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Magischer Sport: Körper und Geist, Irrationales und Paranormales bei Sportlern

AutorManfred Poser
VerlagHallenberger Media Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783957640567
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR

Was ist magisch am Sport? Ich ziehe meine Turnschuhe an, laufe fünf Kilometer und gehe duschen. Fertig. Aber: Ich laufe fünfzehn Kilometer, und mein Geist geht eigene Wege, ich träume vor mich hin, während die Beine ihre Arbeit tun, bis es schwer wird und qualvoll ... Sport bringt uns unseren Körper näher und stößt uns manchmal in eine andere Dimension – sogar beim Fernsehen. Eine Fußball-Weltmeisterschaft weckt die Lebensgeister, schafft Vorfreude und Bangnis: Was wird geschehen? Geschichte wird geschrieben, und die Medien sparen nicht mit den Worten Erlösung und Heilsbringer. Magischer Sport blickt zurück auf den Sport der Antike und die Entwicklungen über den Turnvater Jahn bis hin zu den Anfängen des Fußballs. Aber Sport ist mehr, ist das Zusammenwirken von Körper und Geist.
Das Buch untersucht den Stellenwert von Physiologie und Psychologie, die Rolle von Wille, Motivation und Härte, um dann noch tiefer einzutauchen: Ist der Erfolg alles? Soll uns der Sport nicht auch Schönheit und Empfindungen schenken? Sport kann glücklich machen, und Magischer Sport führt Beispiele auf von Akteuren, die beim Laufen und Spielen das höchste Glück erlebten sowie von Mannschaften, die sich gemeinsam in einen Rausch spielten, der anscheinend nicht von dieser Welt war.
Der Leistungssportler ist verwandt mit dem mittelalterlichen Mystiker, der sich auf den Weg zu Gott begibt und dafür Entbehrungen auf sich nimmt; er ist wie der Schamane, der nach seiner Einweihung ein Experte für magische Prozeduren ist. Kann, wer Sport treibt, Gott nahekommen? Er wird zunächst und hoffentlich sich selbst erfahren, und ein Spruch orientalischer Mystiker lautet: „Wer sich selbst kennt, kennt seinen Schöpfer.“

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Leseprobe

Das Unwägbare


Das, was ungewiss am Sport ist – was unwägbar, unvorhersagbar, unauslotbar ist -, kann ruhig auch einen Namen bekommen. Nennen wir das Unwägbare einfach Ball. Der bekannteste Vertreter der Gattung ist: der Fußball. „Der Ball soll kugelförmig sein. Der Umfang des Balles darf nicht mehr als 71 Zentimeter und nicht weniger als 68 Zentimeter betragen. Das Gewicht des Balles bei Spielbeginn darf nicht mehr als 435 Gramm und nicht weniger als 396 Gramm betragen. Der Ball ist erst dann im Spiel, wenn er eine Strecke von der Länge seines Umfangs zurückgelegt hat.“ Nur die Hand eines Riesen kann ihn greifen. Ein Ball rollt: Er hat keine Ecken, keine Kanten; anders als ein Ziegelstein oder ein Buch trollt er sich davon, wenn man ihn anstößt, und er lässt sich ablenken. Sein Schwung wird zu Bewegung. Auf ihn verwendete Arbeit wird Geschwindigkeit.

Ein anderes Ding ist tatsächlich zu greifen. „Das Flugobjekt wiegt ganze 150 Gramm, misst siebeneinhalb Zentimeter im Durchmesser und besteht aus gepresstem Kork, umgürtet von 300 Meter eng gewickelten Garn, um den sich ein Mantel aus Rindsleder schmiegt, zusammengehalten von 216 Stichen aus rotem Zwirn. Es ist der Ball.“ Um genauer zu sein: der Baseball. Manche Schläger können ihn auf 160 Kilometer in der Stunde beschleunigen.

Dass der Ball rollt und sich ablenken lässt, könnte zu dem Gedanken verleiten, er habe ein eigenes Leben. „Der Chef hatte ein besonders feines Gespür dafür“, sagte Fritz Walter, und mit dem „Chef“ war Sepp Herberger gemeint, von 1950 bis 1964 Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft. „Er hörte schon am Klang eines aufspringenden Balles, ob er gut war oder schlecht. Klang es dumpf und hohl, dann schüttelte er den Kopf: der hat keine Seele, der ist leblos. – Wir recht er hatte, spürten wir später. Der Ball spielte nicht mit, er sang nicht, er ließ sich nicht streicheln, er war nicht Kamerad und Freund des Spielers, sondern ein Fremder.“

Dass der Ball – als Fremder oder Freund – anscheinend seiner eigenen Wege geht, ist in der Fußballgeschichte unzureichend gewürdigt worden. Denn der Ball spielt eigentlich mit uns. Er ist der Hauptdarsteller. Er spielt Schicksal, rollt inmitten allem dahin und wird Anlass zu höchster Komik und tiefster Tragik.

Rund waren in der Weltgeschichte nur Kanonenkugeln und die Köpfe, die oft genug rollen mussten. Rund war die Kristallkugel, aus dem sich die Zukunft ersehen ließ, wie sie der Magier zu sehen beliebte. Nichts Verlässliches, so ein rundes Ding; darauf lassen sich keine Reiche bauen. Der Stein der Weisen, der heilige Gral und die Kaaba in Mekka sind nach allem, was wir wissen, nicht rund. Aber der Erdball ist es, dem man aber einfach nicht abnehmen will, dass er rund sei. Etwas Rundes flutscht schnell davon und stört die Ordnung. Loriot sagte: „Das Komische ist das Zusammenbrechen der Ordnung in die Katastrophe.“ Das gilt besonders im Spiel; da kann man oft genug darüber lachen, denn es ist ja ein Spiel.

Etwas Unordentliches passiert: Der Verteidiger säbelt über den Ball, die Kugel springt über den Torwart und kullert in die entgegengesetzte Seite des Tors. Alle die Eigentore – köstliche Kreationen! Der Torwart bekommt den Ball nicht zu fassen, robbt ihm hinterher, und das garstige Ding hoppelt vor ihm her, in Zeitlupe über die Linie rollt es, gerade weit genug, dass der Verfolger es nicht mehr erreichen kann. Das sind die schönsten Situationen: Wenn der Ball selbst zu leben scheint, die Spieler wie gelähmt auf ihn starren, auf ihn, der ganz in Ruhe seine Kapriolen ausspielt.

Europacup-Endspiel Saragossa gegen Arsenal London, Sommer 1995: Ein Spanier hält einfach drauf, drischt in der letzten Minute, 45 Meter vor dem Tor befindlich, die Kugel in Richtung Gehäuse: eine unsinnige Handlung, keine Frage, eine Verzweiflungstat. Der Ball fliegt hoch, weg aus dem Blickfeld der Kameras; von steil oben senkt er sich dann, erstaunlich gemächlich, auf das Tor; der englische Torwart ahnt Böses, stolpert rückwärts, Panik in den Augen, der Ball strebt boshaft weg von ihm und seiner ausgestreckten Hand, plumpst („wie eine reife Pflaume“) dorthinein, wohinein er soll und nicht soll: Und der Torwart fällt hintennach. Entsetzen auf der britischen, fassungslose Freude auf der spanischen Seite. 1:0, darauf der Schlusspfiff. Sieg Saragossa.

Ror Wolf, deutscher Schriftsteller vom Jahrgang 1932, hat von 1966 („erste Ballberührung“) bis 1979 („letzte Ballberührung“) deutsche Fußballgeschichte mit Bosheit und dem Blick fürs Absurde in Szenen und Sagen dokumentiert. In „Soccer World“ hat er folgende berühmt gewordene Geschichte gefunden:

„Mittelstürmer Georg Davidson vom FC Southampton trat den Ball bis Australien. Im Spiel gegen Bolton Wanderers hob er den Ball weit über das Tor. Der Ball schwebte über die Stehränge hinweg, flog hinaus und landete auf einem vorbeifahrenden Lastwagen, dessen Ladung gerade auf ein Schiff gebracht wurde. Von der englischen Hafenstadt Southampton schaukelte der Ball leicht nach Australien, Afrika entlang, um das Kap der guten Hoffnung herum, zwanzigtausend Kilometer weit. In Melbourne wurde die Ladung gelöscht. Man staunte nicht schlecht, als man zwischen den Kisten den englischen Fußball fand.“

Da will der golfverliebte Erich Helmensdorfer nicht abseits stehen. Ein Ball kommt vor, ein Lastwagen, doch statt bis Australien gelangte der ausgerissene Golfball nur auf einen Londoner Gemüsemarkt. Auch ein Reiseziel.

„Ein wahres Wunder von Schlag ließ einen Ball sechzig Kilometer weit fliegen, bevor er zum Boden zurückkam. Laut 'Golfers Handbook' schlug ein Spieler auf dem Golfplatz John O'Gaunt Club bei Biggleswade in Bedfordshire (rund 60 km nördlich von London) seinen Ball ab. Das gute Stück landete auf einem gerade vorbeifahrenden Lastwagen mit Gemüse. Erst beim Entladen auf dem Großmarkt in London fiel der Ball aus einem Packen Grünkohl. Der Fahrer dachte an den Golfplatz, an dem er nahe vorbeifahren musste, und er gab den Golfball nach seiner Rückkehr zurück. Übrigens hätte der Spieler seine Runde mit dem Ball fortsetzen können. Der Laster war ein 'bewegliches Hemmnis', und nach Regel 24-1b hätte der Ball so nahe wie möglich unterhalb der Stelle, wo er auf dem beweglichen Hemmnis zur Ruhe gekommen war, straflos fallen gelassen werden müssen.“

Ein Golfball wird es weiter geschafft haben als 60 Kilometer. Was von der folgenden Geschichte zu halten ist? Wir hören sie.

„Am 23. September 1994 hatte eine Gruppe von fünf Golfspielern aus Oklahoma auf der Highlands Golfanlage in Bella Vista (Arkansas) gerade vom Tee abgeschlagen, als ein schwarzer Helikopter mit zwei Männern auf dem Rasen landete. Ein Mann stieg aus und nahm den Ball an sich, der Randall Kent aus Wetuemka (Oklahoma) gehörte, stieg wieder in den Hubschrauber ein und flog ab. Die Polizei von Bella Vista recherchierte bei der FAA (Federal Aviation Administration) und bei nahegelegenen Flughäfen nach, konnte aber keinen Helikopter ausmachen, auf den die Beschreibung zugetroffen hätte.“

Diese schwarzen Helikopter wurden von 1988 an häufig in den USA gesichtet, vor allem in Texas. Angeblich handelt es sich bei einer Reihe um Maschinen einer Spezialtruppe der Drogenpolizei – sollten sie die verdächtigen Golfer als Rauschgifthändler verdächtigt haben? Auch nach seltsamen Verstümmelungen an Rindern (die auf Insekten zurückgehen) wurden schwarze Helikopter gemeldet, die vielleicht nur Hirngespinste im Dunstkreis des Ufo-Wahns sind. Nun zur Tragik:

„Den einzigen Killer-Baseball in der Geschichte der Major League gibt es noch, 58 Jahre nachdem er einem Shortstop der Cleveland Indians das Leben geraubt hatte. Bob Curley, ein Redakteur des 'Sentinel Star' in Orlando (Florida), hält ihn in einem Schrank in seinem Haus unter Verschluß, nur zum Teil wegen seines historischen Wertes. Der gebrauchte und leicht zerfetzte Ball hat zweimal Unheil gebracht.

Der Ball, der Raymond Johnson Chapman vor 58 Jahren tötete, kam durch einen der Spieler, der an der Partie teilnahm, in Curleys Hände, der damals Sportreporter war. Es war der Centerfield von Cleveland, Chuck Jamieson, der den Ball in seine Tasche steckte, nachdem er Chapman niedergestreckt hatte, und der 1950 den Ball Curley gab.

Chapman, der 'Shortstop' der Cleveland Indians, wurde von einem Wurf von Carl William Mays von den New York Yankees am 17. August 1920 auf den New York Polo Grounds an der Schläfe getroffen. 'Als wir versuchten, Ray zu helfen, stolperten wir immer wieder über den Ball. Danach hob ich ihn einfach auf und steckte ihn in meine Rückentasche.'

Als Curley den Ball erhielt, legte er ihn vorübergehend in das Handschuhfach seines Autos. Er war seinerzeit Trainer an der St. Luke High School in Ho Ho Kus, New Jersey. Am nächsten Tag entdeckte ihn eine Gruppe seiner Spieler und benutzten ihn beim Infield-Training; es war das erste Mal, dass der Ball seit dem Zwischenfall mit Chapman zum Einsatz kam.

Curley erzählt, ein vergleichsweise schwacher Schlag sei auf den dritten Baseman gezielt gewesen. Als dieser nach ihm habe greifen wollen, habe der Ball einen merkwürdigen Drall bekommen und ihn in der Nähe des rechten Auge getroffen, wobei...

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