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Medienwandel als Wandel von Interaktionsformen

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl289 Seiten
ISBN9783531922928
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis33,26 EUR
Die Beiträge des Bandes untersuchen den Medienwandel von frühen europäischen Medienkulturen bis zu aktuellen Formen der Internetkommunikation unter soziologischer, kulturwissenschaftlicher und linguistischer Perspektive. Zwar haben sich die Massenmedien von den Beschränkungen sozialer Interaktionen gelöst, sie weisen dem Publikum aber eine distanzierte, bloß rezipierende Rolle zu. Dagegen eröffnen neue Formen 'interaktiver' Medien gesteigerte Möglichkeiten der Rückmeldung und der Mitgestaltung für die Nutzer. Der vorliegende Band fragt nach der Qualität dieses Medienwandels: Werden Medien tatsächlich interaktiv? Was bedeutet die Interaktivität neuer Medien? Werden die durch neue Medien eröffneten Beteiligungsmöglichkeiten realisiert?

Dr. Tilmann Sutter ist Professor für Soziologie mit Schwerpunkt Mediensoziologie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.
Dr. Alexander Mehler ist Professor für Texttechnologie und angewandte Computerlinguistik an der Universität Bielefeld.

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Leseprobe
„Numerische Inklusion“ – Wie die Medien ihr Publikum beobachten (S. 183-184)

Josef Wehner


1 Einleitung


Das Auffällige wie Herausfordernde der neuen elektronischen Medien wird gegenwärtig – im Vergleich zu den vertrauten Massenmedien – vor allem in den Eingriffs- und Mitwirkungsmöglichkeiten gesehen, wie sie durch aktuelle medientechnologische Innovationen („Web 2.0“) hervorgebracht werden. Das Internet ist längst nicht mehr nur ein großes Archiv für Informationen aller Art, sondern auch eine vielfältige Kommunikations- und Unterhaltungsplattform. Im Internet wird eingekauft und gearbeitet, werden persönliche Daten verwaltet und öffentliche Debatten geführt, lernt man andere Teilnehmer kennen und sich selber zu präsentieren.

Auf diese Entwicklung soll im Folgenden Bezug genommen werden. Dabei wird es jedoch weniger um die häufig aus einer Teilnehmerperspektive beschriebenen Möglichkeiten gehen, sich in das mediale Geschehen einzumischen oder sich mit anderen Teilnehmern zu vernetzen, als vielmehr darum, dass all die hier angesprochenen Aktivitäten dadurch, dass sie im Internet stattfinden, sich für (nicht)teilnehmende Dritte beobachtbar und analysierbar machen. Der Trend einer Verlagerung alltäglicher wie beruflicher Tätigkeiten in den virtuellen Raum macht aus dem Internet eine immer mächtiger sprudelnde Datenquelle für all diejenigen, die gern mehr wüssten über die unterschiedlichen Gewohnheiten, Meinungen und Interessen seiner Nutzer.

Die Erschließung und Auswertung dieser Datenquelle ist jedoch alles andere als einfach. Denn es geht nicht allein darum, die Vielfalt vorhandener Objekte, wie etwa die Millionen von Textdokumenten, Fotos und Videos, die im Netz zugriffsbereit vorliegen, zu klassifizieren und zu ordnen. Auch der Umgang mit diesen Objekten gilt als aufschlussreich für das bessere Verstehen des Geschehens im Internet. Angesprochen sind damit zum einen solche Beiträge, die sich auf vorhandene Objekte im Web beziehen und in kommunikativer Absicht verfasst werden. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Kommentare, Bewertungen oder Klassifikationen, wie sie in sog. virtuellen Tagebüchern („Weblogs“) oder in elektronischen Diskussionsforen zu finden sind.

Darüber hinaus sind all jene Nutzeraktivitäten von Interesse, die in den meisten Fällen weder als Beiträge verstanden noch als solche erkannt werden dürften und deshalb unbeachtet bleiben: hier ist beispielsweise an das Suchen von Objekten und Navigieren auf Web-Seiten zu denken oder an das Anklicken und Herunterladen von Texten und Filmen im Netz. Zusammengenommen bilden diese teils sichtbaren und Aufmerksamkeit fordernden, teils unsichtbaren und unbemerkt bleibenden Webaktivitäten ein aufschlussreiches Datenmaterial für die Analyse der Internetnutzung.

Allerdings erzeugen sie eine Komplexität, die jeden noch so professionellen Netzteilnehmer mit der (regelmäßigen) Verfolgung und Auswertung für ihn relevanter Daten selbst dann überfordern würde, wenn er sich auf wenige ausgesuchte Quellen beschränken würde (z.B. auf die Beiträge in ausgesuchten Weblogs zu politischen Ereignissen). Der wachsenden Attraktivität des Internets als Informationsquelle – bezogen auf das Teilnehmerverhalten – stehen deshalb sich immer höher auftürmende Datenerfassungs- und Analyseprobleme gegenüber.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
Einleitung: Der aktuelle Medienwandel im Blick einer interdisziplinären Medienwissenschaft7
Medienwandel als Wandel von Interaktionsformen in frühen europäischen Medienkulturen17
Literatur25
Medienwandel und der Wandel von Diskurstraditionen27
1 Medium und Konzeption sprachlicher Äußerungen27
2 Diskurstraditionen30
3 Sprachwandel und Diskurstraditionen31
4 Der Ausbau distanzsprachlicher Schriftlichkeit im romanischen Mittelalter32
5 Medienwandel und Wandel der Textkonzeptualisierung33
6 Der Ausbau nähesprachlicher Schriftlichkeit im WWW37
7 Kommunikationsbedingungen der Chatkommunikation39
8 Fazit43
Literatur43
Empirische Untersuchungen zur Produktion von Chat-Beiträgen46
1 Einleitung46
2 Textproduktion für den Dialog: Rahmenbedingungen der Produktion von Chat-Beiträgen47
3 Chat-Produktion untersuchen: Fragen der Datengewinnung und -repräsentation52
4 Befunde zur Produktion von Chat-Beiträgen54
4.1 Textproduktion beim Chatten als diskontinuierlicher Prozess54
4.2 Produktionsstrategie ,Verwerfen‘64
5 Fazit: Interaktionsorganisation und kommunikative Teilhabe in Chat und Gespräch73
Literatur78
Der Wandel von der Massenkommunikation zur Interaktivität neuer Medien81
1 Massenkommunikation und Gesellschaft82
2 Interaktion und neue Medien85
3 Interaktivität: Wandel durch neue Medien87
3.1 Mensch und Maschine, Technik und Handeln88
3.2 Begriffe und Konzeptionen von Interaktivität89
3.2.1 Interaktivität und soziale Interaktion91
3.2.2 Interaktivität als mediale Form und Nutzungsweise94
4 Ausblick: Interaktivität und Massenkommunikation97
Literatur99
Artifizielle Interaktivität. Eine semiotische Betrachtung104
1 Einleitung104
2 Prolegomena eines semiotischen Interaktivitätsbegriffs106
2.1 Zum Peirceschen Zeichenbegriff108
2.2 Die drei Relate des Zeichens109
3 Semiotische artifizielle Interaktivität116
4 Fallbeispiele121
4.1 Interactive Hypermedia121
4.2 Adaptable Hypermedia124
4.3 Multimodal Interaction125
5 Zusammenfassung127
Literatur128
„Ich, Maxfi – Kommuniation mit Künstlicher Intelligenz132
1 Vorüberlegungen133
2 Wer ist Max?136
3 Zum Stand der Forschung: Bewusstsein in künstlichen Systemen?139
3.1 Maschinen-Bewusstsein139
3.2 Physisch verankertes Selbstwissen (Anderson und Perlis)141
3.3 Implizites und explizites Selbstwissen (Beckermann)142
4 Max als kognitiver Agent144
5 Kriterien eines „menschlichenfinichtmenschlichen Bewusstseins148
Literatur152
›Open Access‹ Wandel des wissenschaftlichen Publikationssystems155
1 Einleitung155
2 Eine medientheoretische Perspektive auf Wissenschaft157
3 Die Selektionskriterien des wissenschaftlichen Publikationssystems162
4 Das wissenschaftliche Reputationssystem166
5 Wissenschaftliche Publikationsmedien – die organisationale Dimension168
6 Open Access – quo vadis, Wissenschaft?171
Literatur175
„Numerische Inklusionfi – Wie die Medien ihr Publikum beobachten178
1 Einleitung178
2 Zahlen und Sinn182
3 Messverfahren und Medien186
4 Nutzerprofile und Online-Kollektive191
5 Resümee200
Literatur202
Die Infrastruktur der Blogosphäre. Medienwandel als Wandel von Interobjektivitätsformen.206
1 Interobjektive Interaktionsvermeidung207
2 Vom Öffnen schwarzer Kisten210
3 Dienende Rechner und HTML Formalien213
4 Helft den Rechnern mit XML und Metadaten217
5 Zurück zur Arbeitsteilung? RSS 0.91, 0.92, 1.0, 2.0...220
6 Medienwandel und Mediensoziologie222
Literatur223
Die Entstehung einer positionalen Struktur durch Konflikt und Kooperation bei Wikipedia: Eine Netzwerkanalyse1225
Zusammenfassung225
1 Koordination der Artikelerstellung225
2 Überblick229
3 Diskussionsseiten229
4 Methode230
5 Fallbeispiel „Massaker von Srebrenicafi231
5.1 Die Bedeutung der Zeitverlaufs232
5.2 Die Bedeutung von formalen Positionen237
5.3 Die Beschreibung von Positionen, die um die Auseinandersetzung um den Artikel entstehen238
5.3.1 Positionen des Streits und der Beilegung von Konflikten243
6 Ergebnis247
Literatur249
Über die Entstehungsbedingungen von technisch unterstützten Gemeinschaften250
1 Einleitung250
2 Das gradualisierte Communitymodell254
3 Die Entstehung soziotechnischer Passung264
3.1 Das Scheitern des kollaborativen Terminkalenders265
3.2 Der Erfolg von Email268
4 Das Modell soziotechnischer Passung270
5 Fazit273
Literatur275
Autorinnen und Autoren278

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