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Qualität für alle

Wissenschaftlich begründete Standards für die Kindertagesbetreuung

AutorChrista Preissing, Gabriele Haug-Schnabel, Kirsten Fuchs-Rechlin, Petra Strehmel, Susanne Viernickel
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl496 Seiten
ISBN9783451805554
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Das Bundesfamilienministerium und die zuständigen Fachministerien der Länder haben sich Ende 2014 auf die Entwicklung gemeinsamer Qualitätsziele in der Kindertagesbetreuung geeinigt. Dieses Buch enthält fünf Expertisen, die wissenschaftlich begründet darlegen, wie gute pädagogische Qualität in Kitas und Kindertagespflege strukturell abgesichert werden kann. Die Fachbeiträge geben zukunftsweisende Impulse zur Qualitätsdebatte in der Kindertagesbetreuung.

Dr. phil. Susanne Viernickel ist seit 2007 Professorin für Pädagogik der frühen Kindheit an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Langjährige Erfahrung in der Leitung und Durchführung von Forschungs- und Praxisprojekten im Bereich frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung. Dr. phil. Christa Preissing, Diplomsoziologin, ist Direktorin des Berliner Kita-Instituts für Qualitätsentwicklung (BeKi) in der Internationalen Akademie Berlin (INA gGmbH). Leitung des Arbeitsbereiches 'Forschung und Bildungsprogramme' im Institut für den Situationsansatz in der INA gGmbH. Dr. phil. Kirsten Fuchs-Rechlin ist Professorin an der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf im Lehrgebiet Bildung und Erziehung in der Kindheit. Dr. Petra Strehmel ist Professorin mit dem Schwerpunkt Arbeits-und Organisationspsychologie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg und Leitung des Competence Centers zum Aufwachsen von Kindern (CCkids). Dr. Gabriele Haug-Schnabel, Lehrauftrag an der EH Freiburg (Pädagogik der Kindheit) und an der Universität Salzburg (Early Childhood Education sowie Early Life Care). Inhaberin und Leiterin der 1993 gegründeten Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen (FVM). Dr. Joachim Bensel, Verhaltensbiologe, Mitinhaber der Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen (FVM). Lehraufträge an der EH Freiburg (Pädagogik der Kindheit) und der Universität Salzburg (Early Childhood Education sowie Early Life Care).

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Leseprobe

2. Empirische Befunde: Zusammenhänge zwischen Merkmalen der Strukturqualität, der Qualität pädagogischer Prozesse und kindlichen Entwicklungsmaßen


In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ein umfassender Korpus an empirischen Informationen zu Zusammenhängen zwischen Merkmalen der Strukturqualität und der Qualität pädagogischer Prozesse in Kindertageseinrichtungen sowie kindlicher Entwicklung gebildet. Die meisten empirischen Untersuchungen stammen aus dem angloamerikanischen Raum, einige aus Europa und Australien. Daraus resultieren vielfältige Belege, dass die Gruppengröße, der Erzieher-Kind-Schlüssel resp. die Fachkraft-Kind-Relation, die Ausbildung und Stabilität/Kontinuität des pädagogischen Fachpersonals und andere strukturelle Variablen die Prozessqualität in einer Einrichtung beeinflussen, wenn auch nicht determinieren.

Gemeinhin wird postuliert, dass Strukturvariablen über die Beeinflussung der pädagogischen Prozessqualität auch einen Einfluss auf die kindliche Entwicklung haben. Hier fällt der empirische Nachweis in der Regel schwerer und die Datenlage erweist sich als uneindeutig. In dem bereits etwas älteren Review mehrerer nordamerikanischer Studien kann Dunn (1993) aufzeigen, dass in vielen Studien jeweils nur einzelne Aspekte kindlicher Entwicklung mit Gruppengrößen und/oder Personalschlüsseln kovariieren, und dies auch nicht immer in der angenommenen Richtung. In aktuelleren Studien können jedoch immer wieder auch statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen Strukturvariablen und kindlichen Entwicklungsparametern hergestellt werden; auch hier sind die Befunde aber nicht immer erwartungskonform.

In praktisch allen Studien werden mehrere Merkmale der Strukturqualität in den Blick genommen. Es zeigt sich, dass positive Fachkraft-Kind-Interaktionen und gute pädagogische Prozessqualität nicht von einem einzigen Strukturmerkmal, sondern von mehreren ineinander greifenden Merkmalen mitbestimmt werden. Entscheidende Merkmale sind neben dem Personalschlüssel bzw. der Fachkraft-Kind-Relation die Gruppengröße sowie die Qualifikation und Bezahlung der pädagogisch Tätigen. Allerdings sind Ergebnisse amerikanischer Studien nur mit Vorsicht auf die bundesdeutsche Situation übertragbar, da in Deutschland die Gruppenorganisationsformen heterogener (altershomogene und altersgemischte Gruppen, verschiedene Ansätze offener Arbeitsformen ohne feste Gruppen), die Qualifikation und Bezahlung des Fachpersonals dagegen homogener als in den USA sind.

In diesem Teilkapitel werden die für ausgewählte strukturelle Merkmale vorliegenden empirischen Befunde in drei Schritten berichtet. Zunächst werden generelle Zusammenhänge zwischen den genannten Merkmalen der Strukturqualität und der global erfassten Prozessqualität sowie Merkmalen der Fachkraft-Kind-Interaktion und kindlichen Entwicklungsmaßen dargestellt (Kapitel 2.1). Im zweiten Schritt werden Studien herangezogen, in denen Einrichtungen miteinander verglichen wurden, die fachliche Standards der Strukturqualität einhalten bzw. nicht einhalten (Kapitel 2.2). Im dritten Schritt stehen Studien im Mittelpunkt, deren Design es ermöglicht, konkrete Bedingungen miteinander zu vergleichen und somit Hinweise auf Schwellenwerte für Fachkraft-Kind-Relationen und für Gruppengrößen zu extrahieren (Kapitel 2.3). Strukturmerkmale, für die sich signifikante Zusammenhänge ergaben, sind jeweils kursiv gesetzt.

Die Sichtung und Auswahl der einbezogenen Studien bzw. Veröffentlichungen erfolgte nach folgenden Kriterien:

1) Als besonders aussagekräftig in Bezug auf Zusammenhänge zwischen Struktur- und Prozessmerkmalen von institutionellen Settings und kindlichen Entwicklungsmaßen gelten längsschnittlich angelegte Studien. Deshalb wurden Veröffentlichungen aus mehreren, vor allem nordamerikanischen, Längsschnittstudien heran gezogen (vgl. Übersicht in Abbildung 1).

2) Ebenfalls einbezogen wurden Studien mit Querschnittsdesign, die nicht nur allgemein Zusammenhangsmaße berichten, sondern konkrete Hinweise auf Schwellenwerte für Fachkraft-Kind-Relationen oder Gruppengrößen liefern.

3) Veröffentlichungen aus dem deutschsprachigen Raum wurden herangezogen, sofern sie empirisch basiert waren (vgl. Übersicht in Abbildung 2)

4) Einschlägige Veröffentlichungen jüngeren Datums (ab 2010) – auch mit querschnittlichem Design – wurden daraufhin überprüft, ob sie die Ergebnisse älterer Studien differenzieren, ergänzen oder infrage stellen können, und ggf. ebenfalls herangezogen.

Abbildung 1: Herangezogene Längsschnittstudien (Darstellung in Teilen nach Roßbach, 2005, S. 64ff.)

Study of Early Childhood and Youth Development (NICHD): Längsschnittliche Studie an 10 Standorten in den USA mit n = 1.364 Kindern, deren kumulative familiale und nicht-familiale Betreuungserfahrungen von Geburt an quantitativ und qualitativ erhoben und mit zahlreichen Entwicklungsparametern in Verbindung gebracht wurden (https://secc.rti.org/; Textor, o.J.; NICHD ECCRN, 2003a).

Cost, Quality and Child Outcomes in Child Care Centers Study (CQC): Längsschnittliche Studie in den USA mit anfänglich n = 826 Kindern aus 183 Vorschulgruppen über die sozial-emotionale und kognitive Entwicklung vom 4. bis 8. Lebensjahr und ihre Zusammenhänge mit vorschulischer Förderung (CQC Team, 1995; 1999).

European Child Care and Education Study (ECCE): Längsschnittliche Studie, die die Qualität von Kindertageseinrichtungen und deren Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung im Alter von 4 bzw. 8 Jahren in Deutschland, Österreich, Spanien und Portugal (nur 4-Jährige) untersuchte. Die Ergebnisse der deutschen Teilstudie mit 422 Kindern aus 103 Gruppen wurden von Tietze et al. (1998; 2005) veröffentlicht und sorgten für eine intensive Qualitätsdiskussion.

Effective Provision of Preschool-Education Project (EPPE): Längsschnittstudie mit zunächst n = 2.857 Kindern aus 141 vorschulischen Einrichtungen unterschiedlichen Typus, später über 750 primary schools; parallel dazu werden auch 341 Kinder ohne vorschulische Sozialisationserfahrung untersucht. Sowohl die Qualität der institutionellen Settings als auch Parameter der kindlichen Entwicklung werden erhoben und differenzierte Einzelfallstudien von qualitativ besonders hochwertigen Einrichtungen gemacht (Sylva et al., 2004a, b).

The National Child Care Staffing Study (NCCSS): Längsschnittstudie über den Einfluss von Arbeitsbedingungen und Aspekten der Personalausstattung auf die Qualität von Kindertageseinrichtungen in fünf Großstädten Nordamerikas (Atlanta, Boston, Detroit, Phoenix und Seattle) mit Datenerhebungen in den Jahren 1988, 1992 und 1997 (Whitebook et al., 1989).

The Florida Child Care Quality Improvement Study (Howes et al., 1995): Dreijährige Studie mit 150 vorschulischen Einrichtungen in Florida, die die Effekte verbesserter Rahmenbedingungen auf die Prozessqualität sowie die Entwicklung und das Verhalten von Kindern im Säuglings-, Kleinkind- und Vorschulalter untersuchte.

The Longitudinal Study of Australian Children (LSAC, Australian Institute of family studies, 2002; Harrison, 2008): Vom australischen Familienministerium initiierte und geförderte Längsschnittstudie zweier Kohorten (mindestens 5.000 Kinder von 0 bis 7 Jahren, weitere 5.000 Kinder von 4 bis 12 Jahren) mit Datenerhebungen in zweijährigen Intervallen. Ziel ist es, Unterschiede in kindlichen Entwicklungsverläufen und Bildungsbiographien in den Kontext von Aufwachsbedingungen in Familie, Institutionen und Gesellschaft zu stellen und Ansatzpunkte für effektive und effiziente politische Interventionen zu identifizieren.

Abbildung 2: Herangezogene Studien aus dem deutschsprachigen Raum

Die Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit (NUBBEK, Tietze et al., 2013) untersuchte die Entwicklung zwei- und vierjähriger Kinder vor dem Hintergrund ihrer Betreuungsbiografie und der Qualität der erfahrenen Betreuungsumwelten. Die Datenbasis bilden Testungen, Befragungen und Beobachtungen von rund 2.000 Kindern, ihren Familien sowie in ca. 600 Betreuungseinrichtungen in Deutschland im Jahr 2011. In der NUBBEK-Studie sind Kinder und Familien mit türkischem und russischem Migrationshintergrund überrepräsentiert, um gezielte statistische Analysen zu diesen Bevölkerungsgruppen durchführen zu können.

BiKS («Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vorschul- und Schulalter») untersucht seit 2005 Lernbedingungen und Bildungsverläufe bei hessischen und bayerischen Kindern im Kindergarten- und Schulalter. Die Datenbasis bilden Beobachtungen sowie Entwicklungs- und Leistungstests von anfänglich 547 Kindern, Befragungen der Eltern, der Erzieherinnen und Erzieher sowie der Grundschullehrkräfte (BIKS 3-10). An der Anschlussstudie BIKS 8-12 nehmen insgesamt 2.395 Kinder teil.

Schlüssel zu guter Bildung (Viernickel et al., 2013a): In der vom Paritätischen...

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