Sie sind hier
E-Book

Lost in Information?

Sozialpsychologische Aspekte der Selektion und Rezeption von journalistischen Online-Angeboten

AutorStephan Winter
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl218 Seiten
ISBN9783170238213
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Das Internet bietet im Vergleich zu traditionellen Medien eine deutlich erhöhte Informationsmenge und umfassende Möglichkeiten der Nutzerbeteiligung, beispielsweise über Leserkommentare. Dieses Buch beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit diese neue Situation die Prozesse der Auswahl und Verarbeitung journalistischer Inhalte verändert. Wie geht der Rezipient mit der Informationsvielfalt um und nach welchen Kriterien wählt er redaktionell erstellte Inhalte auf Online-Nachrichtenseiten aus? Inwieweit bestimmen Quellenangaben und Reaktionen anderer Leser die Bewertung journalistischer Texte? Zur Klärung dieser Fragen werden sozial- und medienpsychologische Theorien mit Blick auf die neue Medienlandschaft diskutiert und experimentelle Studien vorgestellt.

Dr. Stephan Winter ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Sozialpsychologie der Universität Duisburg-Essen.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

2 Das Internet als Informationsquelle


2.1 Nutzungsdaten und Motive


Die Nutzung des Internets ist für weite Teile der Gesellschaft bereits selbstverständlich geworden. Wie Daten der ARD-/ZDF-Onlinestudie 2011 zeigen, sind inzwischen mehr als 50 Millionen Deutsche – 73,3 % der Bevölkerung – online, wobei der Anteil in der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen sogar bei 98,8 % liegt (Van Eimeren & Frees, 2011). In der Langzeitstudie Massenkommunikation wurde das Internet von den Befragten 2010 erstmals als wichtigstes Medium eingeschätzt (Van Eimeren & Ridder, 2011): 33 % der Befragten nannten es auf die Frage, für welches Medium sie sich entscheiden würden, wenn sie nur noch eines behalten dürften (knapp vor dem Fernsehen, das von 32 % der Befragten genannt wurde).

Diese Nutzungsdaten und Einschätzungen sind insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Weg hierhin vergleichsweise kurz war, bemerkenswert: Nachdem der Vorläufer des Internets, das sogenannte ARPAnet (Advanced Research Project Agency Network), ein Zusammenschluss von amerikanischen Universitätsrechnern, im Jahr 1969 in Betrieb genommen wurde, waren 1993 die ersten Browser für das World Wide Web verfügbar. Erst ab Mitte der 1990er setzte somit eine rasante Ausbreitung in den technisch hoch entwickelten Ländern der Welt ein (vgl. Döring, 2003). Bereits ein Jahrzehnt später hat das vergleichsweise junge Medium einen Siegeszug in außergewöhnlicher Geschwindigkeit hinter sich (siehe Tabelle 1), der sich vermutlich noch weiter fortsetzen wird.

Vor allem das World Wide Web, neben E-Mail der populärste Dienst des Internets, wurde hierbei von Beginn an vorrangig als Quelle von Informationen gesehen: Durch den praktisch unbegrenzten Platz zur Speicherung und Bereitstellung von Inhalten können Informationssuche und -aufnahme als zentrale Aspekte des Internets gesehen werden (Papacharissi & Rubin, 2000; Schweiger, 2010; Walther et al., 2011). Insbesondere die Recherchemöglichkeiten mit Suchmaschinen haben das gezielte Auffinden von Informationen im Vergleich zu traditionellen Medien erheblich erleichtert. Dementsprechend wird Information von den Usern auch als eines der zentralen Nutzungsmotive genannt: Im Jahr 2010 gaben 47,2 % der Onliner an, mindestens einmal wöchentlich zielgerichtet im Internet zu suchen (Oehmichen & Schröter, 2010). 58 % nutzten das Internet zumindest gelegentlich, um aktuelle Nachrichten abzurufen, sowie 51 % für Serviceinformationen (z.B. Wetter und Verkehr) und 48 % für Informationen aus Wissenschaft, Forschung und Bildung (Van Eimeren & Frees, 2010).

Informationsangebote werden laut Schweiger (2001) mit dem vorrangigen Ziel produziert, Wissen über die Realität zu vermitteln, was sich grob von Unterhaltungsangeboten und Kunst abgrenzen lässt (vgl. Schmid & Wünsch, 2001). Im Internet würde man – dieser Einteilung folgend – etwa journalistische Nachrichtenseiten, Service-Angebote, Datenbanken, Websites von Institutionen, aber auch private Homepages mit Informationssammlungen oder Online-Lexika als Informationsangebot klassifizieren. Die verstärkte Ausbreitung von sozialen Netzwerkseiten wie Facebook oder StudiVZ, die in erster Linie zur Kommunikation mit Freunden und Bekannten und/oder zur Selbstdarstellung genutzt werden (vgl. Krämer & Winter, 2008; Raacke & Bonds-Raacke, 2008), ändern für Schweiger (2010) „nichts daran, dass das Internet auch weiterhin eine immense Bedeutung als Informationsmedium haben wird“ (S. 185). Vielmehr ließen Titel wie wer-kenntwen.de oder gute-frage.net erkennen, dass es auch bei sozialen Netzwerken durchaus um Information gehe.

Tabelle 1: Entwicklung der Internet-Nutzung in Deutschland
(Basis: Deutsche ab 14 Jahren / Quelle: Van Eimeren & Frees (2011))

Jahr

Online-Nutzung (in %)

Online-Nutzer (in Mio.)

1997

6,5

4,1

1998

10,4

6,6

1999

17,7

11,2

2000

28,6

18,3

2001

38,8

24,8

2002

44,1

28,3

2003

53,5

34,4

2004

55,3

35,7

2005

57,9

37,5

2006

59,5

38,6

2007

62,7

40,8

2008

65,8

42,7

2009

67,1

43,5

2010

69,4

49,0

2011

73,3

51,7

Auch wenn eine klare Unterteilung zwischen Information und Unterhaltung in vielen Fällen schwierig ist (Klaus, 1996), zeigt sich bei einem Blick auf die zehn am häufigsten besuchten (werbefinanzierten) Webseiten aus Deutschland (siehe Tabelle 2), dass auch hier ein hoher Informationsanteil vorliegt, beispielsweise bei Spiegel Online und Bild.de, aber auch den Seiten von Service-Providern wie T-Online, die zu großen Teilen aus Artikeln und Agenturmeldungen bestehen (vgl. Schweiger, 2010). Im Folgenden sollen insbesondere die journalistischen Informationsangebote im Netz – nach Neuberger und Quandt (2010) gekennzeichnet durch „öffentliche bzw. öffentlichkeitswirksame, nonfiktionale Aussagen auf Basis aktueller Ereignisse im Sinne einer Fremdkommunikation bzw. Berichterstattung zur Zeit“ (S. 63), die über das World Wide Web veröffentlicht werden – betrachtet werden. Unter diese Definition fallen vor allem Internet-Ableger von Zeitungen, Zeitschriften und TV-Sendern, aber auch journalistische Online-Only-Angebote, die von professionellen Redaktionen erstellt werden.

Tabelle 2: Top 10 der reichweitenstärksten (werbefinanzierten) deutschen Webseiten
(Quelle: IVW.de / Meedia.de / Stand: Dezember 2011 (Visits pro Monat) / Kategorisierung nach Schweiger (2010))

Platz

Seite

Visits (in Mio.)

Kategorie

1

T-Online Content

389

Service-Provider

2

Ebay

348

Marktplatz

3

Bild.de

191

Nachrichten

4

Yahoo Deutschland

185

Service-Provider

5

Spiegel Online

157

Nachrichten

6

Windows Live

154

Service-Provider

7

MSN

149

Service-Provider

8

Pro Sieben Online

107

TV & Nachrichten

9

...
Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Angewandte Psychologie - Therapie

Lob des sozialen Faulenzens

E-Book Lob des sozialen Faulenzens
Motivation und Leistung beim Lösen komplexer Probleme in sozialen Situationen Format: PDF

Soziales Faulenzen bezeichnet einen Motivationsverlust, der bisher meist als eine negative Folge kollektiven Arbeitens betrachtet wurde. Die vorliegende experimentelle Studie zeigt dagegen, dass im…

Lob des sozialen Faulenzens

E-Book Lob des sozialen Faulenzens
Motivation und Leistung beim Lösen komplexer Probleme in sozialen Situationen Format: PDF

Soziales Faulenzen bezeichnet einen Motivationsverlust, der bisher meist als eine negative Folge kollektiven Arbeitens betrachtet wurde. Die vorliegende experimentelle Studie zeigt dagegen, dass im…

Psychologie 2000

E-Book Psychologie 2000
Format: PDF

Der 42. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie bedurfte dank der bedeutungsträchtigen Jahreszahl keines besonderen Mottos – es war der Kongreß "Psychologie…

Psychologie 2000

E-Book Psychologie 2000
Format: PDF

Der 42. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie bedurfte dank der bedeutungsträchtigen Jahreszahl keines besonderen Mottos – es war der Kongreß "Psychologie…

Ernährungspsychologie

E-Book Ernährungspsychologie
Eine Einführung Format: PDF

Essen und Trinken beherrschen unser Leben und unser Denken. Die Ernährungswissenschaft erforscht die nutritiven Lebensgrundlagen des Menschen und weiß inzwischen sehr genau, wie sich der…

Ernährungspsychologie

E-Book Ernährungspsychologie
Eine Einführung Format: PDF

Essen und Trinken beherrschen unser Leben und unser Denken. Die Ernährungswissenschaft erforscht die nutritiven Lebensgrundlagen des Menschen und weiß inzwischen sehr genau, wie sich der…

Weitere Zeitschriften

ARCH+.

ARCH+.

ARCH+ ist eine unabhängige, konzeptuelle Zeitschrift für Architektur und Urbanismus. Der Name ist zugleich Programm: mehr als Architektur. Jedes vierteljährlich erscheinende Heft beleuchtet ...

Berufsstart Bewerbung

Berufsstart Bewerbung

»Berufsstart Bewerbung« erscheint jährlich zum Wintersemester im November mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

care konkret

care konkret

care konkret ist die Wochenzeitung für Entscheider in der Pflege. Ambulant wie stationär. Sie fasst topaktuelle Informationen und Hintergründe aus der Pflegebranche kompakt und kompetent für Sie ...

Demeter-Gartenrundbrief

Demeter-Gartenrundbrief

Einzige Gartenzeitung mit Anleitungen und Erfahrungsberichten zum biologisch-dynamischen Anbau im Hausgarten (Demeter-Anbau). Mit regelmäßigem Arbeitskalender, Aussaat-/Pflanzzeiten, Neuigkeiten ...

Der Steuerzahler

Der Steuerzahler

Der Steuerzahler ist das monatliche Wirtschafts- und Mitgliedermagazin des Bundes der Steuerzahler und erreicht mit fast 230.000 Abonnenten einen weitesten Leserkreis von 1 ...

EineWelt

EineWelt

Lebendige Reportagen, spannende Interviews, interessante Meldungen, informative Hintergrundberichte. Lesen Sie in der Zeitschrift „EineWelt“, was Menschen in Mission und Kirche bewegt Man kann ...

Euphorion

Euphorion

EUPHORION wurde 1894 gegründet und widmet sich als „Zeitschrift für Literaturgeschichte“ dem gesamten Fachgebiet der deutschen Philologie. Mindestens ein Heft pro Jahrgang ist für die ...