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E-Book

Pflegerische Kompetenzen fördern

Pflegepädagogische Grundlagen und Konzepte

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl188 Seiten
ISBN9783170264564
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis22,99 EUR
Der Begriff Kompetenz wird in der pflegepädagogischen Diskussion vielfältig verwendet. Hier soll eine Klärung erfolgen. Zunächst werden die verschiedenen Dimensionen von Kompetenz systematisch-kritisch erörtert. Sodann werden Sozialkompetenz, Kommunikative Kompetenz, Reflexionskompetenz und Interkulturelle Kompetenz in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie berufliche Kompetenz in der Altenpflege entfaltet und Möglichkeiten und Grenzen ihrer Förderung in der beruflichen Bildung thematisiert.

Dipl.-Päd. Dr. habil. Karl-Heinz Sahmel ist Professor für Pflegepädagogik an der Fachhochschule Ludwigshafen. Die Autoren Gisela Pittius, Andrea Reinhardt, Simone Hartmann-Eisele, Oliver Urban und Gudrun Zimmermann sind Dipl.-Pflegepädagogen/innen und als Lehrkräfte für Pflege tätig.

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Leseprobe

2 Förderung der Sozialkompetenz in Schule und praktischer Pflegeausbildung


Gudrun Zimmermann

2.1 Annäherung an den Begriff Sozialkompetenz


Kompetenz ist ein vielschichtig verwendeter Begriff. Häufig wird er mit Leistung und Effizienz gleichgesetzt und ist „verbunden mit einer Normierung und Aufrechterhaltung von beruflichen Standards“ (Olbrich 1999, S. 11). Für sich allein ist Kompetenz nicht bestimmbar, so dass sie im Kontext zu etwas beschrieben werden muss. In der gegenwärtigen Diskussion wird der Begriff mit Fertigkeiten und Fähigkeiten verbunden und dient darüber hinaus als Maßstab, Menschen zu vergleichen, auszuwählen oder zu bewerten, sie als fähig oder unfähig, kompetent oder inkompetent einzuschätzen (Huber 2004, S. 7).

Kompetent sein setzt Fähigkeiten voraus, die geprägt sind von Werten und von „emotionalen und motivationalen Leistungen“ (Olbrich 1999, S. 91). Kompetenz kennzeichnet das Zusammenwirken von Wissen und Können, von Erfahrung und von Fähigkeiten. Demnach ist Kompetenz nicht gekennzeichnet durch das Anwenden von Methoden oder die Reproduktion von Wissen, sondern vielmehr ist sie Ausdruck einer Fähigkeit, berufliches Handeln in einen Kontext mit der (Um-)Welt, dem Gegenüber und sich selbst zusammen wirken zu lassen.

Diese Unschärfe muss stets mitgedacht werden, wenn im Folgenden von Sozialkompetenz die Rede ist.

Sozialkompetenz umfasst folgende Teilaspekte:

  • Sozialkompetenz kennzeichnet die komplexen persönlichen Fähigkeiten und Einstellungen, die einen Kompromiss ermöglichen zwischen Selbstverwirklichung und sozialer Anpassung an die Einstellungen und Werte einer Gruppe.
  • Sozialkompetenz zeigt sich in der erfolgreichen Interaktion mit anderen Personen. Dazu gehören die Fähigkeit und Bereitschaft zu kritischem Denken, zu reflektiertem und verantwortlichem Handeln, zu Kooperation und Kommunikation sowie zu Mobilität und Flexibilität (Euler 1998, S. 115 f.).
  • Emotionale Intelligenz und Identität sind Grundvoraussetzungen von sozialer Kompetenz. Daraus leitet sich die Forderung ab, dass für die Zusammenarbeit in Gruppen die Entwicklung der kognitiven und emotionalen Kompetenz auszubilden ist (Lang 2000, S. 353).

Innerhalb der berufspädagogischen Bestimmungen wird Sozialkompetenz als ein wesentlicher Bestandteil von Handlungskompetenz ausgewiesen. Sie erweist sich als die Fähigkeit zur Interaktion mit anderen Menschen, um unter Anwendung angemessener Mittel ein gemeinsames Ziel realisieren zu können. Sozialkompetenz hat eine herausragende Bedeutung für die Entwicklung von Handlungskompetenz. Handeln findet immer in einem sozialen Raum mit anderen statt (Löwisch 2000, S. 137) und ist deshalb im Kontext von Individuum und Gesellschaft zu betrachten.

Sozialkompetenz zeigt sich als eine Fähigkeit, „das eigene Handeln auf gemeinschaftliche Ziele hin, auf gesellschaftliche Verpflichtungen und in Bezug auf eine Gemeinwohlverantwortung hin zu orientieren und wirksam werden zu lassen“ (Roth 1971 in: Löwisch 2000, S. 138), während auf der anderen Seite der Handelnde darauf zu achten hat, sich in seinem sozialkompetenten Engagement nicht zu verausgaben. Daher ist dem Fächer der Anforderungen an sozialkompetentem Handeln die „Fähigkeit zur Balance zwischen den Ansprüchen anderer und denen des eigenen Ichs“ hinzuzufügen (Löwisch 2000, S. 138).

Die Bedeutungsvielfalt zum Begriff der „Sozialkompetenz“ macht eine Begrenzung notwendig, und zwar auf die Teilbereiche Kommunikations-, Kooperations-, Team- und Konfliktfähigkeit.

Kommunikationsfähigkeit

Kommunikation prägt jeden zwischenmenschlichen Kontakt. Kommunikative Kompetenz gestaltet menschliches Denken und Handeln und ist immer auch Ausdruck einer Person. Sie stellt eine Grundvoraussetzung aller anderen Kompetenzformen dar. Die kommunikative Kompetenz kann als Basis für menschliche Existenz bezeichnet werden und ist unerlässlich sowohl für die Kompetenzerziehung als auch für die Kompetenzbildung (Löwisch 2000, S. 148).

Von der Wortbedeutung her führt Kommunikation zusammen und verbindet Menschen miteinander. Mangelhafte Kommunikation führt zu „Erfahrungen der Vereinzelung, der Bedeutungs- und Sinnlosigkeit und Desorientierung“ (Leuzinger/Luterbacher 1994, S. 82). Kommunikation ist für den Menschen auch Selbstzweck, da sie das menschliche Bedürfnis nach Kontakt, befriedigender Zusammenarbeit und bereichernder Beziehung befriedigt.

Um erfolgreich kommunizieren zu können, sind Kenntnisse zu erwerben. Dazu zählt das kognitive Erfassen von Kommunikationsvorgängen wie auch die Reflexion von Kommunikationsprozessen.

Kooperationsfähigkeit

Kooperation meint zunächst das Tätigsein von zwei oder mehreren Personen, die bewusst, geplant und aufeinander abgestimmt eine Zielerreichung anstreben.

Sind das Fähigkeiten, die bei zunehmender Rationalisierung und einer auf Konkurrenzdenken und Konkurrenzhandeln aufgebauten Gesellschaft noch gefragt sind?

Der Konkurrenzkampf kostet Energien und trägt nicht zur Lösung von Problemen bei. Die Komplexität der zu bewältigenden Aufgaben braucht Kreativität und ein interdisziplinäres Zusammenwirken verschiedener Experten. Jede kooperativ entwickelte Entscheidung fördert die Akzeptanz in der Umsetzungsphase und erhöht die Qualität der Ausführungen (Lenzen 1998, S. 54). Kooperatives Verhalten erfordert die Souveränität des Einzelnen, seine individuellen Leistungen der Gruppenleistung unterzuordnen. Dieser Balanceakt erfordert selbstbewusste Mitarbeiter, die sich nicht ständig in Konkurrenz zu anderen neu beweisen müssen (Lang 2000, S. 467).

Teamfähigkeit

Unter Teamfähigkeit werden verschiedene Fähigkeiten subsumiert, etwa Toleranz, aktives Zuhören, sich transparent machen, demokratisches Grundverständnis, gruppendynamische Prozesse erkennen (Lang 2000, S. 519) oder Diskussionsfähigkeit, Konflikt- und Kritikfähigkeit sowie Fähigkeit zur Zusammenarbeit (Lenzen 1998, S. 58).

Teamfähigkeit setzt sich also aus Fähigkeiten der Sozialkompetenz zusammen, die die Interaktion innerhalb eines Teams betreffen. Zwei Aspekte haben in Arbeitsgruppen eine besondere Bedeutung: Kohäsion und Lokomotion.

  • Kohäsion kennzeichnet den Zusammenhalt einer Arbeitsgruppe. Ein erlebtes Zusammengehörigkeitsgefühl, das ein „Wir-Gefühl“ auslöst und in der Summe bessere Arbeitsergebnisse bringt.
  • Lokomotion kennzeichnet die Bewegung auf ein Ziel hin. Damit ist gemeint, gemeinsam eine Aufgabe effizient zu bewältigen und erfolgreich zu sein (Weinert 1998, S. 376).

Eine weitere Bedingung muss hinzukommen, damit der Zusammenhalt und die Zielorientierung Bestand haben: Der Einzelne muss mit seinen Bedürfnissen wahrgenommen werden und diese in angemessener Weise erfüllt bekommen.

Teamarbeit lebt von Kommunikation und Kooperation sowie von der Fähigkeit, Konflikte als Antrieb zur Weiterentwicklung verstehen zu können. Teamarbeit setzt Teamfähigkeit voraus. Darüber hinaus sind Rahmenbedingungen dafür verantwortlich, wie leistungsfähig ein Team arbeiten kann. Dazu gehört zum Beispiel, wie Gruppen zusammengesetzt werden, ob sich Gruppenprozesse entwickeln können und wie Konflikte unterstützend begleitet werden.

Konfliktfähigkeit

Ein Konflikt liegt immer dann vor, wenn eine Partei oder beide Parteien zum gleichen Zeitpunkt Handlungen beabsichtigen oder durchführen, die zur Folge haben (könnten) dass sich die andere Partei behindert, bedroht oder verletzt fühlt. Bestimmte Merkmale kennzeichnen jeden Konflikt:

  • Ein Konflikt spielt sich immer zwischen zwei oder auch mehreren Personen oder Parteien ab, die sich gegenseitig beeinflussen können.
  • Ein latenter Konflikt existiert schon dann, wenn Parteien Pläne oder Absichten hegen, die jemand anderen beeinträchtigen würden.
  • Gruppenmitglieder behindern oder beeinträchtigen sich nicht ohne Grund. Jedem Konflikt liegt ein Thema zugrunde.
  • Ein Konflikt durchläuft Stadien. Zwischen Aufbau und Ausbruch des Konfliktes liegen „Hemmschwellen“, die überwunden werden müssen. Diese können konfliktauslösend oder konfliktverdeckend sein.
  • Wenn eine Seite durch ihr Verhalten eine andere behindert oder beeinträchtigt, ist der Konflikt offen ausgebrochen. Das zu beobachtende Verhalten kann ein nonverbales Signal sein und bis zum Einsatz von physischer Gewalt reichen. Jedes Verhalten kann zum Konfliktverhalten werden, das darauf abzielt, die andere Seite zu ‚treffen’.
  • Jeder Konflikt hat Folgen. Gelingt es, den Konflikt so zu bewältigen, dass für beide Seiten ein Nutzen entsteht, wird die Beziehung gefestigt, und bei einem nächsten Konflikt kann mit einer erneuten Lösung gerechnet werden. Endet der Konflikt allerdings mit Sieg und Niederlage, dann muss damit gerechnet werden, dass eine günstige Gelegenheit gesucht wird, den „Spieß herum zu drehen“ (vgl. Glasl 1999, S. 16–24).

Konflikte können auf verschiedene Weise gelöst werden: durch Kompromiss, durch Sieg oder Niederlage oder durch eine Regelung, die alle Beteiligten zufrieden stellt. Letzteres wird sicherlich am meisten gewünscht und ist doch am schwersten zu erreichen. Drei grundsätzliche Strategien können unterschieden werden im Sinne einer aktiven Konfliktbehandlung:

...
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Deckblatt1
Titelseite4
Impressum5
Inhalt6
1 Kompetenz und Pflegebildung8
1.1 Schwierigkeiten mit dem Kompetenz-Begriff8
1.2 Pflege und Kompetenz15
1.3 Beurteilung von Kompetenzen23
1.4 Ausblick: Förderung pflegerischer Kompetenzen26
2 Förderung der Sozialkompetenz in Schule und praktischer Pflegeausbildung28
2.1 Annäherung an den Begriff Sozialkompetenz28
2.2 Soziale Kompetenzen im pflegerischen Kontext32
2.3 Die Förderung der Sozialkompetenz am Lernort Schule: Die Kurskonferenz40
2.4 Die Ausbildung von Sozialkompetenz am Lernort Praxis47
3 Förderung der kommunikativen Kompetenz in der Pflege – Überlegungen im Anschluss an Ingrid Darmann77
3.1 Kommunikation in der Pflege77
3.2 Förderung der kommunikativen Kompetenz im Pflegeunterricht88
3.3 Zusammenfassung und kritische Würdigung99
4 Förderung von Reflexionskompetenz durch Praxisberichte103
4.1 Reflexion, Erkenntnis und Kompetenz103
4.1.1 John Dewey: Erkenntnis durch reflektiertes Denken103
4.1.2 Donald Alan Schön: Handlung und Reflexion108
4.2 Praxisberichte und Kompetenzerwerb112
4.3 Die Gestaltung von Praxisberichten127
4.4 Abschließende Überlegungen134
5 Interkulturelle Kompetenz in der Pflege137
5.1 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen137
5.2 Interkulturelle Kompetenz144
5.3 Die Vermittlung interkultureller Kompetenz in der Pflegeausbildung153
6 Handlungskompetenz in der Altenpflege162
6.1 Altenpflege im Wandel162
6.2 Altenpflege als Beruf – die Verberuflichung und ihre Folgen166
6.3 Personalsituation und Arbeitszufriedenheit in der stationären Altenpflege168
6.4 Handlungskompetenz – mit Kompetenzen kompetent umgehen170
6.5 Förderung von Handlungskompetenz in der stationären Altenpflege173
Literaturverzeichnis178
Hinweise zu den Autorinnen und Autoren187

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