachteile mit sich. Beruhigen kann hierbei möglicherweise die Tatsache, dass das Testosteronlevel bei Männern sinkt, wenn sie eine feste Beziehung eingehen oder Vater werden. Wird ein Lebemann also irgendwann sesshaft, dann kann sich sein Hormonhaushalt an die neuen Herausforderungen anpassen.

Dass dies jedoch nicht für jeden Mann gleichermaßen der Fall ist, fand Matthew McIntyre zusammen mit Kollegen heraus. Sie untersuchten in zwei Studien knapp 200 männliche Studenten hinsichtlich ihres Testosterons und ihrer Soziosexualität. Personen mit einer uneingeschränkten soziosexuellen Orientierung genießen zwanglosen...

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