"Kapitel 3.2, Aktueller Forschungsstand zum Outdoortraining und seiner Wirkung:
Ich möchte nun den Beschreibungen über das Praxisfeld einen Überblick über existierende Studien im Bereich des Outdoortrainings und seiner Wirkung bzw. des Transfers in den Arbeitsalltag folgen lassen. Dieser Abschnitt soll dazu dienen, den bisherigen Forschungsstand zu erfassen und auf meine Untersuchung überzuleiten.
Forschung zur Wirkung und zum Transfer von erlebnispädagogischen Maßnahmen im Bereich der betrieblichen Bildung existiert laut Michael Rehm vor allem im englischsprachigen Raum. Bartel und Rehm weisen darauf hin, dass hier neben vielen Wissenschaftlern an den unterschiedlichen Universitäten insbesondere die ‘Association for Experiential Education (AEE)’ aus Colorado, USA und das ‘Corporate Adventure Training Institute (CATI)’ in Ontario, Kanada zu nennen sind. Die AEE sei dabei Herausgeber der Zeitschrift ‘Journal of Experiential Education’ und veröffentliche regelmäßig Forschungsberichte zum Thema Erlebnispädagogik. Die CATI mit ihrem langjährigen und äußerst bekannten Direktor - Prof. Simon Priest - veröffentlicht Forschungsberichte in ihren ‘CATInate’-Blättern vornehmlich zu betrieblichen Themen.
Michael Rehm (1999) fasst einige dieser angloamerikanischen Studien zusammen, bei denen sowohl die Wirkung als auch teilweise der Transfer untersucht wurden. Im Folgenden stelle ich einige Ergebnisse seiner Zusammenfassung dar.
King und Harmon (1981) analysierten ein Outdoorprogramm für neue Mitarbeiter einer Raumfahrtgesellschaft. Dabei legten Sie ihren Forschungsschwerpunkt auf die Veränderungen von persönlichen Vorstellungen und beruflichen Einstellungen der teilnehmenden Angestellten. Sie führten mit 33 zufällig ausgewählten Teilnehmern Interviews und registrierten drei positive Effekte: ein größeres Selbstbewusstsein, eine erhöhte berufliche Moral und ein verbesserter Sinn für Gemeinschaftsarbeit, Freundschaft und Respekt für andere Mitarbeiter in der Firma. Außerdem hatten die Teilnehmer im Vergleich zu anderen Mitarbeitern des gleichen Unternehmens eine deutlich niedrigere Tendenz, die Firma zu verlassen.
Die Colorado Outward Bound School untersuchte 1988 die Effektivität der Erfahrung von 247 Teilnehmenden einer Outdoor-Trainingsmaßnahme. Dabei entdeckten sie positive Entwicklungen in den Bereichen Teamarbeit, Führungsverhalten, Verhältnis zu anderen, Persönlichkeitswachstum, persönliche Grenzen, neue berufliche Beziehungen und Selbstbild.
An der Indiana University untersuchte eine Forschungsgruppe um Baldwin, Wagner und Roland die Wirkung eines Outdoortrainings mit Gruppenproblemlösespielen und Initiativaufgaben. Teilnehmer waren 458 zivile Angestellte und 13 Vorgesetzte einer militärischen Basis. Diese bekamen drei Monate nach dem Training zwei Fragebögen vorgelegt, um sowohl die Gruppenerfahrungen als auch die Individualerfahrungen zu erfassen. Es wurde nur ein mäßiger Effekt festgestellt, der sich auf das Gruppengefühl, die Gruppeneffektivität und das individuelle Problemlöseverhalten bezog.
Dukiewcz und Chase führten eine Studie mit einer Experimentalgruppe, die an einem outdoor-orientierten Führungsseminar teilnahm, und einer Kontrollgruppe, die dieses Seminar nicht besuchte, durch. Die Probanden waren 84 MBA-Studenten. Im Vergleich zur Kontrollgruppe (n=43) zeigte die Experimentalgruppe (n=41) Veränderungen in den Bereichen Vertrauen, Zuversicht in Studienkollegen, Gruppengefühl, Kohäsionskraft, Gruppenbewusstsein, Gruppenhomogenität sowie kleine Veränderungen in den Bereichen Selbsteinschätzung und Problemlösen.
1992 untersuchten Quinn und Vogl anhand von 125 Angestellten einer Buchhaltungsfirma die Kurzzeitwirkung eines Vierundzwanzig-Stunden-Programms. Hierbei ließen sich deutliche Verbesserungen der Kommunikation und des Konfliktmanagements mit den Kollegen feststellen. Außerdem wurde eine Zunahme des Selbstbewusstseins und des Vertrauen in die eigene Belastungsfähigkeit gemessen.
Eine weitere umfassende Zusammenfassung geben Rehm und Wes (1996). Sie erstellten eine tabellarische Übersicht über 53 Studien im Bereich der Erlebnispädagogik (1996, S.141-142). Als Ergänzung zu den bereits erwähnten Studien möchte ich auf der Grundlage der Artikel von Rehm und Wes (1996, S. 173) hier noch die Untersuchungen der CATI aufführen. Nach Rehm und Wes beschreiben die CATInate Studien hauptsächlich die erreichten Wirkungen von Outdooraktivitäten im betrieblichen Kontext. So zeigen sie, dass Outdooraktivitäten ein effektives Mittel für die Entwicklung von Teams sein können, dass das Betriebsklima von Unternehmen durch Outdooraktivitäten positiv und beschleunigt verändert werden kann und dass das Motivationsklima einer Organisation geändert werden kann.
Weiterhin lassen sich vor allem im deutschsprachigen Raum auch Untersuchungen finden, die einem qualitativen Untersuchungsdesign folgen. Zu nennen wäre hier eine Arbeit von Carsten Weidner, der eine Evaluation eines Outdoortrainings anhand einer Einzelanalyse mit insgesamt zwölf Teilnehmern, die Führungsnachwuchskräfte eines großen Unternehmen der Konsumgüterindustrie waren, durchführte. Anhand von Einzel- und Gruppeninterviews und einem Kurzfragebogen stellte er ein Kategoriensystem auf, das die Lerneffekte der Teilnehmer widerspiegelte. Innerhalb dieses Kategoriensystems konnte man zusätzlich noch zwischen Lerneffekten unterscheiden, die häufig, und solchen, die weniger häufig genannt wurden. Die befragten Trainingsteilnehmer nannten am häufigsten Lerneffekte in den Bereichen der Kooperation und Teamfähigkeit, der Motivation, der Planung und Zielorientierung und dem Vertrauen.
Heidi Kern und Dorothee Schmidt konnten in ihrer Untersuchung feststellen, dass ein Outdoortraining für zehn Auszubildende eines Kosmetikunternehmens vor allem im Bereich des Teamklimas positive Auswirkungen hatte. Weitere positive Effekte zeigten sich vor allem in der Kommunikationsfähigkeit, den Strategien der Zusammenarbeit und der Handlungskompetenz. Die Autorinnen führten jeweils zwei Einzelinterviews mit den Teilnehmern, dabei lag das erste Interview unmittelbar nach dem Training und ein weiteres sieben Monate später. Außerdem führten sie mit den Teilnehmern zwei Tests durch, um die Ergebnisse aus den Interviews in Form einer Triangulation zu unterstützen. Bei den beiden Tests handelte es sich um das Team-Klima-Inventar und das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP). In der zweiten späteren Befragung wurde jedoch deutlich, dass die anfangs festgestellten positiven Entwicklungen wieder rückläufig waren.
Präzision der Fragestellung:
Der zuvor beschriebene aktuelle Forschungsstand macht deutlich, dass es im deutschsprachigen Raum kaum Untersuchungen zu Outdoortrainings bzw. kombinierten Weiterbildungsmaßnahmen gibt. Weiterhin bezieht sich keine der Studien auf gewerbliche Führungskräfte. Meine Untersuchung soll Erkenntnisse darüber liefern, wie die Trainingsmaßnahmen Outdoortraining und Einzelcoaching die persönliche Entwicklung der Zielgruppe Schichtführer in Bezug auf ihre Rolle als Führungsperson und Teammitglied ihrer eigenen Schicht beeinflusst haben. Dabei lege ich ein besonderes Augenmerk auf die drei Entwicklungsbereiche Führung, Team und Kommunikation. Außerdem möchte ich explorieren, welche weiteren Veränderungen die beschriebenen Trainingsmaßnahmen bei den Schichtführern herbeiführen und welcher Zusammenhang zwischen den Erfahrungen im Training und dem beruflichen Alltag der Schichtführer besteht. Dabei ist meine Absicht, die Wirkung des Trainingsprogramms aus der subjektiven Sicht der Schichtführer zu betrachten und um die Einschätzung der Coaches, der Abteilungsleiter und des Betriebsrates zu ergänzen. Die Diplomarbeit folgt nicht den Kriterien eines experimentellen Designs und ist damit auch nicht hypothesenprüfend, sondern hypothesengenerierend. Vielmehr stellt sie eine Dokumentation dar, die die Fragen eines potentiellen Anwenders zu beantworten vermag. Daher folge ich in meiner Arbeit den Kriterien von Gerhard Kleining und seiner qualitativen Sozialforschung sowie der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring.
Darstellung und Begründung der Untersuchungsinstrumente:
Für meine Untersuchung habe ich mich entschieden, eine Kombination aus einem qualitativen und einem quantitativen Forschungsansatz zu verwenden. Da ich an der subjektiven Sicht der Schichtführer über die Wirksamkeit des Outdoortrainings und das Einzelcoaching interessiert bin, ist meiner Meinung nach ein qualitatives Interview die beste Option, um diesen Aspekt zu untersuchen. Die Zielgruppe ‘Schichtführer’ verlangt aufgrund ihrer intellektuellen und sprachlichen Fähigkeiten eine entsprechende Methode. Da diese Zielgruppe sprachlich weniger begabt ist, nicht gerne längere Texte verfasst und sich mit komplexeren Aussagen schwer tut, ist es wichtig, mit ihnen auf derselben verbalen Ebene zu kommunizieren, um eventuelle Unverständlichkeiten erklären zu können. Mit Hilfe von Interviews kann der Interviewleiter jederzeit die jeweiligen Fragen wiederholen und weiter erläutern. Weiterhin kann er dem Interviewten spontan Beispiele nennen, um ihm die Fragen bildlicher erscheinen zu lassen.
Die Schichtführer bekommen so auch die Möglichkeit, in ihrer Sprache zu kommunizieren und sind nicht auf vorgegebene Kategorien beschränkt. Zusätzlich nutze ich auch den quantitativen Forschungsansatz, da er im Gegensatz zum qualitativen eine bessere Systematisierung der zu erfragenden Aspekte bietet. Hierbei achte ich darauf, dass die zu beantworteten Fragen sehr prägnant und einfach zu verstehen sind. Aus der Kombination beider Forschungsansätze erhoffe ich mir, ein umfassenderes Bild und damit auch unterschiedliche Facetten und Aspekte über die Wirkung der Weiterbildungsmaßnahmen herauszufinden. Im Folgenden werde ich die angewandten Untersuchungsinstrumente sowohl in ihrer theoretischen Konstruktion als auch in ihrer praktischen Anwendung vorstellen. Dabei erläutere ich vor allem den qualitativen Forschungsansatz differenziert, da ich mit dieser Arbeit auch fachfremde Leser erreichen möchte, die nicht mit den Forschungsmethoden der qualitativen Sozialforschung vertraut sind. Ich beginne mit dem qualitativen Untersuchungsteil, der sich auf die qualitative Sozialforschung nach Kleining bezieht und gehe dann im weiteren Verlauf der Arbeit auf den quantitativen Untersuchungsteil ein."