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Philosophie des Geldes

Vollständige Ausgabe

AutorGeorg Simmel
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl424 Seiten
ISBN9783849617202
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
In einem seiner Hauptwerke, der Philosophie des Geldes entwickelt Simmel 1900 sehr anschaulich die These, dass das Geld immer mehr Einfluss auf die Gesellschaft, die Politik und das Individuum erhalte. Die Verbreitung der Geldwirtschaft habe den Menschen zahlreiche Vorteile gebracht, wie die Überwindung des Feudalismus und die Entwicklung moderner Demokratien. Allerdings sei in der Moderne das Geld immer mehr zum Selbstzweck geworden. Sogar das Selbstwertgefühl des Menschen und seine Einstellungen zum Leben werden durch Geld bestimmt. (aus wikipedia.de)

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Leseprobe

 


Einordnung des wirtschaftlichen Wertes in ein relativistisches Weltbild.

 

Beispielsweise Skizzierung des letzteren in erkenntnistheoretischer Hinsicht: der Aufbau der Beweise ins Unendliche und ihr Umbiegen zu gegenseitiger Legitimierung.

 

Die Objektivität der Wahrheit wie des Wertes als Relation subjektiver Elemente.

 

Das Geld als der verselbständigte Ausdruck der Tauschrelation, durch die die begehrten Objekte zu wirtschaftlichen werden, der Ersetzbarkeit der Dinge.

 

Bevor ich nun aus diesem Begriff des wirtschaftlichen Wertes den des Geldes als seinen Gipfel und reinsten Ausdruck entwickle, ist es erforderlich, jenen selbst in ein prinzipiell bestimmtes Weltbild einzustellen, um daran die philosophische Bedeutung des Geldes zu ermessen.

 

Denn erst wenn die Formel des wirtschaftlichen Wertes einer Weltformel parallel geht, darf die höchste Verwirklichungsstufe jener beanspruchen, über ihre unmittelbare Erscheinung hinaus, oder richtiger: in eben dieser selbst, das Dasein überhaupt deuten zu helfen.

 

Das regellose Nebeneinander und Durcheinander der ersten Eindrücke, die ein Objekt uns bietet, pflegen wir zu organisieren, indem wir eine bleibende und wesentliche Substanz seiner von seinen Bewegungen, Färbungen, Schicksalen trennen, deren Kommen und Gehen die Festigkeit seines Wesens ungeändert lässt.

 

Diese Gliederung der Welt in die bleibenden Kerne verfließender Erscheinungen und die zufälligen Bestimmungen beharrender Träger wächst zu dem Gegensatz des Absoluten und des Relativen auf.

 

Wie wir in uns selbst ein seelisches Sein zu spüren meinen, dessen Existenz und Charakter nur in sich selbst ruht, eine letzte, von allem Ausser-Ihr unabhängige Instanz, und diese genau von jenen unserer Gedanken, Erlebnisse und Entwicklungen scheiden, die nur durch Beziehungen zu anderen wirklich oder messbar werden - so suchen wir in der Welt nach den Substanzen, Größen und Kräften, deren Sein und Bedeutung in ihnen allein begründet ist, und unterscheiden sie von allen relativen Existenzen und Bestimmungen - von allen denen, die nur durch Vergleich, Berührung oder Reaktion anderer das sind, was sie sind.

 

Die Richtung, in der dieser Gegensatz sich entwickelt, wird durch unsere physisch-psychische Anlage und ihr Verhältnis zur Welt präjudiziert.

 

So innig in unserem Dasein auch Bewegung und Ruhe, Aktivität nach aussen und Sammlung nach innen verbunden sein mögen, so dass sie ihre Wichtigkeit und Bedeutung erst aneinander  finden - so empfinden wir doch die eine Seite dieser Gegensätze, die Ruhe, das Substanzielle, das innerlich Feste an unseren Lebensinhalten als das eigentlich Wertvolle, als das Definitive gegenüber dem Wechselnden, Unruhigen, Äusserlichen.

 

Es ist die Fortsetzung hiervon, wenn das Denken es im ganzen als seine Aufgabe fühlt, hinter den Flüchtigkeiten der Erscheinung, dem Auf und Nieder der Bewegungen das Unverrückbare und Verlässliche zu finden, und uns aus dem Aufeinander-Angewiesenen zu dem sich selbst Genügenden, auf sich selbst Gegründeten zu führen.

 

So gewinnen wir die festen Punkte, die uns im Gewirr der Erscheinungen orientieren und das objektive Gegenbild dessen abgeben, was wir in uns selbst als unser Wertvolles und Definitives vorstellen.

 

So gilt, um mit den äusserlichsten Anwendungen dieser Tendenz zu beginnen, das Licht als eine feine Substanz, die aus den Körpern strömt, so die Wärme als ein Stoff, so das körperliche Leben als Wirksamkeit substanzieller Lebensgeister, so die seelischen Vorgänge als getragen von einer besonderen Seelensubstanz; die Mythologien, die hinter den Donner einen Donnerer, unter die Erde einen festen Unterbau, damit sie nicht falle, in die Gestirne Geister setzten, die sie in ihren Bahnen herumführten, suchen nicht weniger für die wahrgenommenen Bestimmtheiten und Bewegungen eine Substanz, an der diese nicht nur hafte, sondern die eigentlich die wirksame Kraft selbst ist.

 

Und über die bloßen Beziehungen der Dinge, über ihre Zufälligkeit und Zeitlichkeit hinaus wird ein Absolutes gesucht: frühe Denkweisen können sich mit der Entwicklung, dem Gehen und Kommen aller irdischen Formen im Körperlichen und Geistigen nicht abfinden, sondern jede Art der Lebewesen ist ihnen ein unveränderlicher Schöpfungsgedanke; Institutionen, Lebensformen, Wertungen sind von jeher, absolut, so gewesen, wie sie jetzt sind, die Erscheinungen der Welt gelten nicht nur für den Menschen und seine Organisation, sondern sie sind an und für sich so, wie wir sie vorstellen.

 

Kurz, die erste Tendenz des Denkens, mit der es den verwirrenden Strom der Eindrücke in ein ruhiges Bett zu lenken und aus seinen Schwankungen eine feste Gestalt zu gewinnen meint, richtet sich auf die Substanz und auf das Absolute, denen gegenüber alle Einzelvorgänge und Beziehungen auf eine vorläufige, für das Erkennen zu überwindende Stufe herabgedrückt werden.

 

Die angeführten Beispiele ergeben, dass diese Bewegung wieder rückläufig geworden ist.

 

Nachdem fast alle Kulturepochen einzelne Ansätze dazu gesehen haben, kann man es als eine Grundrichtung der modernen Wissenschaft bezeichnen, dass sie die Erscheinungen nicht mehr durch und als besondere Substanzen, sondern als Bewegungen  versteht, deren Träger gleichsam immer weiter und weiter ins Eigenschaftslose abrücken; dass sie die den Dingen anhängenden Qualitäten als quantitative, also relative Bestimmungen auszudrücken sucht; dass sie statt der absoluten Stabilität organischer, psychischer, ethischer, sozialer Formationen eine rastlose Entwicklung lehrt, in der jedes Element eine begrenzte, nur durch das Verhältnis zu seinem Vorher und Nachher festzulegende Stelle einnimmt; dass sie auf das an sich seiende Wesen der Dinge verzichtet und sich mit der Feststellung der Beziehungen begnügt, die sich zwischen den Dingen und unserem Geiste, von dem Standpunkte dieses aus gesehen, ergeben.

 

Dass die scheinbare Ruhe der Erde nicht nur eine komplizierte Bewegung ist, sondern dass ihre ganze Stellung im Weltall nur durch ein Wechselverhältnis zu anderen Materienmassen besteht - das ist ein sehr einfacher, aber sehr eingreifender Fall des Überganges von der Festigkeit und Absolutheit der Weltinhalte zu ihrer Auflösung in Bewegungen und Relationen.

 

Aber alles dies scheint, selbst wenn es vollkommen durchgeführt wäre, dennoch einen festen Punkt, eine absolute Wahrheit zu ermöglichen, ja, zu fordern.

 

Das Erkennen selbst nämlich, das jene Auflösung vollzieht, scheint sich seinerseits dem Strome der ewigen Entwicklung und der nur vergleichsweisen Bestimmtheit zu entziehen, in die es seine einzelnen Inhalte verweist.

 

Die Auflösung der absoluten Objektivität der Erkenntnisinhalte in Vorstellungsarten, die nur für das menschliche Subjekt gültig seien, setzt doch irgendwo letzte Punkte voraus, die nicht weiter herleitbar sind; der Fluss und die Relativität der psychischen Prozesse dürfe doch diejenigen Voraussetzungen und Normen nicht berühren, nach denen wir erst entscheiden, ob unsere Erkenntnisse denn wirklich diesen oder einen anderen Charakter tragen; die bloß psychologische Herleitung, in die alle absolut objektiven Erkenntnisse aufgelöst werden sollen, bedarf doch bestimmter Axiome, die nicht selbst wieder, ohne fehlerhaften Zirkel, eine bloß psychologische Bedeutung haben dürfen.

 

Dies ist nicht nur ein Punkt von der größten Wichtigkeit für die allgemeine Anschauung der Dinge, auf der sich alles Folgende aufbaut, sondern auch für viele Einzelheiten derselben so vorbildlich, dass er der genaueren Erörterung bedarf.

 

Zweifellos kann die Wahrheit irgendeines Satzes nur auf Grund von Kriterien erkannt werden, die von vornherein sicher, allgemein und über das Einzelne hinübergreifend sind; diese Kriterien können auf einzelne Gebiete beschränkt sein und ihrerseits ihre Legitimation aus noch höher gelegenen ziehen; so dass eine Reihe von Erkenntnissen übereinandergebaut ist, von denen jede nur unter der Bedingung  einer anderen gültig ist. Allein diese Reihe muss, um nicht in der Luft zu schweben, ja eigentlich, um überhaupt möglich zu sein, irgendwo einen letzten Grund haben, eine höchste Instanz, die allen folgenden Gliedern ihre Legitimation gibt, ohne selbst einer solchen zu bedürfen.

 

Dies ist das Schema, in das unser tatsächliches Erkennen sich muss eingliedern lassen, und das alle Bedingtheiten und Relativitäten dieses an ein nicht mehr bedingtes Wissen knüpft.

 

Allein: welches nun diese absolute Erkenntnis sei, können wir niemals wissen.

 

Ihr wirklicher Inhalt ist niemals mit derselben...

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