Quietschfidele Hausfrauen und »mad women«
»Ich habe mich so gelangweilt, dass ich heute
um Haaresbreite angefangen hätte zu putzen!«
GABRIELLE SOLIS in »Desperate Housewives«
»Ich bin eine richtige kleine Hausfrau. Ich
behalte mir nach jeder Scheidung das Haus.«
ZSA ZSA GABOR, Schauspielerin
»Nun, meine Liebe, was machen Sie so?«, fragt mich die Frau in dem sehr Münchnerischen Dirndl, neben der ich bei einem Abendessen in Bad Goisern zu sitzen gekommen bin.
»Ich schreibe so vor mich hin«, antworte ich ihr.
»Und davon kann man leben?«
»Mehr schlecht als recht«, mischt sich jetzt mein Fortpflanz ein, »aber am Sonntag ist bei uns sogar auch manchmal Fleisch am Tisch.«
Das Münchner Dirndl lächelt irritiert. Sie ist Kinder mit Witz ganz offensichtlich nicht gewohnt.
»Und was macht Ihr Mann?«
»Mann, welcher Mann?«, fällt mir das Kind erneut satt grinsend in den Rücken, »bei uns hält es doch keiner lang aus. Dafür sorge ich schon.«
Jetzt mischt sich ein Pagenkopf ein: »Willst du nicht, dass deine Mutti glücklich ist?«
»Die hat doch mich, das ist so viel mehr Glück, als ein einzelner Mensch vertragen kann.«
Ich mache auf pädagogische Checkerin. »Stella, wenn sich hier jemand schlecht benimmt, bin das noch immer ich. Alles klar?« Das Kind schickt mir einen tödlichen Blick.
Der rebhuhnfarbene Pagenkopf und das Fantasiedirndl lächeln süßsäuerlich, ihre Gesichter signalisieren Unbehagen und sie nützen jetzt die Gelegenheit, um aus dem konversationstechnischen Bermudadreieck den Rückzug anzutreten. Es entspinnt sich zwischen den beiden folgender Dialog.
»Kommen Sie öfter hierher?«
»Meine Schwiegereltern haben einen Besitz am Grundlsee«, erzählt das Dirndl.
»Ach, Sie Glückliche. Wir haben eine Villa am Irrsee. So ein Zweithaus macht ja so viel Arbeit.«
»Das sagt der Meinige auch immer … allein schon unser Garten in Hietzing. Das schaff’ ich alleine gar nicht. Aber mein Mann, der liebt den Ausgleich. Der buddelt im Garten wie ein kleiner Maulwurf, er ist ganz versessen auf diese Wühlarbeiten. Er ist Anwalt, nationales, internationales, und alles, was Recht ist …«
»Gut zu wissen. Wir überlegen nämlich gerade, in der Camargue ein Gut zu kaufen. Mein Mann ist nämlich Investmentbanker und dementsprechend ruhebedürftig.«
So ging’s dahin. Und ich frage mich, warum Frauen, gewisse Frauen, die Tendenz haben, über ihre Männer wie über sehr pflegeintensive Rennpferde zu reden. Und das Kind hatte mit seinen damals elf Jahren die einfachste und auch einleuchtendste Antwort: »Weil sie kein eigenes Leben haben.«
Polly Adler
* * *
Mein zufälliger Sitznachbar im »Schweizerhaus«, ein gerne von Kampftrinkern frequentierter Biergarten im Wiener Prater, erzählt mir, dass seine »Liebste« keine Stelzen (Schweinshaxen) vertrage und er sich deswegen ab und zu »under cover« hierher stehlen müsse, quasi wie ein Pfarrer in den Pornoladen, um seine Cholesterinwerte wieder auf Vordermann zu bringen. »Und«, frage ich ihn, »was macht sie denn sonst so, Ihre liebe Frau, wenn sie nicht keine Stelzen isst?«
»Sie ist zu Hause«, antwortet mein Schweineschenkel-Kumpel, seines Zeichens Architekt von Beruf und Berufung.
»Aber Zuhausesein ist doch noch kein Beruf, bestenfalls ein Zustand. Sind die Kinder noch klein?«-
»Nein, wir haben nur eines, und das ist eben ausgezogen. Sie will aber jetzt ein Kinderbuch schreiben.«
Auch so ein Virus: Ständig trifft man auf Frauen, die drauf und dran sind, ein Kinderbuch zu schreiben. Sind Kinderbücher die Seidenmalerei der Zehnerjahre? Und fast ebenso ständig scheint sich eine Branche durchzusetzen, die man eigentlich in der Altersgruppe 40minus für längst ausgestorben hielt: die Hausfrau. Das Schreckgespenst des Feminismus, unsereins eigentlich nur mehr aus »Desperate Housewives« und den Lebenskonzepten unserer Omas ein Begriff, ist reanimiert und in neuen Mutationen anzutreffen.
Ich rede jetzt nicht von den temporären Hausfrauen, die sich wegen der Brutpflege ein paar Monate Auszeit nehmen und dann wieder im Berufsleben einchecken, das ist ja völlig in Ordnung.
Nur: Sobald diese Brut des aufrechten Gangs mächtig ist und die Teilalphabetisierung überwunden hat, sollte damit wieder Schluss sein. Ohne ersichtliche Behinderung kann man die Herren nicht allein im Hamsterrad der Erwerbstätigkeit ihre Runden drehen lassen. Ist einfach nicht fair.
»Sie sehen sehr müde aus«, findet der Architekt jetzt – anscheinend als Rache dafür, dass ich sein Weibchenschema in Frage gestellt habe. »Ja, ja, die Rosenzucht und die Fruchtverwertung in Kompott- und Marmeladeform halten mich ordentlich auf Trab. Und dann noch dieser Pilates-Stress! Ein Apfelkuchen-Inferno hab’ ich heute auch noch hinter mir. Der Hund ist einfach kleben geblieben. Ich könnte heulen!«
Jetzt winkt er dem Kellner. Vielleicht ist er jetzt auch schon reif, ein Kinderbuch zu schreiben.
Zum Abschied entschuldige ich mich noch mit einem Ödön-von-Horvath-Zitat, das auch Udo Lindenberg sich immer wieder gerne ausborgt: »Ich wäre eigentlich viel lieber ganz anders. Nur komm’ ich so selten dazu.«
Polly Adler
* * *
Gut, dachte man anfangs. Die Witterung riecht also nach Hausfrauen. Natürlich gibt es die. Aber doch nicht in unserer Generation. Die geisterten durch die der Mütter und vor allem der Großmütter. In den Frauenleben der nächsten Generation ist doch so ein schürzenwippendes Liebling-hat’s-dir-auch-wirklich-geschmeckt-Phantom längst kein Thema mehr?!
Ich kannte eine einzige Frau in meiner Altersgruppe, die das gleiche Leben wie ihre (auch nicht berufstätige) Mutter zwischen Tennisclub, Kindergarten und Gartenpartys zur Vollzeit-Erfüllung machte. Inzwischen ist sie geschieden. Und ihr Mann mit einer unter Dauerstrom stehenden Karrierefrau zusammen, die auch ihn zu Höchstleistungen peitscht.
Alle anderen Frauen in meiner Altersliga mussten nicht nur arbeiten, sie wollten es auch. Abgesehen von der Selbstverwirklichungs-Kiste war es schließlich auch Jahrzehnte her, dass sich Ehemänner für berufstätige Lebenspartnerinnen schämten, weil das gleichzeitig das Indiz dafür war, dass sie nicht in der Lage waren, die Familie alleine zu versorgen.
»Meine Eltern mussten beide arbeiten«, verkündete Volker Piesczek, TV-Moderator und Ehemann der Grünen-Chefin Eva Glawischnig, in einem Format seines Privatsenders, und in dieser Aussage schwang der Subtext mit, dass er eine berufstätige Mutter als eine Art soziale Benachteiligung empfunden hatte. Unbewusst natürlich, auf rationaler Ebene würde er das als feministisch geschulter Mann total abstreiten. Sprache und wie man sie einsetzt, ist eben eine wirklich verlässliche Verräterin.
Die Dokumentarfilmerin Elizabeth T. Spira, die Quotengarantin des ORF, ist nach zig Folgen ihrer Verkuppelungsshow »Liebesg’schichten und Heiratssachen« überzeugt, dass Sicherheit bei der weiblichen Partnerwahl ausschlaggebend ist: »Beamte gehen wie warme Semmeln. Die können stottern, schiefe Zähne haben und generell aussehen, wie sie wollen, die kriegen in jedem Fall Hunderte Zuschriften. Da schwingt die Hoffnung auf Versorgung mit. Unkündbar sind sie außerdem. Die Frauen sind bei ihrer Partnerwahl schon sehr vom Materiellen geprägt.«
Bügelnde Königskobras
Wir alle quälten uns im Deutschunterricht durch »Nora – oder ein Puppenheim« von Henrik Ibsen. Wie progressiv und sprengsatzreich dieses Stück über zertrümmerte Lebenslügen in seiner Zeit empfunden worden sein musste, kann man nur ahnen. In jedem Fall empfand ich die Fragestellungen, die es aufwarf, im Deutschunterricht der siebenten Klasse als hoffnungslos anachronistisch.
Heute nicht mehr. Und zwar gar nicht mehr. Wir erinnern uns: Nora verlässt Ende des 19. Jahrhunderts in Norwegen Mann und Kinder, weil sie nicht mehr ein hübscher »Singvogel« sein will, und um »mich selbst und das rechte Verhältnis zu meiner Umgebung zu finden«.
Ihr Mann, er heißt auch noch Helmer, ist fassungslos, wie so oft bei verlassenen Gatten trifft ihn diese radikale Entscheidung völlig unangekündigt und aus heiterem Himmel.
»So kannst du dich doch nicht über die heiligsten Pflichten hinwegsetzen?« beschwört er sie.
Nora: »Ich habe andere Pflichten.«
Helmer, jetzt völlig von der Spur: »Welche können das sein?«
Nora: »Die Pflicht gegen mich selbst.«
Heute fällt diese Kategorie von der Pflicht gegen sich selbst unter den sattsam strapazierten Begriff Selbstverwirklichung. Ein schreckliches Wort. In etwa so hässlich wie der Begriff Beziehungsarbeit. Er klingt nach schlecht gelüfteten Seminarräumen, Klangschalen, Wohlfühltees in abgegriffenen Thermoskannen und Menschen in bequemer Freizeitkleidung, die sehr oft Sätze wie »Ich versteh’ dich total gut« oder »Und wie geht’s dir damit?« sagen.
Aber wenn ich die putzenden und blutenden Hausfrauen im Werbefernsehen so sehe, scheint Selbstverwirklichung keine sonderlich große Priorität zu haben. Und das ist schmerzhaft.
Ich erinnere mich an das Jahr 2000, als die für Österreichs internationales Image so fatale schwarz-blaue Regierung ihre Macht antrat. Da Jörg Haider zu...