Es gibt keine kriminellen Völker – wie alles begann
Bereits Anfang des Jahres 2015 war festzustellen, dass sich die Zahl der Flüchtlinge stark erhöht, die sich in Richtung der Bundesrepublik bewegten. Und damit auch in die Stadt Braunschweig, in der sich die Landesaufnahmestelle beziehungsweise Landesaufnahmebehörde befindet. Wenn ich an dieser und anderer Stelle unsere Stadt erwähne, dann steht der Name immer auch stellvertretend für alle anderen Städte im Land, die plötzlich mit einer neuen Situation fertig werden mussten.
Schon damals war jedem Kriminalisten in etwa klar, wie sich die Lage weiter entwickeln würde. Dazu braucht es kein Orakel und keine Kristallkugel, die Lage lässt sich recht einleuchtend mit der Situation in einem Fußballstadion vergleichen: Kommt eine große Masse an Menschen zusammen, finden sich darunter immer einige Menschen, die Probleme bereiten oder Theater machen. Genau so ist es 2015 auch gewesen. Schnell stellte sich heraus, dass sich unter den Flüchtlingen offensichtlich ein kleiner Block von Menschen befand, die vor allem oder ausschließlich mit dem Ziel nach Deutschland gekommen sind, hier Straftaten zu begehen. Wir hatten ähnliche Probleme mit der Landesaufnahmestelle auch schon vorher, nur wurden diese Probleme durch die große Zahl an Menschen nun sehr massiv. Also haben wir uns entschlossen, etwas dagegen zu tun.
Weil ich der Meinung bin, dass wir auf spezielle Kriminalitätsentwicklungen, wenn sie sich kurzfristig ergeben, mit einer flexiblen Organisationsform reagieren müssen. Wir dürfen also nicht an dem gewohnten Denken der Polizei festhalten, das sich an den alten Kategorien orientiert, etwa dass Kommissariat eins für den einen Bereich zuständig ist, Kommissariat zwei für den anderen und so weiter und so fort. Denn genau das war ja das Problem, vor dem wir standen. Die Verfahren wie Ladendiebstähle oder auch Raubüberfälle wurden wie gewohnt von unterschiedlichen Stellen bearbeitet. Wir haben uns dann entschlossen, das Thema anders anzugehen, und haben die Flüchtlingskriminalität abgetrennt, beziehungsweise haben wir die Trennung der Zuständigkeiten aufgehoben und stattdessen alles in der Sonderkommission zusammengeführt. Das war der eigentliche Hintergrund für unseren Vorstoß – dass es eine zentrale Stelle geben sollte, in der alle Fälle von Flüchtlingskriminalität bearbeitet werden, egal ob es sich um einen Ladendiebstahl, einen Raub oder auch um Notzucht handelte.
Der zweite wesentliche Anlass für die Einrichtung der Soko war, dass die ganze Diskussion, die im Zusammenhang mit der steigenden Kriminalität im Umfeld der Landesaufnahmestelle aufkam, natürlich auch eine hoch emotionale war. Das merkten wir sehr schnell. In dem Zusammenhang tauchten bald auch radikale Theorien auf, dass die Flüchtlinge alle kriminell sind. Dahinter wiederum verbarg sich die Tatsache, dass es Menschen gibt, die damit ihre politischen Süppchen zu kochen versuchten. Und das wollten wir verhindern. Wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, stimmten all diese in die Welt gesetzten Gerüchte natürlich nicht. Es ist ja keineswegs so, dass alle Flüchtlinge, die zu uns kommen, kriminell sind. Das Gegenteil ist der Fall. Bei den Kriminellen handelt es sich um eine verschwindend kleine Minderheit, die allerdings die Gesamtheit der Flüchtlinge in Misskredit zu bringen drohte.
Es handelte sich also letztlich um eine Kombination von Gründen, aus denen wir die Sonderkommission ins Leben gerufen haben. Verbunden war damit auch der Wunsch, der Bevölkerung zu signalisieren, dass wir unseren Schutzauftrag wahrnehmen und ernst nehmen. Denn das ist schließlich die eigentliche Aufgabe der Polizei: Sie ist es, die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren hat. Gleichzeitig war es uns aber auch sehr wichtig, den Menschen zu verdeutlichen, dass wir sehr differenziert an die Sache herangehen. In keinem Moment ging es uns darum, Menschen aus bestimmten Herkunftsländern an den Pranger zu stellen oder sie per se als Kriminelle zu stigmatisieren. Es war und ist uns vielmehr vollkommen egal, mit welchen Nationalitäten wir es zu tun haben. Es sind alles Menschen, und ich habe immer wieder betont, dass es keine kriminellen Völker gibt.
Es handelt sich vielmehr um Kriminelle, die im Strom der Asylsuchenden mit eingereist sind. Es sind also Menschen, die zu uns gekommen sind und die Straftaten begehen. Daher werden sie auch wie Straftäter behandelt.
Genau diese sehr begrenzte, aber auch sehr auffällige Gruppe innerhalb des Flüchtlingsstromes ist das Problem gewesen, das wir hier gehabt haben und immer noch haben.
Hinzu kam, dass sich aufgrund der zunehmenden Diebstähle in den Innenstadtgeschäften und den Vorkommnissen in dem Stadtteil Kralenriede der »Einsatztakt« unserer Kolleginnen und Kollegen der Schutzpolizei enorm erhöhte. Ferner die teilweise Gewaltbereitschaft einiger Straftäter und der Frust, dass sie diese, auch nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft, nach der Vernehmung – Personalien standen ja sowie nie fest – wieder laufen lassen mussten, um sie zwei Stunden später wieder aus irgendeinem Geschäft nach einem erneuten Diebstahl abholen zu müssen. Damit war, wie man so sagt, der Rubikon überschritten, und wir sahen erhöhten Handlungsbedarf.
Aber genau das haben viele anfangs überhaupt nicht verstanden. Wir wurden beschimpft, dass wir gegen Ausländer ermitteln, und dass wir uns damit nur um eine Seite eines Problems kümmern würden. Die Rechten wiederum haben uns ganz andere Dinge vorgeworfen – dass wir etwa nicht mehr darauf achten, was diese Ausländerkriminalität für die Bevölkerung bedeutet.
Aus diesem Grund haben wir irgendwann gesagt, und das muss auch die Maxime der deutschen Polizei sein: Dass unabhängig von Ethnie ermittelt wird – genau das und nichts anderes haben wir hier gemacht. Wir behandeln diese Menschen wie deutsche Straftäter oder Straftäter aus Ländern, die nicht zu den typischen Herkunftsländern der Flüchtlinge zählen.
Dass es sich zunächst ausschließlich um den Personenkreis aus der Landesaufnahmestelle handelte, hängt einfach damit zusammen, dass wir aufgrund der großen Menge der Menschen, die da durchgereicht werden, insbesondere dort mit Straftätern zu tun gehabt haben. Es hätten aber auch ganz andere Gruppen sein können.
Aber kehren wir noch einmal zu der grundsätzlichen Situation in Braunschweig zurück, die schließlich zu der Gründung der Soko führte. Zu Beginn des Jahres bemerkten wir, dass es einen massiven Anstieg von Straftaten gegeben hatte. Das galt besonders für den innerstädtischen Bereich und für den Stadtteil Kralenriede, der sich in unmittelbarer Nähe zu der Landesaufnahmestelle befindet. Dieser Stadtteil liegt im Norden Braunschweigs und zeichnete sich bislang durch einen eher beschaulichen Alltag aus. In Kralenriede finden sich vor allem Einfamilienhäuser, insgesamt leben dort kaum mehr als 3 000 Menschen, und für die Polizei ist dort normalerweise recht wenig zu tun. Es ist ein gutbürgerlicher Stadtteil mit gutsituierten Bewohnern.
Nun aber waren die Zahlen der Einbrüche regelrecht explodiert – jedenfalls im Vergleich mit der zuvor fast zu vernachlässigenden Zahl derartiger Delikte. Wir haben das Problem zunächst mit Bordmitteln zu bekämpfen versucht, also mit den üblichen Mitteln polizeilicher Arbeit. Das jedoch ist uns nicht gelungen. Der nächste und eigentlich nur logische Schritt bestand dann in der Einrichtung einer Sonderkommission.
Von Anfang an allerdings gab es dabei ein Problem, das sich seitdem kaum verändert hat: Dass man nämlich über das Thema der Kriminalität von Flüchtlingen in diesem Land nicht so gerne spricht. Wer es trotzdem tut, setzt sich damit auch der Gefahr aus, dass er auf die rechtsradikale Schiene gesetzt wird. Was jedoch vollkommener Unsinn ist. Ich weiß, dass weder ich noch meine Kollegen von der Soko solche oder ähnliche Gedanken im Hinterkopf haben. Es mag sein, dass ich mich wiederhole, aber uns ging und geht es lediglich darum, dass wir Straftaten verhindern wollen, weil genau das und nichts anderes unsere Aufgabe ist. Und ich muss es erneut betonen: Niemand sollte überrascht sein, dass unter einer großen Anzahl von Menschen immer auch Kriminelle zu finden sind. Im Jahr 2015 sind mehr als eine Million Flüchtlinge in Deutschland angekommen. Das entspricht ungefähr der Einwohnerzahl einer Großstadt wie Köln. Ist Köln eine kriminelle Stadt? Nein, auch nicht nach den Vorfällen von Silvester. Hier hat sich eine kriminelle Horde ausgetobt und schweren Schaden in der Flüchtlingsfrage angerichtet.
Andersherum gefragt: Gibt es unter den Bürgern Kölns auch einige kriminelle Subjekte? Auf jeden Fall. Weil es bei der großen Zahl an Einwohnern einfach vollkommen normal ist, dass nicht jeder das Gesetz in jeder Minute befolgt, und weil es sicher einige gibt, die mit Kriminalität ihr Geld verdienen wollen. Genau wie es bei einer sehr begrenzten Zahl von Flüchtlingen der Fall ist. Weil sich unter einer Summe X von Menschen immer Kriminelle befinden. Das ist eine Tatsache, die jeder Soziologe bestätigen kann und bestätigen wird. Genau das haben wir hier in Braunschweig festgestellt, und deswegen gehen wir gegen diesen Personenkreis vor – nichts anderes machen wir. Ich selber bin jetzt seit mehr als 41 Jahren bei der Polizei, und so ist das, was hier geschieht, auch überhaupt keine Überraschung für mich. Was mich dagegen wirklich überrascht, ist der Umstand, dass andere genau das noch gar nicht bemerkt haben.
Was ein solches Vorgehen gegen Kriminalität von Flüchtlingen aber tatsächlich bewirken kann, das zeigt auch die Kriminalitätsstatistik. Weil es sich...