Einleitung: Gegenstand und Zielsetzung von methodenintegrativer Supervision Supervision ist kein Luxus, sondern notwendiger, integraler Bestandteil helfender, beratender und therapeutischer Tätigkeit. Ziel der Supervision ist die Unterstützung der helfend Tätigen in ihren Aufgaben. Dies bedeutet dreierlei: - Bearbeitung von Anliegen in der Fallarbeit - also Gruppen oder Einzelfallsupervision - Verbesserung der Zusammenarbeit in der Team oder Leitungssupervision und schließlich - Entlastung und Unterstützung der Supervisanden. Jeder, der professionell mit Menschen arbeitet, wird von deren Thematik berührt und kann sich auf Dauer den Problemen, Konflikten, deren Anspannung und Leid nicht entziehen. Das gilt vor allem dann, wenn es sich um Menschen in kritischen Lebenssituationen handelt. Die meisten professionellen Helfer haben deshalb Strategien entwickelt, die ihnen helfen, diese Probleme zu verarbeiten und innere Distanz dazu zu gewinnen. Trotzdem landen viele Helfer über kurz oder lang in der BurnoutFalle: Sie können nicht mehr abschalten, ihr großes anfängliches Engagement verwandelt sich in angestrengtes Erfüllen von Pflichten, die Begeisterung verwandelt sich in innere Leere, Idealismus geht langfristig in Zynismus über. Hier geht es also um die BurnoutPrävention bzw. die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Supervision zielt aber nicht nur und nicht in erster Linie auf die Verbesserung der Befindlichkeit der Helfer, also der Supervisanden, und auf die Verbesserung der Zusammenarbeit in Teams, sondern sie versucht vor allem fachliche Unterstützung in der Arbeit mit den Klienten zu geben. Diese fachliche Unterstützung ist allerdings nur in Ausnahmefällen eine konkrete Praxisanleitung, in der Regel geht es in der Fallsupervision um eine methodische Bearbeitung von Problemen der und mit den Klienten. In der Team und Leitungssupervision geht es um eine Bearbeitung von Problemen in der Zusammenarbeit. Supervision ist keine Therapie der Therapeuten oder Beratung der Berater, sondern schafft mit einer breiten Palette von Methoden die Möglichkeit, Probleme mit Klienten oder im Team genauer anzusehen und womöglich zu verändern. Diese Methoden sind zum Teil aus psychotherapeutischen Verfahren entlehnt, zum anderen Teil sind es allgemeine Methoden der Kommunikationssteuerung wie Gesprächsführungsmethoden, Gruppen und Konfliktmoderationsmethoden, Arbeit mit dem inneren Team, FeedbackMethoden, themenzentrierte Interaktion oder Methoden mit soziologischem Hintergrund wie die Rollenanalyse. Einen ganz wichtigen Stellenwert hat bei der supervisorischen Arbeit der institutionelle Rahmen, in dem die Supervisanden tätig sind. Die organisatorischen Rahmenbedingungen im weiteren und engeren Sinne, gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen, die Institution, die Teamstruktur sind wichtige Hintergründe und in der Teamsupervision oder der Teamentwicklung oder auch in der Organisationsentwicklung Gegenstand von Supervision. Nicht nur systemtheoretische Ansätze, sondern auch konflikttheoretisches Denken, vor allem aber die soziologische Rollentheorie können an dieser Schnittstelle zwischen Person und Institution Klärung bringen und Grundlage für methodisches Vorgehen abgeben. Ich vertrete in diesem Buch einen konsequent methodenübergreifenden Ansatz. Das hat einerseits mit der Vielgestaltigkeit der Aufgaben von Supervision zu tun, andererseits damit, dass die Supervisanden aus verschiedenen methodischen Hintergründen kommen und es sinnvoll ist, deren Methodensprache zu verstehen und gegebenenfalls auch zu sprechen. Diese Methoden stehen dabei alle im Dienste des supervisorischen Arbeitens. Auch mit einem tiefenpsychologischen Ansatz wird nicht der Supervisand analysiert, sondern die Dynamik seines Klienten und die dementsprechende Dynamik der Beziehung zwischen Helfer und Klient verständlich gemacht und bearbeitet. Die hier vorgestellten Methoden stehen, da sie alle einem humanistischen Menschenbild verpflichtet sind, nicht im Widerspruch zueinander, sondern ergänzen sich gegenseitig. So kann die Methode der klientenzentrierten Gesprächstherapie nach Carl Rogers sehr gut mit anderen Methoden wie der Gestalttherapie verbunden werden, wie dies Leslie Greenberg in seinem Ansatz der Emotion Focused Therapy wunderbar belegt. Systemisches Vorgehen ist mit Psychodrama und Gestaltmethoden integrierbar. Die aus der Psychoanalyse stammende BalintGruppenArbeit kann mit Gestalt und PsychodramaMethoden vertieft werden. Ein Beispiel für Methodenintegration per se stellt die Transaktionsanalyse dar, die einerseits eine deutliche Verwandtschaft mit der Psychoanalyse zeigt, andererseits mit ihrer Analyse von Interaktionen und speziell der Spielanalyse ins Systemische hinüberreicht. Einem eklektischen PsychotechnikPotpourri möchte ich hierbei allerdings nicht das Wort reden. Methoden sollten Wege zum Menschen sein und diese nicht verstellen, wie der Sozialanthropologe George Devereux1 zu Recht betont. Zentral ist daher in der Supervision, wie ja bekanntlich auch in der Therapie, die gelingende Begegnung, in welcher Empathie, Akzeptanz und Authentizität als zentrale Grundhaltungen den Supervisanden Selbstvertrauen und Kontakt mit ihren eigenen kreativen Ressourcen vermitteln. Als einen methodenübergreifenden theoretischen Hintergrund zum Verständnis der Notwendigkeit, der Möglichkeit und des grundlegenden methodischen Vorgehens in der Supervision stelle ich das Konzept der »Dialogischen Struktur des Selbst« dar, in welchem Konzepte des amerikanischen Sozialpsychologen G. H. Mead, der Hermeneutik Gadamers, der Begegnungsphilosophie Martin Bubers und der ObjektBeziehungsTheorie Otto Kernbergs mit den neuesten neurowissenschaftlichen Erkenntnissen über die Funktion von Spiegelneuronen verbunden sind. Vor diesem Hintergrund kann die Verschränkung der Befindlichkeit des Supervisanden/des Teams mit der des Klienten/der Klientengruppe, können die Phänomene von Übertragung und Gegenübertragung besser verstanden und für die Anliegenbearbeitung besser genutzt werden. Hier erweist sich auch, dass die drei Grundanliegen von Supervision: die Fallbearbeitung, also die Verbesserung der Arbeit mit den Klienten, die Verbesserung der Zusammenarbeit im Team und die Verbesserung der Befindlichkeit der Supervisanden, eng miteinander verknüpft sind. Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass - um den Spachfluss nicht zu hindern - mit den männlichen Worten »Klient«, »Therapeut«, »Supervisor« u. ä. immer auch die »Klientin«, »Therapeutin« oder »Supervisorin« gemeint und angesprochen ist.