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E-Book

Sepp Innerkofler

Bergsteiger, Tourismuspionier, Held

AutorHans Heiss, Rudolf Holzer
VerlagFolio Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl120 Seiten
ISBN9783990370513
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Sepp Innerkofler, dem Bergsteiger, Tourismuspionier und Kriegshelden wider Willen, zum 100. Todestag. Sepp Innerkofler ist der Erste-Weltkriegs-Held par excellance. Sein Tod an der Dolomitenfront wurde vielfach instrumentalisiert. Das Buch widmet sich vor allem dem herausragenden Kletterer und beliebten Bergführer sowie dem Tourismusunternehmer und skizziert gleichzeitig die Entwicklung des Fremdenverkehrs bis zum Ersten Weltkrieg. Als Standschützen-Oberjäger führte Innerkofler die erfahrensten Bergführer auf vorgeschobene Posten, bis er im Juli 1915 den Tod fand. In den 1970er-Jahren widersprach sein Sohn der nationalistischen Legendenbildung, derzufolge Innerkofler durch feindliches Feuer gefallen sei.

Hans Heiss, Historiker, dzt. Abgeordneter im Südtiroler Landtag. Beiträge zur Bürgertums- und Sozialgeschichte Tirols, zahlreiche Buchpublikationen. Rudolf Holzer, ehem. Lehrer, Dorfchronist, profunder Kenner der Tourismus- und Alpinismusgeschichte. Zuletzt erschienen: Sexten. Vom Bergbauerndorf zur Tourismusgemeinde (2000).

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Leseprobe

Hans Heiss

An der Grenze


Die Bedeutung von Sepp Innerkofler für den Tourismus des Hochpustertals und Sexten


Region des Übergangs

Sexten liegt im Hochpustertal, im Osten Südtirols, in reizvoller Höhen- und Übergangslage. Es ist eine der schönsten Regionen der Alpen, an der Pforte des Weltnaturerbes Dolomiten, mit der ikonischen Landmarke der Drei Zinnen.

Der Tiroler Schriftsteller Karl Felix Wolff verlieh der Region Hochpustertal um 1900 das schmückende Prädikat eines „Österreichischen Engadin“. Die Verbeugung vor der mächtigen Schweizer Konkurrenz diente zweifellos der Aufwertung und leichteren Vermarktung der Region. Sie war aber auch Teil jener Selbstinszenierung, mit der die Bevölkerung und die Promotoren der Tourismusbrache den Umbruch von Jahrhunderten gemächlicher Entwicklung zum rapiden Wandel im Zeichen von Bahnbau und touristischem Durchbruch zu gestalten suchten.

Das Hochpustertal umfasst – salopp formuliert – das „Zweistromland“ von oberster Drau und oberster Rienz, die in das Mittelmeer und das Schwarze Meer entwässern. Das an der Nahtstelle zwischen Südtirol, Osttirol und dem Veneto gelegene Hochpustertal ist kein rechtlich fixierter Begriff, es bildete nie einen Verwaltungsbezirk – in der Erfahrung der Bewohner und auswärtiger Beobachter präsentierte sich die Übergangszone aber immer schon als unsichtbare Einheit mit bestimmten Koordinaten und Konturen.

Spätestens seit der Antike bildete das Hochpustertal eine Drehscheibe des überregionalen Verkehrs und der Migration, eine Zone ethnischer Kontakte, und galt als erstrangige politische Interessensphäre. Über das Hochpustertal verlief zur Römerzeit die „Via Claudia Augusta Altinate“, die Oberitalien mit den südwestdeutschen Provinzen Germaniens verband, durch seine Talfurche führte andererseits die Straße nach Osten in Richtung Pannonien. Das Hochpustertal war also keine abgeschlossene Gebirgs-region, sondern ein Angelpunkt des zentralalpinen Verkehrs, kein rein ländlicher Siedlungsraum, vielmehr auch eine Zone von Bewegung, Unruhe und Aufbruch.

Dank der günstigen Verkehrslage zwischen wirtschaftlichen Kraftzentren entwickelte sich in den Orten des Hochpustertals früh eine Mentalität der Marktorientierung: Dörfer wie Innichen, Sexten oder Niederdorf waren nicht abgeschiedene Orte bäuerlicher Selbstversorgung, sondern hatten als kleine Zentren der Lederverarbeitung, Hutmacherei und als Warenniederlagen Anteil an der internationalen Konjunktur.

Bereits im 17. und 18. Jahrhundert nistete sich im Hochpustertal der Fremdenverkehr ein. Hierher flüchteten sich während der sommerlichen Hitzeperiode Dutzende wohlhabender Familien aus dem Bozner Raum und bezogen in Welsberg, Niederdorf, Toblach oder Innichen ihre Sommerfrischen. Erheblichen Zulauf verzeichneten auch die Bäder des Hochpustertals; Bad Maistatt, Weitlanbrunn, Salomonsbrunn, Wildbad Innichen, Altprags oder Bad Moos in Sexten sind heute verwehte Namen, noch um 1900 hingegen galten sie über Tirol hinaus als wichtige Destinationen für die Heilung rheumatischer Beschwerden, von Magenleiden, Ischias oder gynäkologischen Störungen. Die Frühe Neuzeit ist daher als Inkubationsphase des Tourismus zu bewerten, als vortouristisches Zeitalter des Hochpustertals, mit den drei Standbeinen Transit, Sommerfrische und Bäderwesen.

Bald nach 1800 lebte der Verkehr auf – durch die Errichtung der „Strada d’Alemagna“, der Ampezzaner Straße, die ab 1823 als verbesserte Verbindung Toblach–Cortina das Höhlensteintal neu erschloss, worauf der Bauer Georg Ploner 1836 in Schluderbach ein bescheidenes Einkehrwirtshaus eröffnete. Wenige Jahre später heiratete in den „Schwarzadler“ in Niederdorf eine junge Frau ein – Emma Hausbacher, die sich nach dem frühen Tod ihres Mannes Josef Hellenstainer im Jahre 1858 als Wirtin großen Formats bewährte und sich alsbald als Pionierin des Tourismus im Hochpustertal erwies.

Zeitgenössisches Plakat der Südbahngesellschaft

Früher Alpinismus

Ein Jahrzehnt später konnte die erstaunte Bevölkerung des Hochpustertals frühe Alpinisten beobachten, die die herausragenden Gipfel der Ampezzaner Dolomiten angingen. Bereits in den Jahren 1862 bis 1864 bestieg der Wiener Paul Grohmann mithilfe der Ampezzaner Führer Angelo Dimai, Francesco Lacedelli und Santo Siorpaes die Tofana und bezwang dann mit Franz Innerkofler 1869 die Große Zinne. Damit schrieb sich erstmalig ein Sextner Führer in die Geschichte des Alpinismus ein. Franz Innerkofler, 1834 am Mitterhößlerhof in Sexten als Sohn eines kinderreichen Bergbauern geboren, hatte bereits in den 1850er-Jahren den „Alten Steinmetzen“ Josef Innerkofler auf Jagdpartien begleitet und so sein Talent als Bergsteiger entfaltet. Als Grohmann 1868 mit dem Steinmetzen die Dreischusterspitze ersteigen wollte, scheiterte das Vorhaben, während sein zweiter Anlauf im Folgejahr mit dem jungen Innerkofler und Peter Salcher von Erfolg gekrönt war: In nur einem Monat bestieg das Trio Grohmann-Salcher-Innerkofler im Juli und August die Dreischusterspitze und den Langkofel, um dann Ende August 1869 die Große Zinne zu bezwingen.

Wildbad Innichen

In der „Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins“ rühmte Grohmann seine Weggefährten in den höchsten Tönen: „Als Führer sollte der mir auch bereits bekannte Franz Innerkofler, auch der Gilde der Steinmetzen angehörig, dienen, der bei den Recognoscirungen mitgewirkt hatte, ein trefflicher, durchaus empfehlenswerther Bergsteiger. Ist er auch nicht so hurtig wie Peter, so besitzer dagegen eine wahre Bärenkraft, ein eben so treues Herz wie Peter, und dieselbe Geschicklichkeit, dieselbe Kaltblütigkeit an schlechten Stellen. Peter spricht viel, Franz wenig. Diese Männer ergänzen sich gegenseitig, und mit ihnen magst Du ruhig jede Felskletterei angehen, jeden Kopf, und sei er noch so schlecht, wirst Du nehmen, wenn Du ihnen nachsteigst. Prächtige Gesellen, und ich bedauere nur, dass sie auf Gletschern keine Erfahrung haben. […] keiner von ihnen geht des Geldgewinns wegen, sie gehen aus Ehrgeiz!“

Postkarte Hotel Pragser Wildsee, 1907

Bis zu seinem Tod im Jahre 1898 galt Franz Innerkofler, aufgrund seiner Körperstärke auch der „Schlosser Starke“ genannt, als Bergführer ersten Ranges und Vorbild für Generationen von jungen Bergsteigern. Es war maßgeblich sein Verdienst, dass Sexten als Ausgangspunkt für Bergtouren bleibenden Ruf gewann. Seine zunächst mäßigen Führertaxen besserte er alsbald so auf, dass er einen stattlichen Gasthof errichten konnte.

Zeitgenössisches Plakat der Südbahngesellschaft

Aufstieg des Fremdenverkehrs

Um 1900 war das Hochpustertal neben Meran, dem Bozner Raum und Gossensass eine bekannte Adresse für den prosperierenden Fremdenverkehr. Das Angebot war breit gefächert: Sextens klingender Name als Bergsteigerdorf und Sommerfrische rangierte im Hochpustertal neben dem dank Emma Hellenstainer in ganz Österreich berühmten Niederdorf. Der reizvoll gelegene Ort in der Talfurche stand aber bereits ein wenig im Schatten von Toblach, das um 1890 einen beeindruckenden Aufstieg als Hoteldorf erlebte. Hier wirkte die Eröffnung des Südbahnhotels, des ersten Grandhotels in den österreichischen Alpen, als Auftakt einer viel bewunderten Entwicklung. Elise Überbacher-Minatti, seit der Eröffnung 1878 Chefin des Südbahnhotels, entfaltete eine glanzvolle Gastlichkeit, die den Hochadel sowie eine Klientel von Reichen und Künstlern Jahr um Jahr aufs Neue anzog. Abgerundet wurde das touristische Netzwerk des Hochpustertals vom Marktort Innichen mit behäbigen Gasthöfen und dem bekannten Wildbad. Als höher gelegene Dependance von Niederdorf stieg das Pragser Tal auf, das mit dem Wildbad Altprags schon seit Langem klassische Sommerfrische bot. Zudem war der am Talschluss gelegene Pragser Wildsee ein Juwel, das der Sohn von Emma Hellenstainer mit dem Bau eines stattlichen Hotels ab 1899 ins Spiel brachte.

Speisekarte des Grandhotel Toblach

Der Kranz von Tourismusgemeinden des Hochpustertals profitierte von der 1871 eröffneten Pustertaler Bahn, die seit diesem Zeitpunkt für die Verbindung mit der Reichshauptstadt Wien und über die Brennerbahn mit dem süddeutschen Raum sorgte. Die Bahn diente aber nicht nur als Fernverbindung, sondern zugleich als mobiles Aussichtspanorama ersten Ranges. Wo gab es in Tirol eine Bahnlinie, die in ähnlicher Weise an die Naturschönheiten und Berggipfel auf Sichtweite heranführte? Nur die Brennerbahn bei Gossensass rückte vergleichbar nahe an den Tribulaun und die Gipfel des Pflerschtals heran, während die Südbahn auf ihrer Fahrt durch die Hochebene des Hochpustertals neben dem atemberaubenden Panorama des Höhlensteintals weitere reizvolle...

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