Die frühe Fontane-Forschung[2] nahm an, dass Fontane seinen Roman Effi Briest ganz intuitiv am Stück „heruntergeschrieben“ habe. Abgeleitet hatte man dies vor allem durch Selbstaussagen Fontanes:
„Ja, die arme Effi! Vielleicht ist es mir gelungen, weil ich das Ganze träumerisch und fast mit einem Psychographen geschrieben habe. Sonst kann ich mich immer der Arbeit, der Mühe, Sorgen und Etappen, erinnern – in diesem Fall gar nicht. Es ist so wie von selbst gekommen, ohne rechte Überlegung und ohne alle Kritik.“[3]
Jedoch spätestens seit Behrends Untersuchung „Aus Fontanes Werkstatt“[4] hat sich durch die Rekonstruktion des Entstehungsprozesses des Romans gezeigt, dass Fontane etwa fünf Jahre an Effi Briest schrieb und vor allem die Korrektur für ihn sehr beschwerlich war. Diese Annahme vermitteln auch Zitate aus seinem Briefverkehr mit Friedländer und Schlenther:
„Dies ist der (...) dritte Briefschreibetag; ich erhole mich dabei, nachdem ich mich an meinem Roman („Effi Briest“, d. Verfass.) (...) ganz dumm korrigiert habe.“ [5] „Nachträglich, beim Korrigieren, hat es mir viel Arbeit gemacht, beim ersten Entwurf gar keine.“ [6]
„Fontanes Ausspruch, dass er „Effi Briest“ wie mit einem Psychographen geschrieben habe, kann sich nur auf den Urentwurf beziehen, und er selber gab zu, dass das Korrigieren (wie immer bei ihm) viel Arbeit gemacht habe.“[7]
Die Zeitspanne von circa fünf Jahren der Entstehung des Romans ergibt sich mit den Eckdaten der letzten Überarbeitung Ende Mai 1894[8] und dem Beginn der realen Entstehung um 1889/90. Hierauf verweist wiederum Fontane selbst, wenn er 1893 schreibt:
„Nach Erledigung dieser Arbeit („Meine Kinderjahre“, d. Verf.) mache ich mich an die Korrektur meines schon vor drei Jahren geschriebenen
Romans: ´Effi Briest´.“[9]
Zu diesen verschiedenen und sich teilweise widersprechenden Aussagen Fontanes kam es wohl deshalb, weil der Autor sich ungern an die Zeit der langwierigen Korrektur, zu der sich noch eine schwere Krankheit gesellte, erinnerte und andererseits „das Geniale des ersten Entwurfs“[10] metaphorisch erfassen wollte.
Man geht davon aus, dass Fontane sich von einem gesellschaftlichen Skandal inspirieren ließ, der etwa zehn Jahre vor dem Erscheinen seines Romans eine Kontroverse über das Austragen von Duellen in Gang setzte. Es handelt sich um die sogenannte „Ardenne-Affäre“:
„Elisabeth Freiin von Plotho ist das jüngste von fünf Kindern und wächst wild und eigenwillig auf. Sie wird von dem fünf Jahre älteren Fähnrich Armand Léon von Ardenne, dem sie in zorniger Abneigung gegenübersteht, umworben. Der Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870 bringt eine Annäherung der beiden, und 1871 findet die Verlobung, 1873 die Hochzeit statt. Nach der Geburt einer Tochter und eines Sohnes und Aufenthalten in Berlin, Düsseldorf und Metz kehrt Ardenne als Rittmeister und Eskadronchef 1881 nach Düsseldorf zurück. Hier versammelt das Ehepaar einen Kreis von Künstlern und Gelehrten um sich, und insbesondere die Anmut und Poesie der Frau von Ardenne üben eine intensive geistige Anregung auf den Freundeskreis aus. Sehr nahe steht dem Hause Ardenne das Haus des Amtsrichters Hartwich. Der Amtsrichter, dessen Ehe nicht glücklich zu sein scheint, versteht es in unaufdringlicher Weise, sich Frau von Ardenne immer unentbehrlicher zu machen. Eine Rückversetzung Ardennes nach Berlin führt zu einem freundschaftlichen Briefwechsel zwischen Elisabeth und Hartwich, und es reift ein gemeinsamer Plan, sich von den Ehegatten scheiden zu lassen und selbst eine Ehe einzugehen. Der Argwohn schöpfende Ardenne verschafft sich mit Hilfe eines Nachschlüssels aus einer Kassette die Briefe Hartwichs an seine Frau und legt diese dem Scheidungsrichter vor. Das von Ardenne geforderte Duell endet mit dem Tode Hartwichs. 1887 wird die Ehe zwischen Armand und Elisabeth von Ardenne rechtskräftig geschieden, die Kinder dem Vater zugesprochen.“[11]
Fontane selbst verweist in einem seiner Briefe auf den realen Hintergrund seiner Erzählung: „Mir wurde die Geschichte vor etwa 7 Jahren durch meine Freundin und Gönnerin Lessing (Vossische Zeitung) bei Tisch erzählt.“[12]
Immer noch wird oft in der Forschungsliteratur das berühmte „Effi komm!“ als Auslöser für Fontane, seine Erzählung zu schreiben, zitiert. Auch hier folgt die Meinung einem Ausspruch Fontanes:
„Die ganze Geschichte ist eine Ehebruchsgeschichte wie hundert andere mehr und hätte, als mir Frau L. davon erzählte, weiter keinen großen Eindruck auf mich gemacht, wenn nicht die Szene bez. die Worte: `Effi komm` darin vorgekommen wären. Das Auftauchen der Mädchen an den mit Wein überwachsenen Fenstern, die Rotköpfe, der Zuruf und das Niederducken und Verschwinden machten solchen Eindruck auf mich, dass aus dieser Szene die ganze lange Geschichte entstanden ist.“[13]
Helene Herrmann[14] kommt jedoch zu dem Schluss, dass diese Episode nur der Anstoß und nicht die komplette Grundlage für Effi Briest war. Hans Werner Seiffert, der das Ardenner Familienarchiv zum Untersuchungsgegenstand machte, kommt sogar zu dem Schluss, dass Fontane weit ausführlicher über die Ardenne-Affäre unterrichtet war, als nur mittelbar durch die Information von Frau Lessing. Es ist sogar möglich, dass Fontane die Ardennes persönlich kannte.[15]
Einen zweiten Anstoß für Effi Briest bekam Fontane, als er auf dem Balkon des Hotels „Zehnpfund“ ein englisches Geschwisterpaar sah. Die etwa 15-jährige Schwester trug exakt das, was Effi am Beginn des ersten Kapitels trägt: „Hänger, blau und weiß gestreifter Kattun, Ledergürtel und Matrosenkragen. Ich glaube, dass ich für meine Heldin keine bessere Erscheinung und Einkleidung finden konnte.“[16]
Fontane schließt mit Effi Briest thematisch an vier vorangegangene Werke an: L`Adultera, Cécile, Graf Petöfy und Unwiederbringlich. Alle diese Erzählungen haben, trotz gewissen Varianzen in der Handlung und Gestaltung, die Brüchigkeit der Ehe als Grundschema. Bei Effi Briest geht Fontane auf die Ehe als gesellschaftliche Institution ein.
Die zeitgenössische Kritik nahm das Werk euphorisch an. Es stellt Fontanes ersten wirklich großen Erfolg dar. 1910 wurde das Buch in der 30. Auflage gedruckt, was Thomas Mann veranlasste, Effi Briest „noch immer für den besten deutschen Roman seit den ’Wahlverwandtschaften’“[17] zu halten. Heute ist das Werk in unzählige Sprachen übersetzt worden und gleichzeitig der bekannteste Roman Fontanes. Wie Homo faber gehört es zum Lehrplan jeder Kollegstufe eines Gymnasiums.
Bevor der 26 jährige Rainer Werner Fassbinder 1972 mit seiner Adaption von Effi Briest begann, war der Roman bereits dreimal verfilmt worden. Gustav Gründgens drehte 1939 Der Schritt vom Wege, Rudolf Jugert 1956 Rosen im Herbst und 1969/70 Wolfgang Luderer Effi Briest.
Fontane Effi Briest sollte eigentlich Fassbinders erster Film werden. Er konnte ihn aber damals aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten nicht verwirklichen.
Der Film wurde mit der, vor allem aus heutiger Sicht, minimalen Summe von 800.000 DM produziert. Weder ARD noch ZDF wollten sich an der Finanzierung beteiligen. Er erhielt jedoch eine staatliche Fördersumme von 250.000 DM. Die Schauspieler bekamen keine Gagen, sondern nur eine Beteiligung an einem etwaigen Gewinn. Fassbinder selbst finanzierte die übrigen Kosten privat: „ich hab in der EFFI schlichtweg alles drin, was ich in den letzten Jahren verdient habe.“[18]
Die Dreharbeiten fanden in München, Wien, im Schwarzwald, in Schleswig-Holstein und in Dänemark statt. Für fast ein Jahr mußten sie unterbrochen werden, weil einer der Hauptdarsteller (Gerhard Schenk) erkrankte. Während dieser Zeit realisierte Fassbinder vier andere Projekte.[19] Durch die Unterbrechung musste der Kameramann Jürgen Jürges aufgrund anderer Verpflichtungen aussteigen und wurde durch Dietrich Lohmann ersetzt. Bei der Fotografie des Films ist jedoch kein Unterschied festzustellen. Es ist anzunehmen, dass Fassbinders dominanter Stil, der den Kameramann nur als verlängerten Arm der Regie sah, dafür sorgte, dass kein Bruch in der Ästhetik des Films zustande kam. Fassbinder nahm sich entgegen seiner bisherigen Filme extrem viel Zeit: 58 Drehtage wurde an dem Projekt gearbeitet.
Schon die Produktionsbedingungen zeigen, dass Fassbinder diesem...