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Mythen und Realitäten des Anders-Seins

Gesellschaftliche Konstruktionen seit der frühen Neuzeit

AutorEckhard Rohrmann
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl323 Seiten
ISBN9783531932392
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis33,26 EUR
Menschen, die ihren Zeitgenossen anders erscheinen, müssen deshalb nicht auch anders sein. Ebenso wenig wie Menschen, die in der frühen Neuzeit für besessen, Narren, Hexen oder Wechselbälger gehalten wurden, das tatsächlich waren, kann davon ausgegangen werden, dass Menschen, die uns heute als Behinderte oder psychisch Kranke erscheinen, dies in ontologischem Sinne sind. Der Hexenmythos ist weitgehend entzaubert, die thomistische Dämonologie als Leitparadigma durch den kartesianischen Mechanismus abgelöst worden. Doch auch unser heutiges Verständnis von Behinderung und psychischer Krankheit ist sozial konstruiert.

Dr. Eckhard Rohrmann ist Professor im Bereich Sozial- und Sonderpädagogik an der Philipps-Universität Marburg.

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Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
I Vorbemerkung9
1 Anliegen und Aufbau der Untersuchung10
2 Erkenntnistheoretische Aspekte12
II Dämonologisch-theologische Erklärungsansätze des Anders-Seins14
1 Theoretische Grundlagen und Prämissen der Theologie und Dämonologie des Anders-Seins15
1.1 Gottes Engel und Luzifers Dämonen16
1.2 Satanische Wollust: Über Erbsünde, Teufelspakt und Teufelsbuhlschaft21
1.3 Die Frau als Teufel in Menschengestalt und die heilige Jungfrau: Dämonologischtheologischer Sexismus27
2 Zur Phänomenologie und Ätiologie des Anders-Seins in theologischdämonologischer Sicht34
2.1 Hexen35
2.1.1 Ketzerei, Häresie und die Entstehung der Inquisition35
2.1.2 Die Verwissenschaftlichung des Hexenwesens38
2.1.3 „Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen“84: Zur Praxis der Hexen-Inquisition44
2.2 Besessene49
2.2.1 Phänomenologie und Ätiologie50
2.2.2 Zum Umgang mit Besessenen: Der Exorzismus52
2.3 Narren57
2.3.1 Phänomenologie und Ätiologie57
2.3.2 Die Behandlung der Narren60
2.4 Wechselbälger und Monstra63
2.4.1 Phänomenologie und Ätiologie63
2.4.2 Naturwissenschaftliche Betrachtungen über Wechselbälger64
2.4.3 Zur Praxis im Umgang mit Wechselbälgern und Monstra67
III Von der Dämonologisierung zur Biologisierung und Pathologisierung des Anders-Seins71
1 Begriffsbestimmung: Was ist ein Paradigma?71
2 Der Paradigmenwechsel75
2.1 Von der Metaphysik zur Physik und vom Schöpfungsmythos zur Evolutionsbiologie75
2.2 Dialektik der Evolution und ihre Verkürzung in Biologismus, Sozialdarwinismus und Eugenik80
3 Exkurs: Fortbestand und Bedeutung des überkommenen Paradigmas nach dem Paradigmenwechsel88
IV Mechanistisch-naturwissenschaftliche Erklärungsansätze des Anders-Seins91
1 Zur Fragmentierung der Menschheit nach Rassen92
1.1 Von edlen Europäern und primitiven „Eingeborenen“95
1.2 Schmarotzer und ihr Wirtsvolk: Zum naturwissenschaftlich begründeten Antijudaismus104
1.3 Die kranke Rasse: Zur Pathologisierung der Juden106
1.4 Rassenkunde heute109
2 Das kranke und moralisch defekte Geschlecht: Geschlechterkonstruktionen und medizinisch-naturwissenschaftlicher Sexismus 2 Das112
3 Maschine Gehirn und die kranke Seele117
4 Exkurs: Andere Ansichten von der Seele139
5 Ausgewählte Phänomenologien und Ätiologien seelischen Anders-Seins153
5.1 Schizophrenien und das Axiom der Unverstehbarkeit154
5.2 Das Idiotengehirn als defekter Apparat (Eugen Bleuler): Oligophrenien oder Intelligenzminderungen161
5.2.1 Zur Klassifikation der Oligophrenien161
5.2.2 Zur Konstruktion und Messung von Intelligenz165
5.3 Moralische Oligophrenie: „Der geborene Verbrecher“169
5.4 Poriomanie oder der „Wandertrieb“172
5.5 Exkurs: Zwischen Kriminalisierung und Pathologisierung: Deutsch-deutsche Gemeinsamkeiten175
5.6 „Der größte therapeutische Erfolg“: Pathologisierung und Entpathologisierung der Homosexualität177
5.7 „Erfundene“ Krankheiten179
5.8 Exkurs: Zur Pathologisierung der Dämonologisierung182
5.9 Verrückt oder normal?184
5.9.1 Der Störfall als Normalfall184
5.9.2 Zur Validität psychiatrischer Diagnosen187
6 Zur Praxis im Umgang mit den Andersartigen194
6.1 Psychiatrische Erbgesundheitspflege und praktische Eugenik194
6.2 Exkurs: Der wissenschaftliche Wert „lebensunwerter“ Menschen202
6.3 Heil- und Sonderpädagogik207
6.3.1 Eine besondere Pädagogik für besondere Menschen?207
6.3.2 Die scheinbare und tatsächliche Evidenz sonderpädagogischer Diagnostik210
6.3.3 Heilpädagogik und der Wandertrieb212
6.4 Die therapeutische Zerstörung des Gehirns213
6.4.1 Somatische Therapieformen und Krampfbehandlungen214
6.4.2 Psychochirurgie218
6.4.3 Pharmakotherapie222
7 „Es kam auch vor, daß man ein besonderes Krankheitsbild konstruiertefi (Egen Bleuler): Ein kritisches Fazit227
V Kontinuitäten, die den Paradigmenwechsel überdauert haben234
1 Erkenntnistheoretische Kontinuitäten: Verdinglichung und Fragmentierungen der Menschheit234
2 Zur Komplementarität der Paradigmen: Wechselseitige Ergänzung und praktische Allianz237
2.1 Kolonialismus, Sklaverei und Rassismus238
2.2 Vom religiös geprägten Judenhass zur rassistisch begründeten Judenfeindlichkeit247
2.3 Homosexualität251
3 Praktische Kontinuitäten253
3.1 Kriminalisierung, Marginalisierung, Asylierung253
3.2 Liquidierung255
4 Institutionelle Kontinuitäten259
4.1 Institutionen und Individuen, die anders scheinen259
4.2 Institutionelle Fragmentierungen261
VI Perspektiven für einen neuerlichen Paradigmenwechsel263
1 Ausgangslage: Krise des cartesianischen Naturverständnisses und kritischer Rationalismus263
2 Beispiele und Perspektiven theoretischer Dekonstruktion des Anders-Seins268
2.1 Entontologisierung und (Re-)Historisierung: Vom Sein zum Werden268
2.2 Defragmentierungen und Diversifikation: „Es ist normal, verschieden zu sein“ (Richard von Weizsäcker 1993)273
2.3 Theologische Dekonstruktionen275
3 Perspektiven für eine De-Institutionalisierung287
3.1 Macht – Hilfe – Gewalt?: Die Verantwortung der Helfenden287
3.2 Hilfe wider Willen292
3.3 De-Institutionalisierung als Gebot der Menschenrechte294
VII Schlusswort: Allen Opfern ein bleibendes Andenken bewahren299
Literatur302

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