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Rasse, Siedlung, deutsches Blut

Das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS und die rassenpolitische Neuordnung Europas

AutorIsabel Heinemann
VerlagWallstein Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl704 Seiten
ISBN9783835320499
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS (RuSHA) war im NS-Staat zuständig für die rassische Überprüfung von SS-Angehörigen sowie ab 1939 von sogenannten Volksdeutschen, von Polen, Russen, Slowenen, Elsässern und Lothringern. Weit mehr als eine Million Menschen aus ganz Europa wurden diesen Musterungen unterzogen, für die meisten war das Votum der SS-Rassenprüfer von existentieller Bedeutung. Der 'rassische Wert' der Menschen bestimmte, ob sie enteignet, vertrieben, umgesiedelt oder zur Zwangsarbeit herangezogen, als Jude identifiziert, zur Ermordung in ein Vernichtungslager geschickt wurden - oder nicht. Damit lieferte die rassische Hierarchisierung nicht nur die vermeintlich wissenschaftliche Begründung der NS-Bevölkerungspolitik, sondern prägte entscheidend die besatzungspolitische Praxis. Die rassischen Überprüfungen und damit verbundenen Umsiedlungen erweisen sich als Grundpfeiler der NS-Diktatur, als zentrales Element des Rassenstaates. Isabel Heinemann analysiert das RuSHA als eine Schlüsselinstitution des SS-Imperiums und stellt die Rasseexperten der SS aus dem RuSHA als eine spezifische Gruppe von NS-Funktionären vor. Daneben zeigt sie, wie die Rasseexperten die rassische Auslese konzipierten, umsetzten und welche Konsequenzen dies hatte. Sechs Fallstudien demonstrieren, wie das Votum der SS-Rasseexperten die gewaltsame Vertreibungs- und Neuordnungspolitik in den europäischen Regionen prägte - in der Tschechoslowakei, in Westpolen, in Elsaß-Lothringen, im 'Generalgouvernement', in der besetzten Sowjetunion und im 'Altreich'.

Isabel Heinemann studierte Geschichte und Germanistik an den Universitäten Mainz, Dijon und Freiburg i.Br. Seit 2002 ist sie wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Freiburg i.Br.

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Leseprobe
V. »Völkischer Vorposten« Die »Germanisierung« des Generalgouvernements (S. 357-358)

Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion am 22.6.1941 veränderte die Rassen- und Siedlungspolitik der SS auf entscheidende Weise. Die Planer rechneten damit, daß ihnen nach dem erwarteten schnellen Sieg »unermeßliche neue Räume« sowohl als deutsche Siedlungsgebiete als auch als Deportations- und Abschubterrain für die »Unerwünschten« zur Verfügung stehen würden. Gleichzeitig lieferte der Krieg, der als Vernichtungsfeldzug und Rassenkrieg gegen den »jüdischen Bolschewismus« konzipiert war und auch als solcher geführt wurde, die Voraussetzung für die Radikalisierung aller Versuche »ethnischer Neuordnung«.

Nun begannen die SS-Experten, die Deportation und Vernichtung von bis zu 31 Millionen rassisch unerwünschter Menschen als eine durchaus vorstellbare und realisierbare Größe zu betrachten. Vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Sowjetunion vollzog sich auch der entscheidende Schritt zur Ermordung der europäischen Juden. Die Massenerschießungen jüdischer Frauen und Kinder durch Einsatzgruppen und Wehrmachtseinheiten machten den Massenmord erst denkbar und erwiesen seine prinzipielle Durchführbarkeit. Für die SS-Siedlungsplanungen bedeutete dies, daß nun an die Stelle der Aussiedlung der Juden, wie man sie zunächst in den annektierten Ostgebieten praktiziert hatte, ihre Ermordung trat.

Diese erfolgte entweder direkt vor Ort oder ganz in der Nähe. Im Warthegau operierte bereits seit 1941 das Vernichtungslager Che∏mno/Kulmhof, in Ostoberschlesien gab es im Vernichtungslager Auschwitz die ersten Tötungsversuche mit Gas, und im Generalgouvernement nahmen im Frühjahr 1942 die Gaswagen-Stationen Be∏zec und Sobibór ihre Tätigkeit auf. Das Lager Treblinka wurde nur kurze Zeit später in Betrieb genommen. Auch an den Siedlungsprojekten der SS in Ostpolen und der Ukraine erwies sich erneut der bereits für Polen und das Protektorat Böhmen und Mähren aufgezeigte Zusammenhang von »Eindeutschung« und Judenmord.

Das SS-Siedlungsprojekt in ZamoÊç im Generalgouvernement begann erst, als alle Juden der Gegend bereits im Zuge der »Aktion Reinhard« umgebracht worden waren. In Shitomir in der Ukraine wurden die Volksdeutschen zusammengesiedelt, nachdem die Massaker der Einsatzgruppen die Gegend »judenfrei« gemacht hatten.2 In den gleichen Zusammenhang gehört der Befund, daß ab 1941/42 alle Pläne zur bevölkerungspolitischen Neuordnung besetzter Gebiete auf einer möglichst breiten »rassenpolitischen Überprüfung« der Bevölkerung beruhten – die zugleich immer die Möglichkeit der Vernichtung der so festgestellten »Minderwertigen« implizierte.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Einleitung10
Das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS und die SS-Rasseexperten12
»Rasse« und »Siedlung«: Das Prinzip der »rassischen Auslese« und die Versuche ethnischer Neuordnung durch Umsiedlung als Kernelemente nationalsozialistischer Politik20
Die SS und die nationalsozialistische Vernichtungspolitik: Forschungsstand34
Fragestellung, Quellen und Aufbau43
I. Vom Rassenamt der SS zum Rasse- und Siedlungshauptamt50
Rassenauslese, SS-Sippengemeinschaft, Siedlungspolitik50
Rassenauslese und Heiratsgenehmigungen in der SS51
Weltanschauliche Schulung, SS-Siedlung und der Aufbau der Fachämter63
Das Rasse- und Siedlungshauptamt-SS im Jahr70
Mitarbeiterrekrutierung und die Rolle des RuSHA innerhalb des »neuen Ordens«: »Mund und Hirn der SS«74
Das RuSHA und die Entstehung der Nürnberger Gesetze 1934/3577
Germanenforschung und Ausbau der ideologischen Grundlagen: Der Verein »Ahnenerbe«89
Praktische Schulung: SS-Mannschaftshäuser, SS-Leithefte und Schulung der Polizei92
Im Dienste der »SS-Sippengemeinschaft«: »Lebensborn« e.V. und SS-Pflegestellen102
als Einschnitt: Der Abgang Darrés und der Beginn einer stärker praxisorientierten SS-Rassenpolitik113
Neue Räume für die SS-Siedlungspolitik: Österreich und Sudetenland120
Zwischenbilanz: Die ideologische Konditionierung und Homogenisierung der SS und das Modell der SS-Rassenauslese125
II. Germanisierungspolitik in Böhmen und Mähren und im »Sudetengau«:128
SS-Bodenpolitik und »rassische Bestandsaufnahme« des tschechischen Volkes128
»Bodenpolitik auf dem Rücken der Tschechen«: Das Bodenamt in Prag im Jahr132
Deutsche Siedlung – Aussiedlung der Tschechen141
Die Umsiedlung der Südtiroler und die Verbindungen zur Germanisierungspolitik im Protektorat145
Richtungsstreit in der Germanisierungspolitik: Die SS-Siedlungspolitik im Konflikt mit der Linie des Reichsernährungsministeriums147
Die »rassische Bestandsaufnahme« des tschechischen Volkes und die RuSHA-Außenstelle in Prag152
Trendwende in der Germanisierungspolitik im Protektorat 1941/42 unter Reinhard Heydrich als stellvertretendem Reichsprotektor158
Durchsetzung rassischer Kategorien in der Volkstumspolitik: Volksdeutsche, »Fremdvölkische«, »völkische Mischehen« und »Judenmischlinge«170
Die Versuche zur »Endlösung der Tschechenfrage« im Sudetenland: Die SS-Rasseexperten und die »RuS-Landesstelle Sudeten«177
Zwischenbilanz: Bodenbeschlagnahme und Rassenselektionen: Ein Modell für die Volkstumspolitik der SS in den besetzten Gebieten186
III. Die »Germanisierung« der annektierten westpolnischen Gebiete188
Juden, Polen und Volksdeutsche188
Heinrich Himmler als »Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums«191
Beruf »Eignungsprüfer«: Die Rasseexperten bei Einwandererzentralstelle (EWZ) und Umwandererzentralstelle (UWZ)196
Die RuS-Einsatzgruppen und der Aufbau des volksdeutschen Selbstschutzes202
Erfassung des Landes und Vertreibung von Polen und Juden: Bodenämter, SS-Ansiedlungs- und SS-Arbeitsstäbe 1939/213
Die Ansiedlung der Volksdeutschen: Erfassung, Rassenprüfung und Ansatzentscheide233
Die rassische Überprüfung der Polen und die RuSHA-Außenstelle Litzmannstadt252
Die »Deutsche Volksliste« (DVL) und die Utopie der »rassereinen Siedlergesellschaft«261
»Erwünschter Bevölkerungszuwachs«: Das »Wiedereindeutschungsverfahren«283
Zwischenbilanz: Germanisierung auf rassischer Grundlage302
IV. Die Rassenpolitik der SS im Westen306
Elsaß-Lothringen, Nordfrankreich, Niederlande, Norwegen306
Nationalsozialistische Volkstumspolitik in Lothringen307
Die Umsiedlungspolitik im Elsaß319
Die Erfassung von Volksdeutschen und »Deutschstämmigen« in der »besetzten Zone« und in den nördlichen Départements332
Rekrutierung der »Germanischen SS«: Die RuS-Führer im Westen und die Germanische Leitstelle (GL)342
Der RuS-Führer in Paris350
Zwischenbilanz: Ansätze ethnischer Neuordnung im Westen356
V. »Völkischer Vorposten«358
Die »Germanisierung« des Generalgouvernements358
Neue Planungen für den Osten: Der »Generalplan Ost« und der Einfluß der Rasse- und Siedlungsexperten360
Der Ostkrieg und die Ansätze zur »Germanisierung« des Generalgouvernements: Trendwende im Distrikt Lublin377
Odilo Globocnik und die »Fahndung nach deutschem Blut«: Die Vertreibungen im November382
Die Dienststelle des RuS-Führers in Lublin und der Aufbau der SS- und Polizeistützpunkte387
Die »Durchschleusung« der Volksdeutschen im Distrikt Lublin 1942/43399
Das »Zamo´sç-Projekt« 1942/43404
Zwischenbilanz: Ein Modell für die Zukunft – Arbeitskräfteselektion und Partisanenkampf415
VI. Der Griff nach Osten418
Wirtschaft, Siedlung und »Sicherung« in der Ukraine418
RuS-Führer, SS- und Polizeistützpunkte, SS-Wirtschaftsbetriebe422
Organisationsplan für den zentralen Einsatz landwirtschaftlicher Fachkräfte aus der SS und Polizei für das SS- und Polizei-Stützpunktwesen426
Großangelegte Siedlungsprojekte und landwirtschaftliche Nutzung: Der RuS-Führer »Rußland-Süd«432
Die Dienststelle des RuS-Führers Rußland Süd434
Die Volksdeutschen in der Ukraine: Siedlungsprojekte im Generalkommissariat Shitomir und auf der Krim449
Himmlers »Hegewald« – der »Sonderstab Henschel«454
Das »Krimkommando«465
Das Ende aller Siedlungsutopien: Rückzug und »Partisanenbekämpfung«469
Zwischenbilanz: Die SS und der »deutsche Osten« – das Scheitern der Siedlungsprojekte473
VII. »Gutrassige Arbeitskräfte« und die »Jagd auf gutes Blut«476
Die Rassenpolitik der SS in der letzten Kriegsphase476
Der Arbeitskräftebedarf und die Intensivierung des »Wiedereindeutschungsverfahrens«478
»Unterbindung der Blutsvermischung«: Verbotener Geschlechtsverkehr und »Sonderbehandlung«. Die Rolle der lokalen RuS-Führer489
»Bis zum letzten Tropfen guten Blutes«: »Schwangerschaftsfälle« und »gutrassige Kinder fremden Volkstums«500
Die Jagd auf »gutrassige Kinder« in den besetzten Gebieten: »Waisenkinder«, »Partisanenkinder« und »Soldatenkinder«509
Rassenmusterungen an Kriegsgefangenen und Konzentrationslagerhäftlingen531
Ausländische Rekruten in der Waffen-SS540
Die Wannsee-Konferenz und die Folgekonferenzen: »Endlösung der Judenmischlingsfrage«545
Zwischenbilanz: Selektionen für die »rassereine Gesellschaft«560
Exkurs Die Rasseexperten der SS562
Generationelle Zusammensetzung und Nachkriegskarrieren Generationelle Prägung562
Der Nürnberger Folgeprozeß Fall VIII (1947-1948)566
Ermittlungs- und Strafverfahren in der BRD581
Nachkriegskarrieren586
Schlußbemerkung590
Die SS-Rasseexperten als spezifischer Tätertyp591
Die Bedeutung der Rassenauslese für die nationalsozialistische Umsiedlungs-und Germanisierungspolitik592
Personenglossar: 100 Rasseexperten610
Abkürzungen644
Verzeichnis der Abbildungen647
Quellen und Literatur648
I. Gedruckte Quellen648
II. Ungedruckte Quellen656
III) Literatur660
Anhang684
Das Rasse- und Siedlungshauptamt-SS im Jahr684
Die Chefs, Amtschef und Außenstellenleiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes-SS685
Die Leiter der RuSHA-Außenstellen686
Die Bodenämter, SS-Ansiedlungsstäbe und SS-Arbeitsstäbe in den besetzten Gebieten687
Die RuS-Führer in den SS-Oberabschnitten690
Personenregister693
Dank698

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