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E-Book

Meditationen und Discours

(Mit Begleittexten vom Philosophie Magazin)

AutorRene Descartes
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783104036892
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Edition Philosophie Magazin: Eine exklusive Auswahl zentraler philosophischer Texte durch das »Philosophie Magazin«. Mit dem ungekürzten Originaltext sowie - einer sachkundigen Einführung in Werk und Vita - einer Zeitleiste zu Leben und historischem Kontext - Erläuterungen der Grundbegriffe Descartes' - mit Beiträgen von Manfred Schneider, Hilal Sezgin sowie Jean-Didier Vincent zur bleibenden Bedeutung des Werks Mit Descartes' ?Meditationen? beginnt die neuzeitliche Philosophie. Mit seinem radikalen Skeptizismus sucht Descartes nach einem unerschütterlichen Fundament, auf das man bauen kann. In seiner berühmten Formulierung lautet es: »Ich denke, also bin ich« (cogito ergo sum).

René Descartes (1596-1650) gilt als Begründer des modernen Rationalismus. Zur Grundlage der Lehre des französischen Philosophen, Mathematikers und Physikers gehört der Zweifel und seine Überwindung. Er lehrte die Loslösung vom Dogmatismus und die Anwendung der Vernunft. Descartes rationalistisches Denken wird auch Cartesianismus genannt, Grundlage ist sein berühmtes Dictum »cogito ergo sum« - »Ich denke, also bin ich«.

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Leseprobe

Inhaltsübersicht


der folgenden sechs Untersuchungen.


In der ersten Untersuchung werden die Gründe dargelegt, weshalb man über alle Dinge, insbesondere über die körperlichen, zweifeln kann, so lange man nämlich keine anderen Grundlagen des Wissens hat, als die man früher hatte. Wenn nun auch der Nutzen eines so weitgehenden Zweifelns nicht sofort erhellt, so befreit es doch am besten von allen Vorurtheilen und bereitet den leichtesten Weg, um die Seele von den Sinnen abzulenken, und zuletzt wird dadurch erreicht, dass man über das demnächst als wahr Erkannte nicht mehr zweifeln kann.

In der zweiten Untersuchung bemerkt die Seele, wenn sie aus freien Stücken annimmt, dass Alles das nicht bestellt, über dessen Dasein sich der geringste Zweifel erhebt, wie es unmöglich sei, dass sie selbst nicht während dem bestehe. Dies ist von grossem Nutzen, weil sie auf diese Weise leicht unterscheidet15, was ihr, d.h. der erkennenden Natur, und was dem Körper zugehört. Wenn indess hier einige Gründe für die Unsterblichkeit der Seele erwartet werden, so bitte ich zu bedenken, dass ich nur das mit genauen Beweisen Versehene mittheilen wollte. Ich habe deshalb nur der bei den Geometern üblichen Methode folgen können, nämlich Alles vorauszuschicken, von dem der fragliche Lehrsatz abhängt, ehe ich aus diesem etwas folgerte. Das Erste und Wichtigste zur Erkenntniss der Unsterblichkeit der Seele Erforderliche ist aber, dass man einen klaren und von jedem Begriffe eines Körpers ganz verschiedenen Begriff der Seele gewinne. Dies ist hier geschehen. Ausserdem gehört auch die Erkenntniss dazu, dass Alles, was man klar und deutlich einsieht, in dieser eingesehenen Weise wahr ist, was vor der vierten Untersuchung nicht bewiesen werden konnte, und dass man einen deutlichen Begriff von der körperlichen Natur habe, welcher theils in der zweiten, theils erst in der fünften und sechsten Untersuchung entwickelt wird. Hieraus muss geschlossen werden, dass Alles, was man als verschiedene Substanzen klar und deutlich begreift, wie die Seele und ihr Körper so begriffen werden, in Wahrheit wirklich verschiedene Substanzen sind. Dieser Schluss geschieht in der sechsten Untersuchung; auch wird dies dort damit bestätigt, dass jeder Körper als theilbar vorgestellt wird, während die Seele als untheilbar erkannt ist. Denn man kann an keiner Seele einen mittleren Theil sich vorstellen, wie man es selbst von dem kleinsten Körper kann. Hieraus erhellt, dass deren Naturen nicht blos verschieden, sondern auch gewissermassen entgegengesetzt sind. Weiter habe ich aber in dieser Schrift nicht darüber verhandelt, weil theils dies genügt, um zu zeigen, dass aus dem Verderben des Körpers der Untergang der Seele nicht folgt, und somit die Sterblichen sich Hoffnung auf ein ferneres Leben machen können; theils, weil die Vordersätze, aus denen die Unsterblichkeit der Seele gefolgert werden kann, von der Darstellung der ganzen Physik bedingt sind. So muss man zuerst wissen, dass überhaupt alle Substanzen oder Dinge, welche von Gott zum Dasein geschaffen werden sollen, ihrer Natur nach nicht verderben, noch irgend zu sein aufhören können, wenn sie nicht von demselben Gott, indem er ihnen seinen Beistand entzieht16, in das Nichts zurückgeführt werden. Ferner, dass der Körper im Allgemeinen eine Substanz ist und deshalb nicht untergehen kann, und dass der menschliche Körper in seinem Unterschiede von den übrigen Körpern nur aus einer gewissen Gestaltung und Verbindung der Glieder und anderen solchen Accidenzen gebildet ist, dass aber die menschliche Seele nicht so aus Accidenzen besteht, sondern eine reine Substanz ist. Denn wenn auch alle ihre Accidenzen wechseln, so dass sie Anderes als früher vorstellt, Anderes will und Anderes wahrnimmt, so wird dadurch die Seele doch keine andere. Dagegen wird der menschliche Körper ein anderer, sobald die Gestalt einiger seiner Theile sich ändert. Hieraus folgt, dass der Körper sehr leicht untergeht, die Seele aber ihrer Natur nach unsterblich ist.

In der dritten Untersuchung habe ich meinen Hauptgrund für Gottes Dasein in der genügenden Ausführlichkeit, wie ich glaube, entwickelt. Da ich indess, um den Geist der Leser möglichst von den Sinnen abzuwenden, keine den körperlichen Dingen entlehnte Vergleiche dabei benutzen wollte, so sind vielleicht manche Dunkelheiten geblieben, welche indess, wie ich hoffe, später in den Antworten auf die Einwürfe völlig gehoben werden sollen. So wird unter Anderem von der Vorstellung des vollkommensten Wesens in uns gesagt, wie sie so viel gegenständliche Realität habe, dass sie nothwendig von einer vollkommenen Ursache herrühren müsse, und dies wird dort durch den Vergleich mit einer sehr vollkommenen Maschine erläutert, deren Vorstellung in der Seele eines Künstlers ist. Denn so wie das gegenständliche Kunstwerk in dieser Vorstellung eine Ursache haben muss, nämlich die Wissenschaft dieses Künstlers oder eines Anderen, von dem er sie überkommen hat, so muss die in uns befindliche Vorstellung Gottes Gott selbst zur Ursache haben.

In der vierten Untersuchung wird bewiesen, dass Alles, was man klar und deutlich erkennt, wahr ist. Zugleich wird erklärt, worin der Grund der Unwahrheit liegt; man muss dies wissen, um das Vorgehende zu befestigen und das Folgende zu verstehen. Hierbei handelt es sich aber, wie ich bemerken muss, in keiner Weise um die Sünde oder um den Irrthum in Ausübung des Guten oder Bösen, sondern nur um den Irrthum, der bei der Beurtheilung des Wahren und Falschen vorkommt17. Es handelt sich hier nicht um das, was den Glauben und die Einrichtung des Lebens betrifft, sondern nur um die spekulativen, mit der blossen Hülfe des natürlichen Lichtes erkannten Wahrheiten.

In der fünften Untersuchung wird die körperliche Natur im Allgemeinen erklärt und ausserdem das Dasein Gottes aus einem neuen Grunde bewiesen. Auch hier mögen wieder einige Schwierigkeiten sich finden, welche bei der Beantwortung der Einwendungen gehoben werden sollen. Endlich wird da gezeigt, wie selbst die Gewissheit der geometrischen Beweise von der Erkenntniss Gottes abhängig ist.

In der sechsten wird endlich das bildliche Vorstellen von dem Begreifen unterschieden, und die Merkmale des Unterschiedes werden angegeben; es wird bewiesen, dass die Seele wirklich von dem Körper verschieden, aber dabei so eng mit ihm verknüpft ist, dass sie eine Einheit mit ihm bildet. Es werden alle von den Sinnen kommenden Irrthümer aufgezählt, und die Art, sie zu vermeiden, wird dargelegt. Endlich werden alle Gründe beigebracht, aus denen man das Dasein der körperlichen Dinge abnehmen kann; nicht deshalb, weil ich sie für sehr nützlich halte, um das zu beweisen, was hier damit bewiesen wird, nämlich dass es wirklich eine Welt giebt; dass die Menschen einen Körper haben und Aehnliches; da ein Mensch mit gesundem Verstande dies niemals ernstlich bezweifelt, sondern weil die Betrachtung dieser Gründe ergiebt, dass sie nicht so zuverlässig und überzeugend sind als die, welche uns zur Kenntniss unserer Seele und Gottes führen, welche mithin die gewissesten und überzeugendsten sind, die der menschliche Geist kennt. Der Beweis dieses Satzes ist es, den ich mir in diesen Untersuchungen zum Ziel genommen habe.18 Ich erwähne deshalb mehrere andere Fragen weiter nicht, welche gelegentlich darin mit verhandelt werden.

Erste Untersuchung.

Ueber das, was in Zweifel gezogen werden kann.

Ich hatte schon vor mehreren Jahren bemerkt, wie viel Falsches ich in meiner Jugend für wahr gehalten hatte, und wie zweifelhaft Alles war, was ich darauf erbaut hatte. Ich meinte deshalb, dass im Leben einmal Alles bis auf den Grund umgestossen und von den ersten Fundamenten ab neu begonnen werden müsste, wenn ich irgend etwas Festes und Bleibendes in den Wissenschaften aufstellen wollte19. Es schien dies jedoch ein ungeheures Unternehmen, und ich wartete das Alter ab, was so reif sein würde, dass ihm ein geschickteres zur Erwerbung der Wissenschaften nicht mehr nachkommen könne.

In Folge dessen habe ich so lange gezögert, dass ich zuletzt die Schuld trüge, wenn ich die zum Handeln noch übrige Zeit im Zaudern verbringen wollte. Zur passenden Zeit habe ich deshalb heute meine Seele von allen Sorgen losgemacht, mir eine ungestörte Musse bereitet und ich trete in die Einsamkeit, um endlich ernst und frei zu dieser allgemeinen Ausrottung meiner bisherigen Meinungen zu schreiten. Dazu wird indess nicht nöthig sein, dass ich sie alle als falsch aufzeige, denn dies würde ich vielleicht nie vollbringen können; vielmehr räth die Vernunft, dass ich meine Zustimmung ebenso sorgfältig bei dem nicht ganz Gewissen und Unzweifelhaften zurückzuhalten habe wie bei dem offenbar Falschen, und deshalb genügt es, Alles zu verwerfen, wo ich irgend einen Grund zum Zweifel antreffen werde. Auch braucht deshalb nicht das Einzelne durchgegangen zu werden, was eine Arbeit ohne Ende sein würde; vielmehr werde ich, da mit der Untergrabung der Grundlagen alles darauf Errichtete von selbst zusammenstürzt, gleich zu diesen Grundlagen mich wenden, auf die Alles sich stützt, was ich bisher für wahr gehalten habe.

Alles nämlich, was mir bisher am sichersten für wahr gegolten hat, habe ich von den Sinnen oder durch die Sinne empfangen; aber ich habe bemerkt, dass diese mitunter täuschen, und die Klugheit fordert, Denen niemals ganz zu trauen, die auch nur einmal uns getäuscht haben. – Allein wenn auch die Sinne in Bezug auf...

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