Basierend auf meinen Erfahrungen an den Neckar-Odenwald-Kliniken, einem Haus der Grund- und Regelversorgung im ländlichen Raum, möchte ich nun die Situation des klinischen Wundmanagements und der oftmals bestehenden Defizite schildern.
Die Krankenhauslandschaft befindet sich in einem ständigen Umbruch. Veränderungsprozesse sind notwendig, um gerade Häuser im ländlichen Raum langfristig zu sichern und den öffentlichen Versorgungsauftrag auch weiterhin erfüllen zu können.
Das Vertrauen der Bevölkerung in eine gute Basisversorgung kann nur durch eine Steigerung der Kundenzufriedenheit durch Qualität der Behandlung und des Versorgungsablaufs erreicht werden.
Schon innerhalb eines Krankenhauses gibt es oft unterschiedliche Kriterien für die lokale Wund- und Behandlungsstrategie, Defizite in der zeitgemäßen Materialkenntnis der Lokaltherapie sowie in der Wundbeurteilung und Dokumentation.
Verstärkt wird diese Problematik durch mangelnde Zusammenarbeit innerhalb der Berufsgruppen, die reduzierte Akzeptanz gegenüber pflegerischem Expertenwissen und fehlende Verfahrensanweisungen.
Nach wie vor ist die Wundversorgung keine medizinische Disziplin. Sie wird im Medizinstudium nicht gelehrt und bringt in der Klinik keine relevante Erlösverbesserung.
Die Wundversorgung, die oftmals sehr zeitaufwendig und materialintensiv durchgeführt werden muss, wird ohne operative Prozedur, z. B. Debridement, prinzipiell nicht bezahlt.
Fazit
Defizite beim klinischen Wundmanagement führen zu schlechten Behandlungsergebnissen und verzögerter Wundheilung oder es kommt zu einem Drehtüreffekt mit Fallzusammenführung – für unseren Patienten bedeutet dies eine Verlängerung seines Leidens!
In vielen Krankenhäusern sind im Pflegebereich seit Jahren Fachkräfte zu Wundexperten ausgebildet worden, aber oftmals nicht quer über alle Fachabteilungen und ohne Verfahrensanweisungen sowie Konzepte effizient zum Einsatz gekommen.
Sie fungierten oft als »Einzelkämpfer« mit mehr oder weniger Durchhaltevermögen und sind selten für ihre Arbeit freigestellt.
Zudem besteht bei dieser hoch belasteten Patientenklientel oft ein komplexer Hilfebedarf im Hinblick auf die Entlassungsversorgung.
Verschärft wird die Situation durch den allerorts bestehenden Personalmangel und ständigen Wechsel des Pflegepersonals.
Wichtig
Die Durchführung einer adäquaten Wundüberleitung in den ambulanten Sektor ist auf eine strukturierte zeitgemäße Behandlungsstrategie im Bereich der Klinik angewiesen.
Bei zunehmender Komplexität der Wundversorgung und um die Erwartungen der Netzwerkpartner bzw. nachstationären Versorger zu erfüllen, ergab sich für uns der Bedarf, die interne Behandlungsqualität in diesem Bereich weiter zu verbessern.
Tradierte Strukturen verhindern oftmals eine zukunftsfähige zielorientierte Weiterentwicklung und Prozessgestaltung. Verschiedene Materialien und Strategien werden dadurch mit unterschiedlichem Erfolg, Zeit – und vor allem mit unkontrolliertem Kostenaufwand eingesetzt.
Somit ist das Outcome der klinischen Wundversorgung von Diskontinuitäten geprägt. Wiederaufnahmen (Drehtüreffekt) oder eine unnötige Verlängerung der Verweildauer sind die Folge.
Fazit
Das Ergebnis eines defizitären Wundmanagements ist oft die Verschwendung von Ressourcen in allen Bereichen, »unnötige Störungen« bezüglich der Lokaltherapie und eine fehlende standardisierte Qualitätskontrolle – doch hinter jeder Wunde steht ein Mensch!
Im Blickfeld der Überleitung an den jeweiligen Sektor muss zunächst die Sicherung der weiteren Versorgung stehen. Die Wundversorgung im ambulanten Bereich findet unter ganz anderen Umständen statt und bietet andere Therapiemöglichkeiten als die Wundversorgung im stationären Bereich.
Das fehlende Verständnis für die jeweiligen Rahmenbedingungen und eine defizitäre Netzwerkarbeit führen zu dem Ergebnis, dass jeder Sektor für sich arbeitet.
Gerade in der Klinik ist es in der Entlassungssituation von besonderer Bedeutung, die Entwicklung einer Behandlungsstrategie an den realen Versorgungsalltag bzw. an die Rahmenbedingungen des anderen Sektors anzupassen. Nur so können begonnene Therapien und Behandlungen realistisch weiter fortgeführt werden.
Patienten und Angehörige wünschen sich vor allem eine hohe »Alltagsnormalität« und damit einhergehende Lebensqualität und größtmögliche Autonomie.
Geplante Versorgungen müssen sich auch an den persönlichen Bedürfnissen der betroffenen Menschen orientieren. Dies wird oft im »vorgegebenen« Klinikalltag nicht berücksichtigt und findet in der Entlassung zu wenig Beachtung.
Wichtig
Allzu oft wird dem Bereich der Wundüberleitung und der Beratung von Menschen mit chronischen Wunden im Entlassungsmanagement keine oder nur eine defizitäre Beachtung geschenkt, da nach wie vor in vielen Kliniken pflegefremde Berufe oder Sozialarbeiter ohne Pflegekompetenz für diese Entlassungssituation verantwortlich sind. Eine Evaluation erfolgt oftmals nicht oder nur sehr defizitär, da ein fester Ansprechpartner in Kontinuität fehlt.
Wichtig
Sozialarbeiter ohne Pflegekompetenz können ambulante Dienste vermitteln, aber nicht pflegefachlich sektorenübergreifend vernetzen. Das muss die Profession der Pflege schon selbst übernehmen! Ebenso ist die Edukation von Patienten und ihren Angehörigen integraler Bestandteil von Pflege wie auch die Klärung der individuellen Bedarfslage und der möglichen Ressourcen.
Wie im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz gefordert, muss ein Versorgungsmanagement in der Entlassung durchgeführt werden.
Ein Versorgungsmanagement im Bereich der Wundüberleitung umfasst nicht nur die Vorbereitung bzw. Organisation der häuslichen Krankenpflege/ambulanten Behandlungspflege (SGB V § 37), sondern auch eine umfassende Pflegeberatung zur weiteren Wundversorgung, Klärung der begleitenden Therapien und benötigten Hilfsmittel sowie eine adäquate Dokumentation im Entlassplan. Dieser muss für alle Berufsgruppen im Krankenhaus einsehbar sein.
Versorgung meint aber auch, aktuelle Informationen zum Abschluss ausreichend und zeitnah den beteiligten Personen zukommen zu lassen bzw. für einen transparenten Informationsfluss zu sorgen:
• Wundüberleitung
• Entlassungsbericht der Pflegeüberleitung/Entlassungsmanagement
• Erstverordnung der häuslichen Krankenpflege für sieben Tage und Rezeptierung der Verbandmittel (kleinste Packungsgröße N1), möglich durch GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 22.07.2015
• Erstverordnung von Heilmitteln (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz)
Gemeinsam mit dem Patienten und seinen Angehörigen müssen die Therapiemaßnahmen festgelegt und die Notwendigkeit der weiteren Versorgung geklärt und in deren »Alltag« organisiert werden.
Wer legt den Kompressionsverband an, wer führt den Verbandswechsel durch, ist die Mobilität beeinträchtigt, können Angehörige angeleitet werden, wie ist die allgemeine Versorgungssituation?
Warum muss ich die Kompressionsstrümpfe weitertragen, wieso muss die Wunde nicht täglich verbunden werden und warum soll ich meinen Fuß entlasten, wo ich doch zu Hause super bequeme Schuhe habe, die überhaupt nicht drücken? Warum muss denn da überhaupt ein Pflegedienst/ein Wundexperte/ein Homecare-Dienstleister zu mir kommen? – Dies sind nur einige Beispiele und Fragen, die zu klären sind!
Es ist wichtig, zu berücksichtigen, dass es bei der Überleitung nicht nur um einen Sektorenwechsel geht, sondern um einen Systemwechsel mit anderen Rahmenbedingungen und Lebensumständen. Dies kann nur bedarfsgerecht individuell erfolgen.
Zielführend muss dabei die Patientenperspektive sein, denn für den Patienten geht es »vor allem um die Herstellung und Bewältigung einer neuen, den veränderten Bedingungen angepassten Lebens- und Versorgungssituation.«4
Wichtig
Diese oben genannten Anforderungen können – meiner Meinung nach – nur spezialisierte Pflegefachkräfte im Entlassungsmanagement (Pflegeüberleitung/Pflegeberatung) in Zusammenarbeit mit dem klinischen Wundmanagement und allen Beteiligten gemeinsam leisten!
Leider haben immer noch nicht alle Klinikleitungen auch im Bereich des Pflegemanagements die Notwendigkeit zur Einrichtung dieser Stellen in der Pflegeüberleitung/Ergänzung der Fachkompetenz der Pflege im Entlassungsmanagement erkannt!
Defizite in der Überleitung sind daher zumeist geprägt von fehlender oder defizitärer Kommunikation oder von fehlerhafter...