Mikrokristalline Cellulose I ist ein weit verbreiteter pharmazeutischer Hilfsstoff bei der Pelletierung mittels Feuchtextrusion/Sphäronisation sowie bei der Tablettierung. Sein Polymorph MCC II, das in den kristallinen Bereichen eine andere Struktur aufweist, ist erst seit kurzem kommerziell erhältlich. Bisherige Untersuchungen an Tabletten zeigten sein überlegenes Zerfallsverhalten gegenüber MCC I-basierten Produkten. Mit MCC II als Pelletierhilfsstoff war es im Rahmen dieser Arbeit erstmals möglich, schnell zerfallende Pellets auf Cellulose-Basis mittels Feuchtextrusion/Sphäronisation herzustellen, wobei Wasser als Granulierflüssigkeit eingesetzt wurde und kein Zusatz von Binde- oder Zerfallhilfsmitteln nötig war. Die Herstellung der Pellets aus MCC II waren mit verschiedenen Wirk- und Hilfsstoffen mit einer Beladung von 80% (m/m) möglich. Alle Formulierungen zerfielen innerhalb von 5 min in Wasser. Des Weiteren konnten geringere Wirkstoffbeladungen von 50% bis 70% (m/m) realisiert werden sowie die Herstellung von Pellets aus 100% MCC II. Auch Arzneistoffbeladungen von 90% waren möglich, resultierten aber in einer erschwerten Prozessführung. Mit zunehmendem MCC II-Anteil wurden die Pellets größer, verringerten ihre Porosität und benötigten mehr Wasser für die Herstellung. Zudem stieg die Zerfallszeit an und der Zerfall wurde unvollständiger. Teilweise stellten die Formulierungen mit 90%igem Wirkstoffanteil Ausnahmen von dieser Regel dar, da sie eine längere Zerfallszeit als die Formulierungen mit 80% Wirkstoffbeladung aufwiesen. Neben den Zerfallseigenschaften, unterschieden sich MCC II-basierte Pellets auch in vielen anderen Aspekten von MCC I-basierten Pellets: Der akzeptable Feuchtebereich war für die MCC II-basierten Pellets geringer, dafür brauchten sie weniger Wasser bei der Herstellung. Außerdem waren die MCC I-basierten Pellets bezüglich ihrer Pelletform und Druckfestigkeit überlegen. Pellets aus MCC II hatten einen größeren Äquivalentdurchmesser sowie eine größere Porosität. Aufgrund ihres Zerfalls wiesen die MCC II-basierten Pellets keine Matrixfreisetzung auf, sie setzten ihren Wirkstoff im Vergleich zu den MCC I-basierten Pellets schnell frei. Ein weiterer Unterschied konnte bei den Sphäronisationsmechanismen der beiden Pelletierhilfsstoffe ermittelt werden: Der Sphäronisationsmechanismus der MCC II-basierten Formulierungen unterschied sich von den bekannten Mechanismen. Bei bisherigen Modellen stand die plastische Verformung der Extrudatbruchstücke im Vordergrund. Bei den Pellets aus MCC II fand auch plastische Verformung bei der Sphäronisation statt, doch waren Pelletabrieb und anschließende Auflagerung des Pulvers sowie ein interpartikulärer Masseaustausch zwischen den Pellets ausschlaggebend für die Ausrundung der Pellets. Durch diesen Mechanismus kam es während der Sphäronisation zu einer Zunahme der Pelletmasse sowie zu einer engeren Pelletgrößenverteilung. Im Gegensatz dazu war bei den MCC I-basierten Pellets keine Massezunahme bei der Sphäronisation festzustellen. Für MCC II-basierte Pellets konnte eine optimale Sphäronisationszeit von 8 min ermittelt werden. Pelletgröße und Pelletform konnten über Sphäronisationszeit und Sphäronisationsgeschwindigkeit beeinflusst werden. Der Einfluss der Sphäroniserbeladung auf die Pelletqualität war hingegen zu vernachlässigen. In einem weiteren Teil der Arbeit wurden die Zerfallseigenschaften MCC II-basierter Zubereitungen näher untersucht. Bei den MCC II-basierten Pellets gingen die Zerfallseigenschaften nach Lagerung bei hohen relativen Feuchten ((80%rF-)97%rF) irreversibel verloren, wodurch die Wirkstofffreisetzung verlangsamt war. Somit konnte nur bei einer Lagerung unterhalb von 80%rF gewährleistet werden, dass keine Änderungen des Zerfallsverhaltens auftrat. Wurde Theophyllin-Monohydrat in MCC II-basierten Pellets als Wirkstoff verwendet, musste die Lagerung zwischen 55%rF bis 80%rF (20°C) erfolgen. Nur in diesem Feuchtebereich blieben die Zerfalls- und Freisetzungseigenschaften der Pellets un¬verändert. Bei relativen Feuchten unterhalb von 55%rF bildete sich Theophyllin-Anhydrat, welches ein Netzwerk um das Pellet ausbildete und dadurch den Pelletzerfall verhinderte. Zu den Pellets konnte ein Vergleichssystem aus Tabletten etabliert werden: Tabletten aus extrudiertem MCC II-Granulat verhielten sich ähnlich zu den MCC II-basierten Pellets. Ihr Zerfallsverhalten wurde durch die Lagerung bei hoher Feuchte ebenfalls irreversibel verändert, zudem war die Zerfallszeit mit erhöhtem MCC II-Anteil verlängert. Tabletten aus MCC II-Pulver verhielten sich anders: Die Änderungen durch die hohen Lagerungsfeuchten waren reversibel und mit steigendem MCC II-Anteil in den Tabletten kam es zu einem beschleunigten Zerfall. Durch die Granulierung wurde außerdem die Druckfestigkeit der Tabletten stark erhöht sowie der Zerfall verlangsamt und die Wirkstoffverteilung verbessert. Außerdem unterschieden sich die Zerfallsmechanismen der Tabletten: Der Zerfall der Tabletten aus MCC II-Granulat wurde durch Quellung hervorgerufen, bei den Tabletten aus MCC II-Pulver schien hingegen ein Dochteffekt für den Zerfall verantwortlich zu sein. Als ein Grund für die Unterschiede zwischen den Tabletten aus MCC II-Pulver zu den Pellets bzw. Tabletten aus Granulat wurde eine Oberflächenvergrößerung bzw. Partikelverkleinerung der MCC II durch die Extrusion angesehen. Hierdurch konnten vermehrt Interaktionen zwischen den MCC II-Molekülen erfolgen, so wie es im Kristallit-Gel-Modell von Kleinebudde beschrieben ist. Insgesamt war es möglich, viele Eigenschaften der Tabletten aus Granulat bzw. der Pellets auf Grundlage dieses Modells zu erklären. MCC II ist ein neuer Pelletierhilfsstoff, der durch seine zerfallsfördernde Eigenschaft eine hervorragende Ergänzung zu dem Standardpelletierhilfsstoff MCC I darstellt. Es konnte ein allgemeiner Beitrag sowohl zum Verständnis des Zerfallsverhalten von MCC II-basierten Arzneiformen als auch für die Untersuchung von Zerfallseigenschaften gegeben werden. Zudem konnte der Rundungsmechanismus MCC II-basierter Pellets aufgeklärt werden.
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