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E-Book

Lösungsorientierte Beratung mit getrennten Eltern (Leben Lernen, Bd. 280)

Ein Praxishandbuch

AutorMarcus Schönherr, Sabine Holdt
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl210 Seiten
ISBN9783608108422
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Wie Trennungsberatung auch bei Streitpaaren gut gelingt: Miteinander Auseinander - Das erste Handbuch, das auch auf die Herausforderung durch hochstrittige Paare eingeht - Mit vielen Beispielen und konkreten Interventionen Wenn Eltern minderjähriger Kinder sich trennen, sind Konflikte vorprogrammiert, die oft sehr emotional und kontrovers ausgetragen werden. Doch wie finden zerstrittene Eltern zu individuell passenden Lösungen für die Neuorganisation der Familie? Beraterinnen und Berater sind herausgefordert, einen hilfreichen Prozess in Gang zu setzen, in dessen Ergebnis die getrennten Eltern wieder mehr Selbstwirksamkeit und Autonomie erlangen. Das Praxishandbuch bietet eine Vielzahl konkreter Interventionsvorschläge und ausführliche Fallbeispiele für den gesamten Beratungsprozess von der Anmeldung bis zum Abschluss. - Das erste Handbuch, das auch auf die Herausforderung durch hochstrittige Paare eingeht - Mit vielen Beispielen und konkreten Interventionen

Studium zur Diplompsychologin an der Universität Leipzig. Im Anschluss daran Weiterbildung zur Systemischen Therapeutin/Paar-und Familientherapeutin und zur Lehrenden für Systemische Therapie (DGSF). Approbation als Psychologische Psychotherapeutin. Ausbildung zur Hypnotherapeutin. Seit 1996 in der Familienberatungsstelle des FamThera Instituts (www.fam-thera.de) tätig. Therapeutische Erfahrungen in der Arbeit mit Einzelnen, Familien und insbesondere mit Elternpaaren. Langjährige Supervisions- und Lehrtätigkeit in der Fort- und Weiterbildung. Stellvertretende Ausbildungsleiterin des FamThera Instituts.

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Leseprobe

1 Die ersten Schritte


Wenn Sie den Beratungsverlauf von Familie Esche gelesen haben, konnten Sie bereits beispielhaft sehen, wie der Einstieg in die Beratung gestaltet sein kann. Im Folgenden wollen wir die methodischen Schritte detailliert beschreiben.

1.1 Erstkontakt am Telefon


Klienten melden sich üblicherweise telefonisch zur Beratung an. Aus unserer Erfahrung ist es sehr vorteilhaft, wenn die Beraterin oder der Berater bereits am Telefon selbst mit dem Elternteil spricht. Das kann entweder realisiert werden, indem die Ratsuchenden zurückgerufen werden, oder es gibt Telefonzeiten, in denen die Berater die Anrufe der Klienten persönlich entgegennehmen können. Der Vorteil ist dabei, dass unmittelbar ohne Zeitverzug am vertraulichen Beziehungsaufbau und an der Motivations- und Auftragsklärung gearbeitet werden kann. Hier sind bereits erste lösungs- und ressourcenorientierte Interventionen möglich.

Wichtige Fragen können direkt besprochen werden:

  • Wie kam das Beratungsanliegen zustande? Aus eigener Initiative oder zum Beispiel auf Empfehlung des Familiengerichts?
  • Wie steht der Ex-Partner dazu? Gibt es Einvernehmen bezüglich der Beratungsabsicht oder nicht?
  • Wie ist der Kontakt zwischen den Elternteilen derzeit? Besteht noch ein Gesprächsfaden oder herrscht Funkstille oder besteht gar ein Annäherungsverbot?
  • Wie können Sie sich den ersten Beratungskontakt vorstellen? Zusammen oder besser getrennt?
  • Gab es schon andere Versuche, eine beratende Hilfe in Anspruch zu nehmen? Wann war das und was war hilfreich dabei?
  • Wie ist die Familienkonstellation derzeit? Wer lebt wo mit wem? Welche Kinder sind involviertAlter, Geschlecht?
  • Worin besteht das Anliegen? Was wäre ein wünschenswertes Ergebnis der Beratung?

Im Laufe des Telefonats ist je nach Ausgangslage das weitere Vorgehen zu klären. Bei einer angespannten Situation empfehlen wir, getrennt einzusteigen. Das heißt, die Elternteile bekommen zunächst unabhängig voneinander Termine für ein oder mehrere Vorgespräche.

Wenn die Initiative klar bei dem anrufenden Elternteil liegt und der andere einer Beratung gegenüber vermutlich abwartend bzw. skeptisch eingestellt ist, dann bieten wir an, dieses Elternteil selbst einzuladen. Dazu lassen wir uns die entsprechende Adresse geben.

Wenn das Familiengericht der »Auftraggeber« der Beratung ist, bitten wir um die Zusendung des Gerichtsprotokolls bzw. -beschlusses, um zu erfahren, wie die Beratung innerhalb des Verfahrens verankert ist.

1.2 Einladung des anderen Elternteils


Wenn die Initiative zur Beratung von einem Elternteil ausgeht, übernehmen wir gern die Einladung der anderen Seite. Wir versuchen damit zu erreichen, dass diese Kontaktanbahnung nicht der angespannten Beziehungsdynamik des Paares zum Opfer fällt. Erfahrungsgemäß ist es für das angeschriebene Elternteil leichter, auf die persönliche Einladung einer außenstehenden Fachkraft einzugehen.

Hier als Beispiel der Einladungsbrief an Frau Esche:

Sehr geehrte Frau Esche,

Sie werden vielleicht überrascht sein, dass ich mich an Sie wende. Herr Esche hat sich aus Sorge um die gegenwärtige Situation bei uns gemeldet und bereits einen Termin bei meinem Kollegen in Anspruch genommen. Dabei signalisierte er, dass er einige der anstehenden Fragen gemeinsam mit Ihnen klären möchte und dass eine vermittelnde Unterstützung durch uns wünschenswert wäre.

Ich bin ohnehin der Meinung, dass Sie als Mutter Ihres gemeinsamen Kindes ein Recht haben, von vornherein informiert und einbezogen zu sein. Damit wollen wir beiden Elternteilen gleichermaßen unsere Unterstützung anbieten.

Erfahrungsgemäß ist die Trennung der Eltern für die Kinder am wenigsten belastend, wenn beide Elternteile kooperieren und gleichermaßen erreich- und ansprechbar bleiben.

Ihre Sichtweise ist mir sehr wichtig. Deshalb möchte ich Sie zu einem persönlichen Gespräch mit mir in unsere Beratungsstelle einladen. Eventuell kann es dann später zu gemeinsamen Gesprächen mit Herrn Esche und meinem Kollegen kommen. Der erste Termin ist immer ein unverbindliches Vorgespräch. Sie entscheiden erst anschließend, ob und welches unserer Angebote Sie in Anspruch nehmen wollen.

Sie erreichen mich zu unseren Telefonzeiten dienstags und donnerstags zwischen 13 und 14 Uhr unter Tel.:

Mit freundlichen Grüßen

Dipl.-Psych. Sabine Holdt

Und eine etwas kürzere Variante an Herrn Kiefer:

Sehr geehrter Herr Kiefer,

Frau Kiefer hat sich mit der Bitte um Beratung an meine Kollegin Frau Holdt gewandt. Offenbar möchte sich Frau Kiefer mit Ihnen auf neutralem Boden verständigen und damit auch Ihren gemeinsamen Sohn entlasten.

Ich möchte Sie gern zu einem Einzelgespräch mit mir einladen, da ich denke, dass im momentanen Geschehen beide Sichtweisen wichtig sind. Eventuell kann es später gemeinsame Gespräche geben.

Der erste Termin ist immer ein unverbindliches Vorgespräch. Mir wäre wichtig, die Basis für eventuelle Elterngespräche abzuklären. Sie entscheiden erst anschließend, ob und welches unserer Angebote Sie in Anspruch nehmen wollen.

Zur Terminabsprache erreichen Sie mich zu unseren Telefonzeiten dienstags und donnerstags zwischen 13 und 14 Uhr unter Tel.:

Mit freundlichen Grüßen

Dipl.-Psych. Marcus Schönherr

Ein Großteil der Eltern, die auf diese oder ähnliche Weise angeschrieben wurden, ging auf unsere Einladung ein. Form und Inhalt dieser Einladung sollten wir besondere Aufmerksamkeit schenken. Dass sich beide Elternteile an der Beratung beteiligen, ist schließlich die Voraussetzung für alles Weitere.

1.3 Vorgespräche


Im Beratungsalltag hat es sich bewährt, mit den Klienten unverbindliche Vorgespräche zu führen. Im Konkreten heißt das, es gibt ein erstes Gespräch, danach Bedenkzeit, und erst, wenn die Klienten telefonisch ihre Entscheidung für die Beratung mitgeteilt haben, werden Termine vereinbart. Im darauf folgenden Gespräch wird dann die Beratungsvereinbarung abgeschlossen und unterschrieben. Der eigentliche Beratungsprozess kann beginnen. Wenn die Eltern ausreichend kooperativ eingestellt sind, kann das Vorgespräch gemeinsam erfolgen.

In der Arbeit mit getrennten Eltern werden Vorgespräche jedoch oft separat mit den Elternteilen durchgeführt (siehe auch S. 40). Wenn die Beratung auf Anordnung des Familiengerichts erfolgt, fällt die Bedenkzeit weg. Stattdessen stellt das erstmalige Erscheinen der Eltern den Beginn des Beratungsprozesses dar. Die Kinder nehmen an den Elterngesprächen nicht teil (siehe auch Kapitel 6).

Wozu dienen diese Vorgespräche?

Kontaktaufbau zwischen Klient und Berater: Die Qualität der Beziehung zwischen dem Klienten und dem Berater ist eine wichtige Säule für die Beratung. Fühlt sich ein Klient durch die Beraterin gut unterstützt, kann er entspannter in den Kontakt mit dem ehemaligen Partner gehen und ist eher bereit, seine Sichtweise zu erweitern bzw. die des anderen besser nachzuvollziehen.

Klienten kommen oft mit der Erfahrung der anwaltlichen Vertretung in die Beratung, verbunden mit dem Gefühl, sich im Kampf mit dem anderen zu befinden. Sie müssen erst die Andersartigkeit der außergerichtlichen Vermittlung erfahren, bei welcher es mehr um die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner und die Annäherung der Positionen im Sinne der Kinder geht.

Vorgeschichte erfassen: Getrennte Paare kommen an unterschiedlichen Punkten im Trennungsprozess in die Beratung. So sehen wir Paare kurz nach der Trennung, nach längerem juristischen Kampf oder Jahre nach ihrer Trennung. Sie bringen verschiedene Trennungsgeschichten und ein bestimmtes Maß an Kooperationsfähigkeit mit. Sie kommen aus eigenem Antrieb in die Beratung oder sind vom Gericht geschickt. Beratung wird von dort empfohlen oder neuerdings sogar verordnet. Je nachdem gab oder gibt es bereits eine Anzahl von Helfern, welche die Situation des Paares flankieren. An der Stelle empfiehlt sich die Frage: Welche Erfahrungen haben Sie mit den bisherigen Hilfen machen können? Was war dabei hilfreich? Was sollte sich in unserer Beratung auf keinen Fall wiederholen?

Die Erfassung des Familien- und Helfersystems (involvierte Institutionen und Fachkräfte) erfolgt mithilfe eines Genogramms am Flipchart, was einen Überblick über alle direkt oder indirekt am Geschehen Beteiligten ermöglicht.

Das Genogramm wird in jeder weiteren Sitzung verwendet. Alles auf einem Blatt vor Augen zu haben, kann einen integrierenden Effekt für die Eltern mit sich bringen, weil es verdeutlicht, dass die Familie auf jeden Fall in anderer Form weiterbesteht.

Ziele und Motivationen der Klienten erfassen: Warum und wozu jemand eine Beratung in Anspruch nehmen möchte, kann sehr unterschiedlich sein. Das Vorgespräch bietet einen guten Rahmen, um die Erwartungen der Klienten und die Möglichkeiten der Beratung abzugleichen. Die Frage zu den Zielen lautet: Woran würden Sie merken, dass die Beratung für Sie hilfreich war? Bedient man sich der Kategorien nach de Shazer und teilt die Klienten in Besucher, Klagende oder Kunden ein (de Shazer 1989), hilft dies einzuschätzen, was die Klienten brauchen, um sich auf einen Prozess einlassen zu können. In der Arbeit mit getrennten Eltern werden wir sehr oft mit...

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