Fremdheit ist 'eine Wunde, die nicht völlig vernarbt' (Bernhard Waldenfels). Dieser Gedanke verdient es, als produktive Metapher weitergeführt zu werden. 'Radikale Fremdheit' (Waldenfels), die extremere Variante von Andersheit, lässt sich weder philosophisch entschärfen noch literarisch durch Interkulturalität erträglich machen und auch nicht durch geschickte Zwischenlösungen domestizieren. Man fühlt sich radikal fremd, man begibt sich selbständig in radikale Fremdheit oder man wird in sie geradezu gedrängt. Deshalb wäre es an der Zeit, radikale Fremdheit als Existenzform ernst zu nehmen, und zwar als eine solche, die nicht mit Andersheit zu verwechseln ist, da sie voraussetzt, dass das Subjekt in Permanenz außer sich selbst ist und weder dem Zwang zur Versöhnung noch Feindseligkeiten nachgeben will, da er auch Anfeindung als Maßnahme des Selbstschutzes billigt. Radikale Fremdheit ist einfach da, nicht viel anders als der Selbsterhaltungstrieb oder das Glücksstreben: Sie ist ein Mehrwert der unhintergehbaren Individualität, eine Antagonistin des postmodernen Selbst, eine Chiffre der Kontingenzepoche. Am Beispiel von Romanen Thomas Bernhards, Jean Amérys, Josef Zoderers, Friedrich Dürrenmatts, Gerhard Roths, Christian Krachts und Rainald Goetz' setzt der Autor die Überlegungen seines Buches 'Kompensation und Kontingenz in deutschsprachiger Literatur' (2016) fort.
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