2 Wer behandelt in der Regel Schlafstörungen?
Herr C., 68 Jahre alt, klagt seit Jahren über unerholsamen Schlaf und Müdigkeit am Tage, die mittlerweile dazu geführt hat, dass er öfters nachmittags beim Fernsehen einschläft und laut schnarcht. Er schiebt das auf die Bluthochdruckmedikation, die ihm sein Hausarzt vor mehreren Jahren verordnet hat. Seine Frau klagt auch über Müdigkeit am Tage, hat jedoch einen ganz anderen Grund für ihre Müdigkeit: Sie wird vom Schnarchen Ihres Mannes Nacht für Nacht geweckt. Oft ist Frau C. beunruhigt, da sie bei den Atempausen Ihres Mannes mitzählt, bis die Atmung wieder einsetzt, was ihr das Wiedereinschlafen nicht gerade erleichtert. Erst als Frau C. damit droht, aus dem gemeinsamen Schlafzimmer auszuziehen, erklärt sich Herr C. bereit, mit ihr zusammen beim Hausarzt über das Schnarchen und die von ihr beobachteten nächtlichen Atempausen zu sprechen. Mithilfe einer Überweisung zum Internisten kann dann eine ambulante Untersuchung mit einem kleinen Messgerät stattfinden, welches Frau C. ihrem Mann vor dem Schlafengehen hilft anzulegen. Bei der anschließenden Auswertung kommt heraus, dass Herr C. durch die Atempausen nachts nicht genug Sauerstoff bekommt. Es wird die Diagnose Schlaf-Apnoe-Syndrom gestellt und Herr C. bekommt eine spezielle Atemmaske angepasst. Diese sorgt dafür, dass die Atemwege in der Nacht offen bleiben, sodass Herr C. nicht mehr schnarcht und keine Atempausen mehr entstehen. Schon nach kurzer Zeit fühlt er sich am Morgen viel erholter und schläft nicht mehr vor dem Fernseher ein. Auch der Blutdruck normalisiert sich zunehmend wieder. Der Internist hat ihm erklärt, dass der Bluthochdruck ebenfalls durch das Apnoe-Syndrom hervorgerufen wurde.
Wie Sie an obigem Beispiel sehen, ist Schlafstörung nämlich nicht gleich Schlafstörung, so können verschiedene Erkrankungen, wie Bluthochdruck und Schlaf-Apnoe-Syndrom mit einer Störung des Schlafes zusammenhängen. Deshalb sind immer ein eingehendes Abfragen der Schlafgewohnheiten und eine gründliche ärztliche Diagnostik notwendig. In den folgenden Kapiteln werden wir auf verschiedene Ursachen und Faktoren eingehen, die Schlafstörungen begünstigen bzw. (mit-) verursachen können. Zu diesem Zwecke ist es sinnvoll, zunächst Ihren Hausarzt zu konsultieren, da dieser Sie am besten kennt. Wichtig ist, dass Sie auch offen mit Ihrem Hausarzt über Ihre Schlafprobleme sprechen (wir wissen, dass es viele nicht tun!). Als Hilfestellung könnten Sie eine Woche vor dem Arztbesuch regelmäßig das im Anhang abgebildete Schlaftagebuch ausfüllen. Mit dem Schlaftagebuch wird es ihrem Hausarzt leichter fallen, wichtige Informationen über die Ursachen Ihrer Schlafstörung zu gewinnen. Zum Beispiel kann er Hinweise darauf bekommen,
- wie häufig Sie schlecht schlafen,
- welche freiverkäuflichen Medikamente sie einnehmen.
Mithilfe dieser Informationen und der Kenntnis Ihrer Krankengeschichte kann der Hausarzt nun entscheiden, ob bzw. welche körperlichen und/oder seelischen Probleme an der Verursachung Ihrer Schlafstörung beteiligt sind. Möglicherweise stellt sich im Gespräch heraus, dass es sich bei der Schlafstörung wahrscheinlich um eine vorübergehende Reaktion auf ein belastendes Ereignis handelt, was Sie vielleicht selbst gar nicht in Beziehung mit der Schlafstörung bringen. Besteht die Schlafstörung jedoch über längere Zeit, also länger als einen Monat, und führt zu Leistungseinbußen oder vermindert Ihr Wohlergehen, sollten die seelischen und körperlichen Ursachen genauer untersucht werden. Die Untersuchung wird je nach Krankengeschichte individuell unterschiedlich ausfallen. Schwerwiegendere Erkrankungen kann der Hausarzt oft schon mit einer eingehenden Blutuntersuchung ausschließen. Der Internist kann z. B. bei Übergewichtigen ambulant mit einem kleinen Messgerät eine nächtliche Störung der Atmung ausschließen. In anderen Fällen kann eine Überweisung an ein schlafmedizinisches Labor sinnvoll sein. Dort können Ursachen von Schlafstörungen ganz genau analysiert werden. Möglicherweise werden Sie dazu aufgefordert, bei der Diagnostik mitzuhelfen, indem Sie über einen kurzen Zeitraum Ihre Schlafgewohnheiten mithilfe eines ausführlichen Fragebogens dokumentieren (vgl. Schlaftagebuch im Anhang). Sollten Sie eine Überweisung ins Schlaflabor erhalten, seien Sie bitte nicht enttäuscht, wenn Sie in der ersten Nacht im Schlaflabor unerwartet besser schlafen als zuhause. Das ist garnicht so selten, möglicherweise liegt es daran, dass Sie so erleichtert sind, dass man Ihnen nun endlich helfen wird. Bei der Untersuchung im Schlaflabor werden dann verschiedene Sensoren (Elektroden) an den Körper geklebt werden, die es möglich machen, die Hirn- und Muskelaktivität, Beinbewegungen sowie Herz- und Atmungsfunktionen während des Schlafens auf einem Computer aufzuzeichnen (siehe Kapitel 1.1). Auf die Art können viele Ursachen von Schlafstörungen abgeklärt werden.
Ist die Diagnostik abgeschlossen und hat man die Ursachen für die Schlafstörung bzw. Faktoren, welche die Schlafstörung mit beeinflussen, gefunden, kann eine individuell angepasste Behandlung erfolgen. Diese richtet sich nach den Ursachen und erfolgt dementsprechend generell bei den für die jeweiligen Bereiche ausgebildeten Spezialisten. Dabei kann es sich um das (Wieder-)Erlernen »richtigen« Schlafens, um das Tragen einer speziellen »Atemmaske« in der Nacht oder auch um die richtige medikamentöse Behandlung von unruhigen Beinen im Schlaf handeln. In den nächsten Kapiteln werden wir im Rahmen des jeweiligen Themas auch über die entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten informieren. Zur Behandlung gehören jedoch natürlich auch Sie! Die verschiedenen Spezialisten können Sie natürlich in der Behandlung wesentlich unterstützen. Ihr Umgang mit sich selbst, mit Ihrer Gesundheit und mit Ihrem Schlaf spielt jedoch eine entscheidende Rolle! Bei diesem – Ihrem Umgang – mit der Schlafstörung hoffen wir, Ihnen mit dem vorliegenden Ratgeber eine Hilfestellung geben zu können. Wir geben Ihnen einige Tipps und Tricks an die Hand, mit denen Sie zur Verbesserung Ihres Schlafes beitragen können. Außerdem finden Sie im Anhang Adressen über Schlaflabore und Selbsthilfegruppen, bei denen Sie weitere Informationen und Unterstützung erhalten können.
3 Beeinflusst schlechter Schlaf die Gesundheit?
Wir alle wissen, wie angenehm eine »Mütze voll Schlaf« ist. Schlaf trägt offenbar zu unserem Wohlbefinden bei. Dem Schlaf werden im Volksmund aber auch darüber hinausgehende, z. B. heilsame Qualitäten zugeschrieben: So raten wir Menschen, die sich krank fühlen, sich mal »gesund zu schlafen« oder Menschen, die über eine Entscheidung unschlüssig sind, erst mal »eine Nacht darüber zu schlafen«. Inwiefern beeinflusst der Schlaf nun wirklich unser Wohlergehen und unsere Gesundheit? Wie viel Wahrheit steckt tatsächlich hinter solchen Ratschlägen?
Jeder kennt aus eigener Erfahrung die Auswirkungen einer oder mehrerer schlafloser Nächte. Was uns zunächst an kurzfristigen Effekten auffällt, sind Müdigkeit, Gereiztheit oder Stimmungsschwankungen, Konzentrationsprobleme, Schwierigkeiten mit dem Kurzzeitgedächtnis und/oder eine verminderte Fähigkeit unseren Alltag zu planen. Dies sind Effekte, die zunächst v.a. unser aktuelles Wohlergehen und/oder unsere aktuelle Leistungsfähigkeit verschlechtern. An sich sind diese Dinge jedoch nicht gefährlich, wenn die Schlafstörungen nur ab und an beispielsweise im Rahmen von krisenhaften Umständen auftreten. Gefährlich können sie natürlich durch ihre Begleiterscheinungen werden: Beispielsweise kann die verminderte Konzentrationsfähigkeit zu Autounfällen oder Unfällen bei der Arbeit mit Maschinen führen. Tatsächlich schätzen Experten, dass jährlich mehr Unfälle durch starke Müdigkeit als durch Alkohol hinterm Steuer geschehen. Doch von solchen Begleitfolgen abgesehen sind die kurzfristigen Effekte von Schlafmangel per se nicht grundsätzlich unserer Gesundheit abträglich, solange der Schlaf sich nach kurzer Zeit wieder normalisiert. In diesem Kapitel soll es uns daher v.a. um solche gesundheitlichen Folgeerscheinungen gehen, die durch längeranhaltende Schlafstörungen entstehen können.
Im Gegensatz zu der heute noch immer gelegentlich anzutreffenden Meinung, im Schlaf werde der Körper und das Gehirn quasi abgeschaltet, wissen wir heute, dass unsere Nervenzellen im Gehirn durchaus auch im Schlaf sehr aktiv sind. Einige körperliche Funktionen werden im Schlaf zwar tatsächlich reduziert, aber im Gehirn selbst finden viele Verarbeitungsprozesse statt. Im Schlaf wird der größte Anteil des Wachstumshormons freigesetzt und speziell im NONREM Schlaf werden neue Nervenzellen in Bereichen des Gehirns (Hippocampus) gebildet, die mit Lernen und Abrufen von Gedächtnisinhalten zu tun haben. Auch unser Immunsystem scheint den Schlaf zu brauchen, so führt Fieber zu mehr Schlaf. Chronische Schlafprobleme können somit unsere Gesundheit durchaus beeinträchtigen. Wenn wir uns nun die Folgen von Schlafstörungen für die Gesundheit anschauen wollen, müssen wir jedoch bedenken, dass es Wechselwirkungen zwischen Erkrankungen und Schlafstörungen im Alter gibt. Über den Einfluss körperlicher und seelischer Erkrankungen, bestimmter Lebensgestaltung (beispielsweise Konsum von Alkohol oder Medikamenten), Einflussfaktoren wie Atempausen und unruhige Beine auf den Schlaf wird in den entsprechenden Kapiteln dieses Ratgebers eingegangen. Da die Wechselwirkungen meist vielseitig und komplex sind, wollen wir den Fokus in diesem Kapitel speziell auf die Perspektive der Folgen von Schlafstörungen legen, d.h. wir vergessen die Wechselseitigkeit nur für...