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Sieben Tage, das Universum und Gott

Was Wissenschaft und Bibel über den Ursprung der Welt sagen

AutorJohn Lennox
VerlagSCM R.Brockhaus im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2016
ReiheInstitut für Glaube und Wissenschaft 
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783417227123
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Wurde die Erde wirklich in sieben Tagen erschaffen? Sind tatsächlich 24-Stunden-Tage gemeint? Wie alt ist die Erde? Ist der Schöpfungsbericht 'nur' theologisch zu verstehen oder hat er auch eine geschichtliche Bedeutung? In bewährter Weise geht der Mathematiker und Bestseller-Autor John Lennox ('Hat die Wissenschaft Gott begraben?'/ 'Gott im Fadenkreuz') auf Fragen ein, die viele Zeitgenossen an die Schöpfungsberichte der Bibel stellen. Sein Buch besticht durch kluge Argumentation und engagierten Stil.

John Lennox, geb. 1943, ist emeritierter Mathematikprofessor an der Universität Oxford und Autor zahlreicher Bücher zum Verhältnis von Glaube, Ethik und Wissenschaft. Durch Vorträge auf Tagungen und Konferenzen ist er auch in Deutschland bekannt.

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III. Ist die Erde alt?
Die Frage der Schöpfungsgeschichte


Die Interpretation der sieben Schöpfungstage
im 1. Buch Mose: Ein historischer Rückblick


Wir alle kennen die Kontroverse: Die Christenheit ist in zwei Gruppen gespalten. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die glauben, dass es sich bei den Schöpfungstagen um die 24-Stunden-Tage innerhalb einer Erdenwoche handelt und dass das Universum jung ist (geschaffen vor ungefähr 6000 Jahren). Auf der andere Seite sind die, die davon ausgehen, dass das Universum alt ist. Ich stelle jetzt schon einmal klar, dass die Ansichten beider Kreationisten-Parteien keineswegs neu und nicht erst kürzlich aufgekommen sind.

Was sich jedoch verändert hat, ist die Bedeutung des Wortes Kreationist. Ursprünglich bezeichnete es lediglich jemanden, der an einen Schöpfer glaubt, ohne dabei besonderen Wert auf eine bestimmte Schöpfungstheorie zu legen. Heutzutage werden mit dem Wort üblicherweise Verfechter der »jungen Erde« bezeichnet.

Über die Jahrhunderte hat sich bei vielen die Meinung gehalten, dass man einen direkten Vergleich zwischen der Schöpfungswoche und einer regulären Erdenwoche ziehen kann. Der jüdische Kalender beispielsweise nimmt die sogenannte »Ära der Schöpfung« als Startpunkt. Diese wird auf das Jahr 3761 v.Chr. datiert. Als Veranschaulichung der Kalendersystematik können wir das Jahr 2014 nehmen. Es ist nach der Zeitrechnung des jüdischen Kalenders das Jahr 5774, beginnt im September 2013 und endet im September 2014. Im modernen Hebräisch werden die Tage der Woche mit den Zahlen von eins bis sechs bezeichnet, während der siebte Tag der Sabbat ist (schabbat bedeutet Pause oder Ruhe) – genauso wie im ersten Kapitel von 1. Mose.

Die christlichen Reformatoren Luther und Calvin28 sowie viele von denen, die das Bekenntnis von Westminster aufsetzten, vertraten ebenfalls die 24-Stunden-Tag-Theorie. In seinem Genesiskommentar schrieb Calvin, dass die Schöpfung sich über einen »Zeitraum von sechs Tagen« erstreckte; eine Formulierung, die später genau so in das Bekenntnis von Westminster aufgenommen wurde.

Es gab jedoch schon in der Antike andere Interpretationen des ersten Kapitels der Bibel. Darunter ist die des einflussreichen jüdischen Schriftstellers Philo von Alexandria, der zu Jesu Zeiten in Alexandria lebte. Unter seinen zahlreichen Werken findet man die Schrift De Opificio Mundi (»Über die Schöpfung der Welt«), die in Abschnitt III, 13 folgenden Gedankengang beschreibt: »In sechs Tagen, sagt er, ist die Welt geschaffen worden, nicht etwa, weil der Schöpfer einen Zeitraum dazu nötig hatte – denn es ist selbstverständlich, dass Gott alles auf einmal bewirkt, nicht nur durch seinen Befehl, sondern schon durch sein Denken –, sondern weil für die Entstehung der Dinge eine bestimmte Ordnung nötig war. Zur Ordnung aber gehört die Zahl, und von den Zahlen ist nach den Gesetzen der Natur die für die Schöpfung passendste die Sechs. Wenn man nämlich von der Eins an zählt, ist sie die erste vollkommene Zahl, da sie ihren Teilen gleich und aus ihnen zusammengesetzt ist, nämlich aus der Drei als der Hälfte, der Zwei als dem 3. Teil und der Eins als dem 6. Teil (…).«29 Demzufolge glaubte Philo daran, dass die Schöpfung in einem Augenblick entstanden ist und dass der Bericht aus dem 1. Buch Mose vorwiegend mit der Darstellung einer Abfolge und einer gewissen Ordnung zu tun hat.

Einige der frühen Kirchenväter wie Justin der Märtyrer oder Irenäus von Lyon stellten in ihren Werken Dialog mit dem Juden Tryphon und Gegen die Häresien auf der Grundlage von Psalm 90,4 und 2. Petrus 3,8 die Vermutung an, dass es sich bei den Tagen um längere Zeitabschnitte handeln könnte. In diesen Schriftstellen steht: »Denn für dich sind tausend Jahre wie der gestern vergangene Tag, wie wenige Stunden nur!« und »Und ihr sollt wissen, liebe Freunde, dass ein Tag für den Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag«. Mit diesem Interpretationsansatz rückte Irenäus die Warnung Gottes bezüglich des Baumes der Erkenntnis (»Wenn du die Früchte von diesem Baum isst, musst du auf jeden Fall sterben«; 1. Mose 2,17) in ein neues Licht: »Der Tag, an dem er gestorben ist, ist derselbe wie der Tag, an dem er gegessen hat. (…) Tausend Jahre hat er [d.h. Adam] aber nicht überschritten, sondern ist innerhalb dieser Frist gestorben.«30

Clemens von Alexandria schrieb – ähnlich wie Justin und Irenäus – im 2. Jh., dass die Schöpfung unmöglich in irgendeiner Form von Zeit passiert sein könne: »Wie könnte aber auch die Schöpfung in der Zeit vor sich gehen, da auch die Zeit erst zugleich mit dem Seienden geschaffen wurde?«31 Seinem Verständnis nach liegt die Bedeutung der Schöpfungstage darin, dass sie die einzelnen Aspekte der Schöpfung ihrer Wichtigkeit nach ordnen und nicht ihrer zeitlichen Abfolge nach. Wenige Zeit später schrieb einer der wichtigsten Theologen seiner Zeit über dieses Thema: Origenes. In seinen Schriften wies er darauf hin, dass die Sonne erst am vierten Tag erschaffen wurde, und machte damit einen naheliegenden Einwand: »Welcher vernünftige Mensch wird z.B. glauben, dass der erste und zweite und dritte Tag, Abend wie Morgen, ohne Sonne, Mond und Sterne geworden sei?«32 Mit diesem Argument beschäftigen wir uns im nächsten Kapitel noch einmal.

Im vierten Jahrhundert gab Augustinus in seinem Buch De Civitate Dei (»Vom Gottesstaat«) offen zu, dass er die Schöpfungstage als schwierig empfand: »Welcher Art aber diese Tage sind, das ist freilich unsereinem sehr schwer, wenn nicht unmöglich auszudenken, geschweige auszusprechen.«33 In seinem berühmten Genesiskommentar fügte er dem noch hinzu: »(…) wenn wir dann andererseits hören: ›Als der Tag erschaffen war, da schuf Gott Himmel und Erde und alles Grün des Feldes‹, werden wir ermahnt, uns mit unserm Verstand diesen Tag vorzustellen, gleichviel ob es ein körperlicher Tag in irgendeinem uns unbekannten Licht ist (…), jedenfalls aber kein solcher, wie wir ihn hienieden kennen.«34 Tatsächlich glaubte Augustinus – wie Philo auch –, dass Gott alles in einem Augenblick geschaffen hat und dass die »Tage« nur eine logische Reihenfolge darstellen sollen, damit es besser für uns verständlich ist.

Diese Männer waren nicht einfach nur Salontheoretiker. Einige von ihnen wurden für ihren Glauben gefoltert und hingerichtet: Justin der Märtyrer (wie sein Name schon nahelegt), Irenäus und Origenes. Offensichtlich wurden sie auch nicht von zeitgenössischen Disziplinen wie Geologie oder Evolutionsbiologie beeinflusst.

Das sind nur einige Beispiele in unserem kurzen geschichtlichen Überblick. Es ist noch wichtig anzumerken, dass die 24-Stunden-Tag-Theorie über Jahrhunderte hinweg die vorherrschende Sichtweise war.

Einer der Knackpunkte in dieser Diskussion um die ersten Kapitel der Bibel liegt darin, dass die einen glauben, die Bibel müsse als historische Quelle gelesen werden, während die anderen davon überzeugt sind, sie wolle zeitlose Wahrheiten in einem sinnbildlichen, theologischen Sprachstil vermitteln. Ich betone hier die Worte »die ersten Kapitel«, da da der Rest des 1. Buchs Mose den Eindruck einer historischen Erzählung macht: Es geht um den Aufstieg der hebräischen Nation im Altertum inmitten von heidnischen Völkern im Nahen Osten. Dieser Aufstieg wird chronologisch anhand der Familiengeschichten von Abraham, Isaak und Jakob dargestellt. Daher ist es nicht überraschend, dass viele Leute den Geschichtscharakter dieser Erzählung auch auf die ersten Kapitel des Buchs übertragen. Das ist verständlich, weil diese Kapitel einen wichtigen Teil des 1. Buchs Mose bilden. Man argumentierte, dass diese Kapitel den Eindruck machen, es handele sich um Orte und Menschen, die tatsächlich existiert haben. Wirken die Ereignisse dieser Kapitel nicht so, als seien sie eine historische Erzählung? Man denke an die Schöpfung der Welt, die Ausbreitung der Zivilisation bis zur Sintflut und das Überleben Noahs und seiner Familie als Stammeltern der Volksgruppen des Nahen Ostens. Ich meinerseits sehe durchaus ein echtes Risiko darin, in gewissen Bereichen die Theologie von der Geschichte zu trennen.35

Das 1. Buch Mose ist ein Text, der aus einer Kultur und einer Zeit stammt, die grundverschieden von der unseren ist. Da es aus altorientalischer Zeit herrührt, können wir es nicht wie ein modernes Schriftstück behandeln, das moderne, westliche Probleme anspricht.36

Es stellt sich die Frage, wie stark und auf welche Weise das 1. Buch Mose beeinflusst ist von der Kultur, in der es geschrieben wurde.37 Im Grunde kann man diese Frage auch auf die ganze Bibel ausweiten. Wer davon überzeugt ist, dass die Bibel göttlich inspiriert ist (und ich bin dieser Überzeugung), der ist sich dessen bewusst, dass Gott menschliche Verfasser dazu benutzte, sein Wort aus ihrer Lebenswelt heraus aufzuschreiben. Obwohl es in Jesu Gleichnissen um den Ackerbau, das Bauen und das Fischen ging und nicht um Fabriken, Luftfahrt und Dschungelerforschung, sind sie universell verständlich – ähnlich wie das 1. Buch Mose. Es ist sicherlich sehr hilfreich, viel über die altorientalische Kultur zu wissen, aber das zentrale Thema des Buchs ist so zeitlos, dass man es 1000 v.Chr. genauso wie im Jahr 2000 n.Chr. verstehen kann.

Drei Theorien zur Länge der Schöpfungstage


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