Zur Verbesserung der Portfoliooptimierung und der Vermeidung der grundlegenden, wie zuvor beschriebenen Probleme der Portfoliotheorie werden alternative Konzepte benötigt. Black und Litterman[101] haben in mehreren Aufsätzen dargestellt, dass sich die bereits zuvor genannten Probleme bei der praktischen Umsetzung der klassischen Portfoliotheorie weitgehend vermeiden lassen und sich ökonomisch plausible Portfoliostrukturen erzielen lassen.[102]
Black und Litterman haben erkannt, dass die Ursachen der Probleme der Asset Allokation aus folgenden Punkten resultieren:
Rendite- und Risikoprognosen werden durch unterschiedliche Modelle ermittelt, wodurch eine Abstimmung zwischen diesen Prognosen meist fehlt.
Es müssen für alle Anlageinstrumente im Anlageuniversum Renditeprognosen ermittelt werden, um eine Allokation durchzuführen. Dies gilt auch, wenn keine Erwartungen für die Assets vorliegen.[103]
Ziel ist, die starke Abhängigkeit des ursprünglichen Verfahrens von den Inputparametern zu verringern und intuitiver diversifizierte Portfolios zu generieren.
Black und Litterman gehen dabei von einem internationalen Gleichgewichtsmodell der Kapitalmärkte aus, welches auch als International CAPM (ICAPM) bezeichnet wird. Hierbei handelt es sich um ein Modell ähnlich dem CAPM, welches den Zusammenhang zwischen erwarteten Renditen einzelner Anlageklassen und deren Risiko modelliert.[104]
Dieser Ansatz berücksichtigt im Gegensatz zum grundlegenden CAPM den Einsatz von Währungen und verändernden Renditen an Zinsmärkten.[105] Weiterhin wird von dem Separationstheorem ausgegangen (Tobin). In diesem wird einerseits die Existenz eines risikolosen Wertpapiers angenommen sowie andererseits des (Welt-) Marktportfolios, das teilweise gegen Fremdwährungsrisiken abgesichert wird.[106]
Ausgangspunkt ist die Definition eines Markt- oder Referenzportfolios, aus dem mittels Umkehroptimierung über die vorhandenen Gewichte dieses Portfolios Gleichgewichtsrenditen bestimmt werden. Im Anschluss können zusätzlich individuelle Renditeerwartungen für einzelne Assetklassen eingebracht werden, die unter expliziter Festlegung der Güte dieser Schätzungen zu einem modifizierten Renditevektor aus Gleichgewichtsrenditen und individuellen Erwartungen führen. Diese Renditen werden im Rahmen der Portfoliooptimierung eingesetzt.
Zudem geht das ICAPM-Modell von einer linearen Rendite-Risikobeziehung aus:
mit:
rF: risikoloser Zinssatz;
?: Sensitivität der Rendite des Marktportfolios;
EICAPM: Gesamtrendite;
P: Marktrendite;
?: Risikoaversionsfaktor;
RPn: Rendite des Parameters n.
Des Weiteren sollen alternative Referenzrenditen verwendet werden, wobei die bspw. historisch ermittelten Renditen mit individuellen Renditeprognosen verbunden werden. Diese Referenzrenditen können entweder Gleichgewichtsrenditen darstellen, wie sie insbesondere dem CAPM zugrunde liegen oder langfristige Renditeerwartungen aufzeigen.[107]
Black und Litterman schlagen vor, die Referenzrenditen als Gleichgewichtsrenditen zu bestimmen. Betrachtet werden hierbei ausschließlich Überschussrenditen.[108]
Zusätzlich zu den Referenzrenditen kann der Portfoliomanager seine eigenen Sichtweisen (im Folgenden „Views“) zu den verwendeten Anlageinstrumenten und -klassen in das Modell einbauen. Dabei kann er sich entweder an den modellhaft berechneten Renditen orientieren oder unabhängige Views einfließen lassen.[109]
Diese Views werden mit einem Skalar für das Vertrauen in die subjektive Prognose multipliziert, d.h. die geschätzten Renditeprognosen des Managers werden um die eigene Prognosegenauigkeit korrigiert.[110]
Somit lässt sich die ICAPM-Gleichgewichtsrendite bestimmen als:
mit:
Peq: Vektor der Gleichgewichtsrenditen;
?eq: Störterm der Gleichgewichtsrenditen (vgl. Kap. B I 3);
?: Kovarianzmatrix der Renditen von n (normalverteilt);
t: Skalierungsfaktor (vgl. Kap. B I 3 e).
Durch die Kombination individueller Renditeprognosen mit entsprechenden Referenzrenditen erwarten Black und Litterman ökonomisch besser abgestützte und vor allem stabilere Portfoliogewichte.[111] Dies wird im Folgenden erläutert.
Durch die Verknüpfung der Gleichgewichtsrenditen mit den subjektiven Prognosen ergibt sich der formale Zusammenhang für die Erwartungswerte nach Black und Litterman wie folgt:[112]
mit
EBL: kombinierter Black-Litterman-Renditevektor (N x 1);
?eq: Gleichgewichtsrenditevektor aus dem ICAPM (N x 1);
t: Skalierungsfaktor der Kovarianzmatrix;
?: Kovarianzmatrix der Überschussrenditen von n (N x N);
W: diagonale Kovarianzmatrix der Varianzen der Views;
P: Matrix der Anlageinstrumente, für die ein View besteht;
(K x N-Matrix oder 1 x N-Matrix bei einem einzigen View):
Q: Vektor der Views (K x 1);
K: Vektorgrenzen (mit K für „Views“);
N: Vektorgrenzen (N für Anlageinstrumente).
Im Folgenden werden die einzelnen Elemente sowie die formalen Bestandteile des Black-Litterman-Modells detailliert dargestellt und anschließend in eine erste praktische Umsetzung überführt. Das Vorgehen nach Black-Litterman ergibt sich wie folgt:
Abb. 10: Schematische Darstellung der Black-Litterman-Optimierung.
Quelle: In Anlehnung an Drobetz, W. (2003), S. 218.
Der Aufbau des Black-Litterman-Modells kann in zwei unterschiedliche Pfade unterteilt werden.
Auf dem linken Pfad wird der Vektor der impliziten Gleichgewichtsrenditen für bestimmte Anlageinstrumente geschätzt; dies kann bspw. auf Basis einer historischen Simulation erfolgen. Damit kann die Kovarianzmatrix ermittelt werden. Des Weiteren kann auf Basis der unterschiedlichen Marktgewichte eine Gewichtung des Portfolios stattfinden. Letztlich muss der Risikoaversionsparameter festgelegt bzw. ermittelt werden.[113] Mit diesem Vorgehen kann der Vektor der Gleichgewichtsrenditen ermittelt werden.
Black und Litterman geben dem Investor durch den rechten Pfad in der Abb. 10 „Schematische Darstellung der Black-Litterman-Optimierung“ die Möglichkeit, für bestimmte Anlageinstrumente einen View für die Erwartungswerte und die damit verbundene (Un-) Sicherheit einfließen zu lassen. Diese Views werden im Rahmen einer sog. Rückwärtsoptimierung (im Folgenden „reverse optimization“) bei der Berechnung der Erwartungswerte der geschätzten Renditen berücksichtigt. Somit werden die Gleichgewichtsrenditen und die subjektiven Views des Portfoliomanagers zu einem gewichteten Schätzwert zusammengefasst.[114] Dies wird im Folgenden detailliert dargestellt.
Sind die aktuellen Marktkapitalisierungen der einzelnen Anlageklassen bekannt, lassen sich diese mittels reverse optimization ermitteln.[115] Dabei wird angenommen, dass sich die Renditeerwartungen im Marktgleichgewicht so anpassen, dass das kapitalisierungsgewichtete Portfolio – bestehend aus allen risikobehafteten...