I Zentrale Begriffe – Versuch einer Klärung
Für den Begriff „Integration“ gibt es keine einheitliche Definition. Die verschiedenen wissenschaftlichen Richtungen verwenden ihn in unterschiedlicher Art und auch mit jeweils unterschiedlichen Bedeutungen (Friedrichs & Jagodzinski, 1999, S. 9). Etymologisch leitet er sich ab von dem lateinischen Wort „integer“, was soviel bedeutet wie „ganz, unberührt, unversehrt“ (Heinichen, 1978, S. 235).
Je nachdem, was politisch opportun erscheint oder vermeintlich Wege zu einem friedlichen Zusammenleben der Gesellschaft aufzeigen kann, wird das Thema Integration von Politikern, den Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und den Medien unterschiedlich instrumentalisiert.
Die Schwierigkeiten der definitorischen Einordnung sollen anhand einiger Beispiele verdeutlicht werden:
„ ‚Integration’ meint einen Einigungsprozess von Teilen und Gliedern zu einer sie umfassenden Einheit, so dass die gewonnene Einheit mehr ist als die Summe der vereinigten Teile. Neue Elemente werden in der Weise in ein System aufgenommen, dass sie sich danach von den alten Elementen nicht mehr unterscheiden als diese untereinander. Bildungs- und Zerfallsprozesse von menschlichen Gemeinschaften verschiedener Entwicklungsstufen werden in der allgemeinen Soziologie mit ‚Integration’ bzw. ‚Desintegration’ bezeichnet.“ (Ackermann, 1990, S. 14)
„Integration bedeutet …, dass Flüchtlinge ‚nach unseren wie ihren Maßstäben menschenwürdig leben’ können.“ (Gerhart Rudolf Baum, 1980, S. 30, zit. nach Ackermann, 1990, S. 26)
„Es erscheint sinnvoll, unter der Integration von Fremden in die Wirtsgesellschaft die Tatsache zu verstehen, dass ihnen ein angebbarer Status eingeräumt wird.“ (Francis, 1983, S. 16)
„… die Frage danach, ob die Gruppen gleichgewichtige und spannungsarme Beziehungen zueinander unterhalten oder nicht. Dies sei mit Integration (bzw. Des-Integration) bezeichnet.“ (Esser, 1983,
S. 29f.)
Rosemarie Sackmann bezeichnet Integration als „Formen der gesellschaftlichen Eingliederung von Zuwanderern. Der Begriff der Integration bleibt dabei auf die Vorstellung einer gelungenen Ordnung der Gesellschaft als ganzer bezogen.“ (2004, S. 15)
„Integration kann allgemein als die Verbindung von Einzelpersonen/Gruppen zu einer gesellschaftlichen Einheit – bei Anerkennung und Akzeptanz von kulturellen Unterschieden – bezeichnet werden.“ (Beger, 2000, S. 10)
Integration ist „… ein Modus der Beziehungen der Einheiten eines Systems in der Weise, dass die Einheiten im Kollektiv derart handeln, dass ein Zusammenbruch des Systems und eine Gefährdung der Stabilität des Systems vermieden werden, einerseits; und auf der anderen Seite, dass die Einheiten so kooperieren, dass das System als eine Einheit funktioniert.“ (Parsons, 1967, zit. nach Nienaber, 1995,
S. 133)
In und im Sinne einer demokratisch verfassten Gesellschaft kann Integration aber nur gleichberechtigte Teilhabe bedeuten. Integration ist dabei erstens als Prozess und nicht als Zustand zu verstehen und zweitens als ein Prozess, an dem mindestens zwei Parteien aktiv (!) beteiligt sind. Es geht um gleiche Rechte und Pflichten, um Chancengleichheit, um Partizipation und nicht zuletzt um Toleranz, Akzeptanz und beiderseitiges Verstehen.“ (Brommler, 2006, S. 111f.)
„In der Migrationssoziologie bezeichnet Integration (synonym Eingliederung) die Aufnahme von Immigranten in das Wirtschafts- und Sozialsystem des Zuwanderungslandes. Integration umfasst grundsätzlich alle Bereiche des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens und impliziert in letzter Konsequenz eine gleichberechtigte Partizipation der Zuwanderer am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben des Aufnahmelandes. Integration misst sich nicht an der uneingeschränkten (kulturellen) Anpassung der Zuwanderer an die Aufnahmegesellschaft. Als Integrationsziele lassen sich vielmehr formulieren, dass die Zuwanderer – unter Anerkennung der für alle geltenden Grundrechte des Aufnahmelandes – gleichberechtigt an den gesellschaftlichen Ressourcen teilhaben können ohne ihre eigene Identität aufgeben zu müssen. Integration ist ein wechselseitiger Prozess, der die Zuwanderer und die Aufnahmegesellschaft einbezieht.“ (Dietz, 1997, S. 38)
„In allen … Konzepten findet sich … die Vorstellung, dass der Integrationsvorgang selbst zunächst als Prozess der Angleichung an einen Standart erfolgt (=Akkulturation), dann als Zustand der Ähnlichkeit bezüglich eines Standart beschrieben werden kann (=Assimilation) und letztlich im Zustand eines Gleichgewichts (=Integration) endet.“ (Esser et al., 1979, zit. nach Lüttinger, 1989,
S. 35)
Die unterschiedlichen Begriffserläuterungen machen deutlich, dass es sinnvoll ist, den Oberbegriff „Integration“ – auch wenn nach wie vor keine einheitliche Definition vorliegt – in Unterbegriffe einzuteilen. In der Literatur wird unterschieden zwischen politischer, kultureller, sozialer, wirtschaftlicher, beruflicher, kollektiver, individueller, personaler, struktureller und identifikatorischer Integration. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die soziale, die kulturelle und die identifikative Integration.
Doch der Begriff „Integration“ wird auch in anderer Weise differenziert. So sieht Ackermann Integration sowohl als Prozess, den Zuwanderer durchlaufen auf dem Weg zu „persönlichem Gleichgewicht und der Geborgenheit“, als auch den daraus folgenden Zustand des Zuwanderers, „der sich durch Gleichgewicht und Spannungsfreiheit des personalen und sozialen Systems auszeichnet.“ (1990, S. 24)
Eine weitere Unterscheidung ergibt sich aus den Fragestellungen „Wer integriert wen?“ oder „Wer integriert sich?“
Integration stellt immer das Verhältnis der Minderheit zur Mehrheit in einer Gesellschaft dar (Ackermann, 1990, S. 24). Wenn die Mehrheit sich nicht verändern muss, sondern die Minderheit sich immer anzugleichen hat, wird Integration zu einer einseitigen Handlung. Ackermann weist darauf hin, dass dies der falsche Weg sei, was auch neueste Forschungen bestätigen, die besagen, dass Integration ein „Sozialprozess auf Gegenseitigkeit“ sein soll (Ackermann, 1990, S. 24).
Der Soziologe Hoffmann-Nowotny betont die Notwendigkeit von „Vorleistungen“, die die Aufnahmegesellschaft zu erbringen hat, damit Integration gelingen kann (Treibel, 1999, S. 104). Klaus Bade warnt in diesem Zusammenhang vor dem „gefährlichen Irrtum, dass Integration eine Frage des persönlichen Einlebens sei“ (1994, S. 162).
Es ergeben sich mindestens zwei gegensätzliche Forschungslinien in der Integrationsforschung. Eine Seite sieht die Verantwortung für eine erfolgreiche Integration bei den Zuwanderern und misst den kulturellen Unterschieden zwischen ihnen und der Aufnahmegesellschaft integrationsrelevante Bedeutung zu (Sackmann, 2004, S. 14).
Die andere Seite sieht die Verantwortung für gelungene Integration bei der aufnehmenden Gesellschaft. Ihre „institutionellen Strukturen“ und ihre jeweiligen Konzepte zur Integration von Zuwanderern werden als relevant angesehen (Sackmann, 2004, S. 14).
Nach Sackmann schließen sich beide Positionen jedoch nicht gegenseitig aus, sondern beide Seiten bieten wichtige Teilaspekte für günstige Integrationsverläufe (Sackmann, 2004, S. 15).
Der Begriff „Akkulturation“ wird in der Forschung unterschiedlich verwendet. Silbereisen et al. versteht unter der Akkulturation von Aussiedlern einen Prozess, der bereits vor der Ausreise in die Bundesrepublik beginnt und nach der Einreise lange nicht abgeschlossen ist (1999, S. 22). Für Schmitt-Rodermund ist Akkulturation „ein Sammelbegriff für eine Reihe von prozesshaften Geschehen und deren Ergebnissen, die sich nach der Übersiedlung in einen anderen kulturellen Kontext ergeben.“ (1997, S. 35) Dabei kann dieser neue kulturelle Kontext zu Veränderungen des Verhaltens oder der Einstellungen der einzelnen Person führen, er hat aber auch Auswirkungen auf ganze Gruppen von Zuwanderern (Schmitt-Rodermund, 1997, S. 35).
Hager & Wandel sehen die Ablösung des Begriffs „Integration“, der zu ungenau sei, durch den Begriff „Akkulturation“, der einen „Prozess der wechselseitigen Auseinandersetzung zwischen Individuum und Gesellschaft bzw. Kultur“ bedeute (Hager & Wandel, 1980, zit. nach Ackermann, 1990,
S. 27).
Die Akkulturationsprozesse werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst. So spielt die kulturelle Distanz zwischen Zuwanderern und Aufnahmegesellschaft eine Rolle. Die Dauer des Aufenthalts der Zugewanderten in der Aufnahmegesellschaft ist ebenso von Bedeutung wie die Einstellung sowohl der aufnehmenden Gesellschaft als auch der Gruppe der Zuwanderer gegenüber dem Thema Integration (Sackmann, 2004, S. 38).
Für Tolksdorf ist Akkulturation eine Integrationsstufe, „bei der Elemente der...