EINFÜHRUNG
Rohstoffe werden nicht respektiert.
Zu viele so genannte kluge Anleger glauben, schon genug diversifiziert zu sein, wenn sie Geld in Aktien, Anleihen und Immobilien investiert haben. Für die Erfahrensten kommen vielleicht noch Devisen oder Bauholz in Betracht. Aber an Rohstoffe denken sie nur selten – wenn überhaupt.
Es ist wenig sinnvoll, eine ganze Klasse von Anlageinstrumenten auszublenden – vor allem, wenn sie sich langfristig recht gut entwickelt hat. Die Wahrheit steht sehr im Widerspruch zu all dem Gerede, wie riskant, volatil, komplex und geradezu gefährlich Geldanlagen in Rohstoffen angeblich sind. Erfolgreiche Investoren suchen nach Chancen, Werthaltiges billig zu kaufen und langfristig zu halten, egal wie sich die Marktsituation darstellt. Was sollten Sie also tun, wenn Rohstoffe Neuland für Sie sind? Sie müssen nur Ihre Hausaufgaben machen, und für schnelles Lernen gibt es keine bessere Motivation als die Aussicht auf finanziellen Gewinn. Ich möchte Ihnen eine Geschichte über einen Anleger erzählen, der am Anfang nicht das Geringste über Rohstoffe wusste (was auch für alle anderen Investments galt) und später schöne Erfolge verbuchen konnte.
Aus einer Laune heraus nahm ich 1964 einen Ferienjob an der Wall Street an. Über die Wall Street wusste ich damals nicht mehr, als dass sie irgendwo in New York lag und dass dort 1929 etwas Schreckliches passiert war. Ehrlich gesagt kannte ich nicht einmal den Unterschied zwischen einer Aktie und einer Anleihe. Klar war mir allerdings, dass man an der Wall Street Geld verdienen konnte. Und ich wollte Geld verdienen, um mir meine Freiheit zu erkaufen, denn ich war ein armer Junge aus Demopolis, Alabama, der das Glück gehabt hatte, in Yale studieren zu dürfen. Obwohl ich über die Welt der Finanzen so gut wie nichts wusste, hatte ich mich schon immer sehr für Geschichte und aktuelle Ereignisse interessiert. Es war eine Offenbarung für mich, als ich erfuhr, dass ich an der Wall Street mit der Erkenntnis Geld verdienen konnte, dass eine Revolution in Chile den Kupferpreis nach oben treiben würde. Meine Glückssträhne hielt an. Ich bekam ein Stipendium in Oxford, wo ich Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaftswissenschaften studierte. Ich begann auch mein im Ferienjob an der Wall Street erworbenes Wissen zu nutzen und das Geld aus meinem Stipendium zu investieren, bevor ich es dem Zahlmeister am Balliol College überlassen musste. Nach dem Aufenthalt in Oxford diente ich kurze Zeit in der Armee und zeichnete mich dort vor allem dadurch aus, dass ich das Geld des Standortkommandanten in Aktien anlegte und damit eine schöne Rendite erzielte. Danach ging ich zurück nach New York und begann 1968 meine Karriere in der Hochfinanz. Ich hatte 600 Dollar in der Tasche.
Meine Ankunft an der Wall Street fiel, wie sich herausstellen sollte, mit den letzten Zuckungen der Aktienhausse zusammen, die nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen und mehr als zwei Jahrzehnte gedauert hatte. Aber wer wusste damals, dass das Jahr 1968 ein Wendepunkt am Aktienmarkt war? Ich bestimmt nicht. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, mich einzuarbeiten, um den Blick für das Ganze behalten zu können. Und ich hatte noch viel zu lernen.
Meine Unerfahrenheit sollte sich als riesiger Vorteil erweisen. Nachdem ich die Grundregel des Investierens gelernt hatte – kaufe Wertvolles billig ein –, begann ich die Märkte, und zwar alle Märkte, nach unterbewerteten Assets abzusuchen. Ich untersuchte jede Gelegenheit, die sich bot, und objektiv betrachtet gab es damals kaum eine Aktie, die einen zweiten Blick wert war. Damit unterschied ich mich sehr von meinen Kollegen, denen es schwer fiel, dem Aktienmarkt untreu zu werden, der jahrzehntelang so gut zu ihnen gewesen war. Als sich die Baisse bis in den Anfang der 70er-Jahre erstreckte, entdeckte ich im Rohstoffbereich viele gute Gelegenheiten. Ich weiß nicht mehr genau, wann ich mit dem gründlichen Studium der Rohstoffmärkte begonnen habe. Ein Blick auf meine Bücherregale zeigt aber, dass ich mein erstes CRB Commodity Yearbook 1971 gekauft habe. Diese Bibel der Rohstoffhändler wird jährlich publiziert, und ich besitze alle Ausgaben seit 1971.
Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich die Charts verschiedener Rohstoffe untersuchte. Wenn es einen scharfen Anstieg gab, analysierte ich, warum der Preis dieses Rohstoffs so schnell gestiegen war. Ich studierte die Trends von Angebot und Nachfrage. Ich suchte Hinweise auf veraltete Produktionsanlagen oder neue Funde von Metallvorkommen. Ich achtete auf den Wetterbericht: Ein kalter Winter bedeutete höhere Heizöl- und Erdgaspreise; ein warmer Winter in Florida bedeutete, dass sich Orangensaft im nächsten Jahr verbilligen würde. Und mein beständiges Interesse an Geschichte und Politik erinnerte mich daran, dass sich die Geschehnisse im Rest der Welt auf die Kurse an der Wall Street auswirken würden. Ich wusste, dass während des Amerikanischen Bürgerkriegs in den 1860er-Jahren die Baumwollausfuhren nach England zum Stillstand kamen, was den Preis derart in die Höhe trieb, dass die Engländer schon bald überall Baumwolle pflanzten, wo sie den Boden aufkratzen konnten. Dieses Wissen war für mich extrem hilfreich, um zu verstehen, warum die Rohstoffpreise auf der ganzen Welt mehr als 100 Jahre später wieder anstiegen.
Dieses Selbststudium im Bereich der Rohstoffe liegt schon Jahre zurück, und ich erinnere mich nicht mehr an alle Einzelheiten. Deutlich und mit einer gewissen Wehmut erinnere ich mich jedoch daran, dass ich mich mitten in der ersten Hausse meines Lebens befand. Zufällig fand sie im Rohstoffbereich statt, und ich habe von dieser Entwicklung ein Jahrzehnt lang profitiert. Wie Sie sehen, sind Aktien nicht das einzige Gebiet, wo es Bullen und Bären gibt.
Diese frühen Erfahrungen mit Rohstoffinvestments spielten auch eine Rolle bei meinem Erfolg als Co-Manager eines Offshore-Hedge-Fonds, wo ich die weltweiten Ströme von Kapital, Rohmaterialien, Gütern und Informationen untersuchte. 1980, im Alter von 37 Jahren, konnte ich mich zur Ruhe setzen. Der Aktienmarkt dagegen war die meiste Zeit über eine Katastrophe gewesen. 1966 schloss der Dow Jones bei 995,15 Punkten. 1982 stand er bei 800 Punkten – ein Verlust von vollen 20 Prozent nach 16 Jahren. (Und dabei habe ich noch nicht einmal den Effekt der Inflation mit eingerechnet, die in diesen 16 Jahren so schlimm war wie nie zuvor in der Geschichte der USA.) Die Amerikaner zogen ihr Geld aus Aktienfonds ab. 1979 proklamierte ein heute berühmtes Titelbild der Business Week: „Aktien sind tot!“
Ich war nicht dieser Meinung. Als ich 1982 öffentlich sagte, die Aktienbaisse sei vorbei, und es sei wahrscheinlich wieder an der Zeit, in Aktien zu investieren, hielt man mich für verrückt. Das war ein gutes Zeichen. Mir war damals schon klar geworden, dass ich das meiste Geld verdiente hatte, indem ich dort investierte, wo es sonst niemand tat, und der Aktienmarkt wurde damals viel zu pessimistisch beurteilt. Es war Zeit, einen anderen Weg einzuschlagen. Als der Dow 1983 in einem einzigen Jahr um mehr als 50 Prozent auf 1.200 Punkte stieg, begannen die Experten zu warnen: „Verkaufen Sie lieber. Diese Entwicklung ist verrückt. Sie geht zu schnell und zu weit.“ Und dann, natürlich, kam eine der größten Aktienhaussen der Geschichte, und der Dow überstieg 1999 die Marke von 11.000 Punkten. Der Dow und der S&P-Index haben sich in den 80er- und 90er-Jahren mehr als verzehnfacht. Die Nasdaq stand 2000 etwa 25-mal höher als 1980.
Aber das konnte nicht ewig so weitergehen. An den Märkten passiert so etwas nie. 18 Jahre sind an der Börse eine lange Zeit – und in der Tat die durchschnittliche Zeitdauer bedeutender Haussephasen bei Aktien und Rohstoffen. Schon 1998 begann ich zu bemerken, dass viele Aktien an Kurswert verloren. Ich trat damals jede Woche in einer Börsensendung bei CNBC auf und begann über Rohstoffinvestments zu sprechen; auch darüber, wie die schnell wachsende chinesische Volkswirtschaft die Nachfrage nach Rohmaterialien in die Höhe treiben würde – jeder schaute mich an, als sei ich verrückt geworden. Schon wieder. Ich veröffentlichte einige Artikel über Rohstoffe im Wall Street Journal und in Barron’s, und wenn mich Reporter anriefen, um meine Meinung über die Märkte und über die konjunkturelle Lage zu erfahren, brachte ich das Gespräch auf Rohstoffe.
Niemand hörte mir zu. Schließlich waren der Dow und die Nasdaq auf Höhen geklettert, von denen keiner zu träumen gewagt hatte. Ansonsten vernünftige und hart arbeitende Amerikaner hatten sich Laufbänder mit den aktuellen Aktienkursen auf ihren PCs installiert. Weniger vernünftige Amerikaner hatten ihre Jobs aufgegeben, um als Day Trader ihren Lebensunterhalt zu verdienen. 1999 wurden von angeblichen Aktienexperten drei Bücher veröffentlicht, die folgende Titel trugen: Dow 36.000, Dow 40.000 und The Dow 100.000. Im selben Jahr handelten mehr als ein Drittel aller Titelbilder der Business Week – und fünf 100-seitige Spezialbeilagen – von der „Internet-Revolution“. Die Nummer 24 auf der Liste der „100...