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E-Book

Mama, bleib mal im Slip

Wenn das Kind Pubertät bekommt und 51 andere Familienkatastrophen

AutorAnke Müller
VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783732530762
Altersgruppe16 – 99
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Haben Sie Kinder, die mit Ihren Nerven Tauziehen spielen? Sind Sie Dompteur in einem Flohzirkus, und keiner hört auf Sie? Wachsen Ihnen stattdessen Schmutzwäscheberge und unerledigte Aufgaben über den Kopf? Keine Sorge, Sie sind nicht allein. Auch Anke Müller lebt im Familienchaos. Besonders, ihr dreizehnjähriger Sohn, der Pubertikel, bringt sie immer wieder an den Rand des Wahnsinns. Aber auch das kleine Schwesterchen hat es in sich. Weil ihr Geflatter an ein kopfloses Huhn erinnert, ruft die Familie es Geflügel. Wie Anke Müller es schafft, bei den täglichen Familiendramen die Nerven zu behalten und warum kleine Monster am besten mit Humor zu bändigen sind, das erzählt sie in diesem wunderbar komischen Buch.

Anke Müller wurde 1972 im thüringischen Gera geboren. Sie arbeitete für eine Münchener Werbeagentur und eine Düsseldorfer Filmproduktion. Heute lebt sie mit Mann, zwei Kindern, Fischen und Meersau Eddy in Mülheim an der Ruhr. Auf ihrem Blog Good Word for Bad World erzählt sie ihren Fans die lustigsten Geschichten aus dem Familienalltag.

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Leseprobe

7. SPERRMÜLLDRAMA


Ich erzählte ja schon ein wenig von meinem Münchener Appartement. Zu dieser Wohneinheit gehörte auch eine Tiefgarage mit Paternosterstellplätzen und ein Schwimmbad auf dem Dach. Wie in ein Penthouse gelangte man nur über den Fahrstuhl und mit Hilfe eines besonderen Schlüssels hinauf, eine Treppe gab es nicht. Zwar war die gesamte Dachfläche frei zugänglich, aber lediglich um das Schwimmbecken herum standen gemauerte Steinliegen mit Holzauflage. Weil man von dort aus nicht den grandiosen Blick über die Stadt genießen konnte, besitze ich seit meinem ersten bayerischen Sommer einen Satz billiger weißer Plastikstühle. Dreimal zogen die Stühle und ich seit damals gemeinsam um. Erst staubten sie im Keller, jetzt lungern sie im Garten herum.

Ja, ich trenne mich ungern von Sachen. Kann man alles noch gebrauchen. Das geht meinen familiären Mitbewohnern im Übrigen genauso. Spätestens vier Wochen nachdem ich ein beliebiges Gedöns weggeschmissen habe, wird sich ein bohrendes Verlangen danach einstellen, dessen Drängen nach Erfüllung jedes Mal bis zur Schmerzgrenze anwächst und darüber hinausschießt, bis der entsorgte Artikel neu gekauft werden muss. Da kann man sich die Lamentiererei auch sparen und den Krempel gleich behalten.

Jetzt ist es aber so, dass ich für ein richtig gutes Foto fast alles mache. Exzellente Lichtverhältnisse unter den Bäumen, ein putziges Viech auf der Wiese – doch egal wofür ich flink meine Kamera zücke und Richtung Garten halte: Immer ist einer der dämlichen Stühle mit drauf.

Eine Woche nach der Blutdusche im Schwimmbad ist mir dann der Kragen geplatzt. Ein Eichhörnchen klaute meine Weihnachtsnüsse, von denen ich mich endlich zwecks Dekorationswechsel auf das bald anstehende Osterfest getrennt hatte. Eine Nuss nach der anderen verbuddelte das possierliche Tierchen auf der Wiese. Ich rannte zum Fotoapparat, um das Treiben festzuhalten. Als Kamera und ich bereit waren, wühlte Puschelschwanz genau unter einem Stuhl!

Kurzerhand bestellte ich den Sperrmüll ein. Meinem Mann klappte die Kinnlade runter. »Ehrlich, du wendest dich von deinen Stühlen ab? Das hätte ich nicht gedacht!«

Solche Sticheleien überhöre ich. »Bei der Gelegenheit können wir gleich auch ein paar Kinderfahrzeuge mit entsorgen …«

»Fahrzeuge auch?« Mein Mann wurde bald nicht wieder.

Am Freitag sollte der Sperrmüll kommen. Donnerstagabend ging ich mit Geflügel zum Aussortieren in den Garten.

»WAAAS? DU WILLST MEIN KAPUTTES BOBBYCAR WEGSCHMEISSEN?« Der Hühnerkopf lief rot an. »DAS GEHT NICHT!«, teilte es der Nachbarschaft mit und feuerte den hinreichenden Grund gleich hinterher: »DAS BRAUCHE ICH NOCH

»Ach, parkt es deswegen seit einem Jahr unberührt unter der Birke?«, fragte ich und griff nach dem Gefährt. »Wir stellen es jetzt raus. Den Kipplaster und die Wippe auch.«

»NEIIIIIIIIIIIIIN!« Geflügel machte einen Hechtsprung und krallte sich noch im Fallen am Lenkrad fest. Wir gingen alle drei zu Boden, und meine Kniescheibe knirschte verdächtig. Während Geflügel seinen Körper um den des Plastikvehikels wand und mich lautstark wissen ließ, was es von meinen Wegwerfplänen hielt, dachte ich tapfer und entschlossen an das versaute Eichhornshooting und machte trotz des Gebrülls klar Schiff. Irgendwann gab mein Geflügel auf und lockerte den Klammergriff. Mit der Kuschel-Eule unter dem Arm und einer kleinen Träne im Auge sah es mir dabei zu, wie ich die Reliquien seiner Kindheit in der Einfahrt für die Abholung aufbahrte. Fast wäre ich weich geworden. Fast. Doch dafür schmerzte mein Knie zu sehr.

Zu guter Letzt fiel mir ein zu klein geratener Handgepäckkoffer ein. Mit ihm war ich auch schon mehrfach umgezogen. Ich holte den Koffer aus dem Vorratskeller und stellte ihn an den Straßenrand zu den anderen Dingen.

Am Morgen warf ich ein Blick aus dem Fenster: Fahrzeuge, Stühle, Wippe und Koffer waren verschwunden, anscheinend hatte die jemand noch in der Nacht abgetragen. Ich freute mich, weil mir die Sachen irgendwie leidtaten und ich mir nicht sicher gewesen war, ob ich sie im letzten Moment nicht doch wieder reingeholt hätte. Zufrieden richtete ich mich mit einem Kaffee am Schreibtisch ein, als die Müllabfuhr den Berg heraufschnaufte. Der Laster hielt, ein Mann stieg aus, spähte ums Haus, stieg wieder ein, der Laster fuhr weiter. Ich begann mit meiner Arbeit.

Am späten Vormittag rief Meersau Eddy nach mir, er verspürte Appetit auf Wiese. So ist es immer: Mitten in meinen lesenswertesten Ideen kriegt jemand Hunger. Schicksalsergeben schnappte ich ein Eimerchen und eilte nach draußen. Bloß nicht den Gedanken verlieren! Als ich in die Gierschkolonie hinter dem Rhododendron abbog, traute ich meinen Augen nicht! Ein rotes Bobbycar, ein gelber Kipplaster und eine blaue Wippe hockten unterm Tannenbaum. Dahinter winkten vier weiße Plastikstühle und ein Handgepäckkoffer. Alles tief ins Gebüsch geschoben und vom Haus aus nicht zu sehen.

»Dusselige Plagen!«, knurrte ich, während ich für Eddy eine Handvoll schmackhafter Wildkräuter rupfte.

Meine kleine Sau wartete vergnügt an der Terrassentüre, und ich schnappte mir das Telefon. Erneut rief ich beim Sperrmüll an.

»Wir waren doch erst heute bei Ihnen«, trötete es aus dem Hörer.

»Meine Kinder … alles Spielzeug wieder da. Sie verstehen?«, versuchte ich die Situation zu erklären. Die Dame lachte.

»Nächste Woche, gleiche Zeit. Ist Ihnen das recht?«

Und wie mir das recht war!

Diesmal stellte ich es schlauer an: Am Vorabend setzte ich mein Geflügel zu Heidi vor den Fernseher und schleppte heimlich Stück für Stück aus dem Garten zur Straße.

»Wohin willst du mit meinem Bobbycar, Mama?« Beinahe hätte ich laut aufgeschrien – unvermittelt wie in einem Horrorfilm stand die Kleine plötzlich in Nachthemd und mit Kuschel-Eule im Arm im Garten. Vor Schreck ließ ich das Gefährt fallen.

»Äh … Papa«, rang ich um eine Ausrede, »… also Papa muss einen Baum stutzen, da steht dein Bobbycar in der Garage sicherer.« Was für ein Gedankenblitz, ich war stolz auf mich. »Weißt du, sonst fällt noch ein Ast darauf.«

Beruhigt kehrte Geflügel zu Heidi zurück. Ich holte die Babywippe.

»Muss die auch in die Garage?« Ich spürte mein Herz stolpern. Wie, zum Teufel, war sie ein zweites Mal so still und plötzlich im Garten erschienen?

»Ja, mein Schatz.« Ich wischte mir den Angstschweiß von der Stirn. »Pass du genau bei Heidi auf und erzähl mir nachher, was passiert ist!« Die schöpfte doch nicht etwa Verdacht? Waren die Wunden der letzten Aktion noch zu frisch?

»Gerade frühstückt Heidi, es gibt Brot und Käse, der Öhi macht Ziegenmilch warm.«

»Nachher, habe ich gesagt. Jetzt bringe ich erst deine Sachen in Sicherheit!«

»Ich will auch was essen. Machst du mir ein Brot mit Käse und Ziegenmilch?«

Ich stöhnte und stellte die Wippe ab. Essen beim Fernsehen. Meinetwegen. Hauptsache das Kind mischte nicht weiter mit. Käsebrot und Pudding klärten die Sache für mich. Den Sperrmüll stellte ich halb unter den Carport, damit er vom Fenster aus nicht zu sehen war. Damit vergaß ich das Zeug auch gleich, und in Gedanken war es bereits fort.

Am nächsten Nachmittag fuhr ich mit Geflügel zum Einkaufen. Bog oben auf die Hauptstraße – da lag vor einer der Villen am Waldrand ein großer Haufen Sperrmüll. Zwischen Weinregalen stapelten sich weiße Plastikstühle. Ich wunderte mich noch über die billigen Möbel – die Besitzer könnten sich wahrlich teureres Stuhlwerk leisten –, als Geflügel rief: »Guck mal, Mama, die haben genauso ein kaputtes Bobbycar wie ich! Und so eine Wippe habe ich auch! Wieso steht das denn am Straßenrand? Haben die nicht Angst, dass das denen einer klaut?«

Jetzt langte es mir aber! Nochmal wollte ich das Zeug nicht in meinem Garten wiederfinden!

»Ich vermute …« Erst quatschen, dann denken. Aber in meinem Kopf gähnte ein großes Loch.

»Was vermutest du?« Das Kleine hing gespannt an meinen Lippen.

»… einen Moment, muss eben auf den Verkehr achten!«

»Welchen Verkehr, wir sind doch ganz allein auf der Straße.«

»Die ziehen um«, schoss ich heraus. »Gleich kommt der Wagen und lädt die Sachen ein!«

»Kann ich verstehen, ich möchte auch nicht dort wohnen«, bestätigte Geflügel zufrieden.

Puh, Situation gerade noch gerettet.

»Wieso das denn nicht?«, hakte ich nach, um mich möglichst weit vom Thema Sperrmüll zu entfernen.

»Mitten im Wald. Nachts kommt der Wolf und beißt das Bobbycar kaputt.«

Ein Seitenblick: Nein, sie wollte mich nicht foppen. Zusammengerollt kauerte sie auf dem Beifahrersitz. Ganz klarer Fall: Bis die beim Sperrmüll das mit dem Zwischenlager geregelt hatten, würden wir woanders lang fahren!

Als wir in die nächste Straße einbogen, schellte mein Mobiltelefon. Pubertikel, leuchtete im Display.

»Mutter, suchst du bitte aus dem Handgepäckkoffer mein Geld raus, ich bin gleich da und muss dann fix wieder weg!«

»Was denn für ein Handgepäckkoffer?«, fragte ich, bereits das Schlimmste ahnend.

»Der schwarze im Vorratskeller, den nie einer nimmt!«

»Wieso ist da dein Geld drin?!« Verdammt stickig im Auto. Ich...

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