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Permanent Record

Meine Geschichte

AutorEdward Snowden
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl432 Seiten
ISBN9783104911670
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Edward Snowden riskierte alles, um das System der Massenüberwachung durch die US-Regierung aufzudecken. Jetzt erzählt er seine Geschichte. »Mein Name ist Edward Snowden. Sie halten dieses Buch in Händen, weil ich etwas getan habe, das für einen Mann in meiner Position sehr gefährlich ist: Ich habe beschlossen, die Wahrheit zu sagen.« Mit 29 Jahren schockiert Edward Snowden die Welt: Als Datenspezialist und Geheimnisträger für NSA und CIA deckt er auf, dass die US-Regierung heimlich das Ziel verfolgt, jeden Anruf, jede SMS und jede E-Mail zu überwachen. Das Ergebnis wäre ein nie dagewesenes System der Massenüberwachung, mit dem das Privatleben jeder einzelnen Person auf der Welt durchleuchtet werden kann. Edward Snowden trifft eine folgenschwere Entscheidung: Er macht die geheimen Pläne öffentlich. Damit gibt er sein ganzes bisheriges Leben auf. Er weiß, dass er seine Familie, sein Heimatland und die Frau, die er liebt, vielleicht nie wiedersehen wird. Ein junger Mann, der im Netz aufgewachsen ist. Der zum Spion wird, zum Whistleblower und schließlich zum Gewissen des Internets. Jetzt erzählt Edward Snowden seine Geschichte selbst. Dieses Buch bringt den wichtigsten Konflikt unserer Zeit auf den Punkt: Was akzeptieren wir - und wo müssen wir anfangen Widerstand zu leisten?

Edward Joseph Snowden wurde 1983 in Elizabeth City, North Carolina, geboren und wuchs im Schatten des NSA-Hauptquartiers in Fort Meade, Maryland, auf. Als ausgebildeter Systemingenieur hat er für CIA und NSA gearbeitet. Für seinen Dienst an der Öffentlichkeit hat er mehrere Preise erhalten, darunter den Right Livelihood Award (Alternativer Nobelpreis) für die Gestaltung einer besseren Welt, den Whistleblower-Preis der Vereinigung deutscher Wissenschaftler, den Ridenhour Prize for Truth-Telling und die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte. In den USA wird Snowden per Haftbefehl gesucht.

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Leseprobe

Vorwort


Mein Name ist Edward Joseph Snowden. Früher stand ich im Dienst der Regierung, heute stehe ich im Dienst der Öffentlichkeit. Ich habe fast dreißig Jahre gebraucht, um zu erkennen, dass das nicht dasselbe ist, und als es endlich so weit war, bekam ich ein wenig Ärger mit meinem Arbeitgeber. Aus diesem Grund verbringe ich meine Zeit nun damit, die Öffentlichkeit möglichst vor der Person zu schützen, die ich einmal war: ein Spion der CIA (Central Intelligence Agency) und der NSA (National Security Agency). Ich war nur einer von vielen jungen Technikern, der dabei mithelfen wollte, das aufzubauen, was ich für eine bessere Welt hielt.

Meine Karriere im Verbund der Geheimdienste der Vereinigten Staaten, der Intelligence Community (IC), dauerte nur sieben Jahre. Wie ich erstaunt festgestellt habe, ist dies nur ein Jahr länger als die Zeit, die ich nun schon im Exil in einem Land lebe, das ich mir nicht ausgesucht habe. Während dieser sieben Jahre war ich jedoch an der bedeutendsten Umgestaltung in der Geschichte der US-amerikanischen Spionage beteiligt – dem Übergang von der gezielten Überwachung einzelner Personen zur Massenüberwachung ganzer Bevölkerungen. Ich half mit, einer einzelnen Regierung die technischen Voraussetzungen zu verschaffen, weltweit die gesamte digitale Kommunikation zu sammeln, sie für die Ewigkeit zu speichern und beliebig zu durchsuchen.

Nach dem 11. September 2001 machte sich die Intelligence Community bittere Vorwürfe, weil es ihr nicht gelungen war Amerika vor dem verheerendsten und vernichtendsten Angriff auf das Land seit Pearl Harbor zu schützen. Als Reaktion darauf strebte ihre Führung nun den Aufbau eines Systems an, das einen solchen Angriff ein für alle Mal verhindern sollte. Es sollte auf Technologie gegründet sein – ein Begriff, mit dem das in der Intelligence Community tätige Heer aus graduierten Politologen und Betriebswirtschaftlern kaum etwas anzufangen wusste. Die Tore der verschwiegensten Geheimdienste öffneten sich jetzt weit für junge Techniker wie mich. Und so kam der Computerfreak in die Schaltzentralen der Macht.

Wenn ich damals überhaupt von irgendetwas Ahnung hatte, dann von Computern, und so stieg ich schnell auf. Im Alter von 22 Jahren erhielt ich von der NSA meine erste Top-Secret-Freigabe – für eine Position am untersten Ende der Karriereleiter. Nicht einmal ein halbes Jahr später arbeitete ich als Systemingenieur für die CIA und hatte fast unbegrenzten Zugang zu einigen der sensibelsten Netzwerke der Welt. Meine einzige Aufsichtsperson war ein Typ, der während seiner Schichten Thriller von Robert Ludlum und Tom Clancy las.

Auf der Suche nach technischem Nachwuchs brachen die Geheimdienstbehörden ihre eigenen Regeln. Normalerweise hätten sie niemals jemanden eingestellt, der keinen Bachelorabschluss oder einen vergleichbaren Berufsabschluss vorweisen konnte. Ich hatte beides nicht. Von Rechts wegen hätte ich nicht einmal einen Fuß in das Gebäude setzen dürfen.

Von 2007 bis 2009 war ich an der amerikanischen Botschaft in Genf stationiert und gehörte zu den wenigen Technikern, die diplomatischen Schutz genossen. Meine Aufgabe war es, der CIA den Weg in die Zukunft zu ebnen, indem ich in ihren europäischen Außenposten das Netzwerk, mit dessen Hilfe die US-Regierung Spionage betrieb, digitalisierte und automatisierte. Meine Generation stellte die Arbeit der Geheimdienste nicht einfach nur um; wir definierten den Begriff »Geheimdienst« völlig neu. Für uns ging es nicht um heimliche Treffen oder tote Briefkästen, sondern um Daten.

Mit 26 war ich offiziell bei Dell angestellt, arbeitete aber erneut für die NSA. Solche Arbeitsverträge dienten als Tarnung für mich wie für fast alle meine technikbegeisterten Kollegen. Man schickte mich nach Japan, wo ich an der Einrichtung des globalen Backups der Behörde mitwirkte: eines riesigen geheimen Netzes, das die dauerhafte Sicherung sämtlicher Daten garantierte, selbst wenn die Zentrale der NSA nach einem Atomangriff in Schutt und Asche liegen sollte. Damals erkannte ich nicht, dass die Errichtung eines Systems, das das Leben aller Menschen auf ewig dokumentierte, ein tragischer Fehler war.

Mit 28 Jahren kehrte ich in die Vereinigten Staaten zurück, wo mich eine gigantische Beförderung erwartete, nämlich in das technische Verbindungsteam, das für die Beziehungen zwischen Dell und der CIA zuständig war. Ich saß mit den Chefs der CIA-Technikabteilungen zusammen, um ihnen die Lösung für jedes erdenkliche Problem zu präsentieren und schmackhaft zu machen. Mein Team unterstützte die Behörde beim Aufbau einer neuartigen Speicherarchitektur, einer »Cloud«, der ersten Technologie, die jedem Agenten, egal von welchem Ort und aus welcher Entfernung, Zugang zu den gerade benötigten Daten verschaffte.

Unterm Strich wurde ein Job, bei dem es ursprünglich um die Verwaltung und Verknüpfung der Ströme von Geheimdienstinformationen ging, zu einem Job, bei dem es um die dauerhafte Speicherung dieser Informationen ging. Im nächsten Schritt musste ich gewährleisten, dass man weltweit auf die Daten zugreifen und sie durchsuchen konnte. An diesem Projekt arbeitete ich auf Hawaii, wohin mich mit 29 ein neuer Vertrag mit der NSA geführt hatte. Bisher hatte ich unter dem Need-to-know-Prinzip gearbeitet, das die Einsicht in geheime Informationen nur bei Bedarf erlaubt. Meine Aufgaben waren auf enge Bereiche begrenzt gewesen und so spezialisiert, dass ich unmöglich das übergeordnete Ziel meiner Arbeit hatte erkennen können. Erst auf Hawaii, im Paradies, war ich endlich in der Lage zu verstehen, dass all meine Aufgabenbereiche ineinandergriffen wie die Zahnräder einer gewaltigen Maschine – dem System der globalen Massenüberwachung.

Tief in einem Tunnel unter einer Ananasplantage – einer unterirdischen ehemaligen Flugzeugfabrik aus Pearl-Harbor-Zeiten – saß ich an einem Terminal mit nahezu unbegrenztem Zugang zur digitalen Kommunikation fast aller Männer, Frauen und Kinder weltweit, die jemals ein Telefongespräch geführt oder einen Computer berührt hatten. Darunter waren ungefähr 320 Millionen meiner amerikanischen Mitbürger, die überwacht wurden, während sie ihren ganz normalen, alltäglichen Beschäftigungen nachgingen: ein grober Verstoß nicht nur gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten, sondern auch gegen die elementaren Werte jeder freien Gesellschaft.

Du hältst dieses Buch jetzt in Händen, weil ich etwas tat, was für einen Mann in meiner Position sehr gefährlich war: Ich beschloss, die Wahrheit zu sagen. Ich sammelte interne IC-Dokumente, die den durch die US-Regierung begangenen Rechtsbruch belegten, und gab sie an Journalisten weiter, die sie eingehend prüften und dann der schockierten Weltöffentlichkeit präsentierten.

Dieses Buch erzählt von meinen Gründen für diese Entscheidung, von den moralischen und ethischen Grundsätzen, die ihr zugrunde lagen, und wie ich zu ihnen kam – also auch über mein Leben.

Was macht ein Leben aus? Es besteht aus mehr als nur unseren Worten und Taten. Ein Leben ist auch das, was wir lieben und woran wir glauben. Für mich persönlich sind das Verbindungen, Verbindungen zwischen Menschen und die Technologien, die sie ermöglichen. Zu diesen Technologien gehören natürlich auch Bücher. Doch für meine Generation ist Verbindung größtenteils gleichbedeutend mit dem Internet.

Wenn Du nun vor meinen Ausführungen zurückschreckst, weil Du die gefährliche Entwicklung, die das Internet in den letzten Jahren genommen hat, nur zu gut kennst, bedenke bitte, dass das World Wide Web, als ich es kennenlernte, völlig anders war. Es war ein Freund, es war Mutter und Vater. Es war eine grenzenlose Gemeinschaft, die mit einer oder mit Millionen Stimmen sprach, Neuland, das allen offenstand, besiedelt, aber nicht ausgebeutet von den unterschiedlichsten Gruppen, die einträchtig miteinander lebten. Es stand jedem Mitglied frei, sich einen Namen, eine Geschichte und Regeln zu geben. Zwar trugen alle eine Maske in Form von Alias-Namen, doch diese Kultur der Anonymität durch Polyonymie brachte mehr Wahrheit als Unwahrheit hervor, denn sie war kreativ und kooperativ statt kommerziell und konkurrenzorientiert. Zweifellos gab es auch Konflikte, aber guter Wille und Freude überwogen – der wahre Pioniergeist.

Das heutige Internet hat damit nichts mehr zu tun. Es ist wichtig zu wissen, dass dieser Wandel bewusst herbeigeführt wurde, dass er das Ergebnis systematischer Bestrebungen einiger weniger Privilegierter war. Das eilige Bemühen, Kommerz in E-Commerce zu verwandeln, erzeugte rasch eine Blase und führte unmittelbar nach der Jahrtausendwende zum Kollaps. Jetzt erkannten die Unternehmen, dass Menschen, die online gingen, viel weniger am Geldausgeben als an Kommunikation und Austausch interessiert waren. Aber auch dies ließ sich gewinnbringend vermarkten. Wenn Menschen online am liebsten ihrer Familie, ihren Freunden oder auch Fremden mitteilten, was sie vorhatten, und im Gegenzug von Familie, Freunden und Fremden erfahren wollten, was diese vorhatten, dann mussten die Unternehmen einfach nur herausfinden, wie sie selbst zum Dreh- und Angelpunkt dieses sozialen Austausches werden und daraus Profit schlagen konnten.

Dies war die Geburtsstunde des Überwachungskapitalismus und der Tod des Internets, wie ich es kannte.

Nun brach...

Blick ins Buch

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