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Sozialkapital und Wohlfahrtsstaat

Wirkungen und Wechselwirkungen zwischen sozialem Kapital und dem Wohlfahrtsstaat auf Basis von Rational Choice

AutorSteffen Kroggel
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl124 Seiten
ISBN9783836625982
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis33,00 EUR
Soziales Kapital, das vor allem in sozialen Netzwerken entsteht, hat eine Vielzahl von positiven Rückwirkungen auf die Gesellschaft. Einige Autoren betrachten Sozialkapital sogar als das lange gesuchte Substitut für den Wohlfahrtsstaat, da im sozialen Kapital letztlich die "Selbsthilfekräfte" einer Gesellschaft zum Ausdruck kämen, mit denen der kostspielige Wohlfahrtsstaat überwunden werden könne.

Wie jüngere Untersuchungen jedoch zeigen, hat Sozialkapital nicht nur positive Wirkungen: Ebenso kann es unter bestimmten Umständen zu gesellschaftlicher Fragmentierung und gegenseitigem Misstrauen führen. Dies sind Wirkungen, die mit den Grundgedanken des Wohlfahrtsstaates eher unvereinbar sind. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dieser Ambivalenz in den Wirkungen Sozialen Kapitals. Auf Basis von Rational Choice wird dabei die Frage aufgeworfen, ob Sozialkapital tatsächlich dazu geeignet erscheint, den Wohlfahrtsstaat zu ersetzen und nach bestehenden Wechselwirkungen zwischen dem Wohlfahrtsstaat und Sozialem Kapital gefragt.

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Leseprobe
Kapitel 4.2.2, Weak Ties

Im Gegensatz zu strong ties sind weak ties eher lockere Beziehungen. Mit anderen Worten: Die Dichte sowie die Stärke der Pfade zwischen den relevanten Akteuren sind bei weak ties sehr gering. Weak ties verbinden Akteure, die sonst nicht oder nur über ungleich längere Beziehungspfade verbunden wären und stellen somit Brücken („bridges“) zwischen Akteuren dar, die unterschiedlichen Netzwerken angehören. Das Konzept der bridges von Haray, Norman &, Cartwight auf das Granovetter hier rekurriert, beschreibt auf struktureller Ebene die Verbindungen zwischen Akteuren innerhalb eines Netzwerkes, wobei bridges per Definition zunächst nur dort vorliegen, wo die betrachtete Verbindung zwischen zwei Akteuren die einzige Verbindung zwischen diesen Akteuren darstellt. Granovetter erweitert dieses Konzept dahingehend, dass er durch die Einführung sogenannter local bridges den Anwendungsbereich des Konzeptes vergrößert, indem er anstelle der absoluten Anzahl der Verbindungen zwischen zwei Akteuren die relative Bedeutung einer Verbindung für die relevanten Akteure als Definitionsmerkmal einer bridge (bzw. local bridge) heranzieht.

„I will refer to a tie as a ‚local bridge of degree n’ if n represents the shortest path between its two points (other than itself), and n >, 2.[…] As with bridges in a highway system, a local bridge in a network will be more significant as a connection between two sectors to the extent that it is the only alternative for many people – that is, as its degree increases.“ Mit Hilfe des Konzeptes der local bridges lässt sich somit der Wert einer lockeren Verbindung zwischen zwei Akteuren über den kürzestmöglichen alternativen Pfad zur betrachteten local bridge beschreiben. Der Nutzen einer Verbindung zwischen zwei Akteuren ist daher eine Funktion ihrer Pfadlänge im Vergleich zum nächstlängeren, ebenfalls wählbaren Pfad zwischen diesen Akteuren. Hier liegt die Annahme zu Grunde, dass mit steigender Pfadlänge auch die Kosten der Informationsweitergabe ansteigen und daher für rationale Akteure der Nettonutzen eines Pfades mit steigender Pfadlänge abnimmt (vgl. ebenda). Für Akteure ist es daher rational, local bridges als Mittel zur Verkürzung der Pfade zu nutzen. Weak ties – definiert als local bridges – reduzieren somit die Transaktionskosten und erleichtern den Informationsfluss zwischen den Akteuren. Sie überbrücken die Grenzen des Netzwerkes und tragen somit Informationen von außerhalb in das Netzwerk hinein. Zudem sind weak ties – quasi per Definition – hinsichtlich der von ihnen übertragenen Informationen nicht homogen und haben somit ein hohes Informationspotential für die Akteure.

Da es sich bei weak ties um lockere Verbindungen zwischen Akteuren handelt, ist die Pflege dieser Beziehungen auch weniger zeitintensiv. Weak ties neigen daher nicht zu sozialer Schließung und verbinden tendenziell eher heterogene Akteure, indem sie unterschiedliche Netzwerke verknüpfen. Weak ties überbücken so größere soziale Distanzen und erreichen tendenziell mehr Akteure als strong ties. Zugleich sind weak ties weniger stabil und unterliegen einem stärkeren Wandel als strong ties, wobei die Fluktuation der Verbindungen letztlich das Informationspotential von weak ties nicht einschränkt, sondern eher bewahrt.

Überträgt man diese Überlegungen von der spezifischen Ressource Information auf Ressourcen allgemein – und damit auf das soziale Vermögen eines Netzwerkes – so erscheint es plausibel davon auszugehen, dass in Netzwerken mit bestehenden weak ties der Zugriff auf Ressourcen anderer Akteure außerhalb des Netzwerkes relativ leicht möglich und damit das soziale Vermögen des Netzwerkes entsprechend hoch ist. Da die Kontaktdichte innerhalb von weak ties geringer ist, sind weak ties hinsichtlich der Geschwindigkeit des Zugriffs auf die Ressourcen der Akteure zwar weniger effizient als strong ties, zugleich sind sie jedoch hinsichtlich der bereitgestellten Ressourcen weit heterogener, weil sie unterschiedliche Netzwerke miteinander verbinden. Es ist daher davon auszugehen, dass weak ties Ressourcen bereitstellen, die innerhalb des Netzwerkes nicht zur Verfügung stehen und so das soziale Vermögen des Netzwerkes durch die Heterogenität der Ressourcen erhöhen. Darüber hinaus weisen weak ties eine geringere Stabilität auf – und damit eine höhere Fluktuation der Verbindungen und Ressourcen – als strong ties. Analog zu neuen Informationen haben die durch weak ties bereitgestellten Ressourcen daher für Akteure tendenziell einen hohen Wert. Der geringere Zeitaufwand für die Pflege lockererer Verbindungen ermöglicht Akteuren zudem die Aufrechterhaltung mehrerer weak ties zur gleichen Zeit, was – die vorangegangenen Annahmen vorausgesetzt – wiederum das soziale Vermögen des Netzwerkes erhöht, dem der Akteur angehört. Es erscheint daher plausibel davon auszugehen, dass weak ties tendenziell mehr soziales Vermögen bereitstellen können als strong ties, weil sie auch über Netzwerke hinweg Ressourcen zugänglich machen und so die Heterogenität der Ressourcen sicher stellen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis3
Abbildungsverzeichnis6
Tabellenverzeichnis6
1.) Einleitung7
2.) Die Grundannahmen: Das Rational Choice - Modell und Institutionen13
2.1.) Das Rational Choice - Modell – ein kurzer Überblick13
2.2.) Reduktion strategischer Unsicherheit durch Institutionen17
3.) Sozialkapital: Definition, Funktion, Produktion und Destruktion21
3.1.) Mikro- und Makroebene: Sozialkapital und Sozialvermögen21
3.2) Sozialvermögen und Sozialkapital – Definition und Funktion22
3.3.) Vertrauen als konstitutives Element sozialen Kapitals26
3.4.) Faktoren der Produktion und Destruktion sozialen Vermögens30
3.4.1.) Institutionen31
3.4.2.) Sozialkapital33
3.4.3.) Information34
3.4.4.) Sozialstruktur35
3.5.) Zusammenfassung: Fünf Kern-Thesen zu Sozialkapital und Sozialvermögen36
4.) Ambivalenzen sozialen Vermögens: Definition und Wirkung von Bonding & Bridging Social Capital37
4.1.) Die Gruppengröße: Rivalität um Ressourcen39
4.1.1.) Die Exklusivität kleiner Gruppen40
4.1.2.) Die Inklusivität großer Gruppen43
4.2.) Die Beziehungsstärke: Homogenität der Ressourcen45
4.2.1.) Strong Ties46
4.2.2.) Weak Ties48
4.3.) Die Position im Netzwerk: Redundanz der Ressourcen50
4.3.1.) Informationsvorteile51
4.3.2.) Kontrollvorteile53
4.4.) Größe, Stärke und Position: Bonding und Bridging Social Capital55
4.4.1.) Definition und Wirkung von Bonding Social Capital56
4.4.2.) Definition und Wirkung von Bridging Social Capital58
4.4.3.) Bonding und Bridging Social Capital als Idealtypen59
4.5.) Zusammenfassung: Fünf Kern-Thesen zu Bonding und Bridging Social Capital61
5.) Der Wohlfahrtsstaat: Definition und Wirkung63
5.1.) Soziale Rechte als konstitutives Merkmal des Wohlfahrtsstaates65
5.1.1.) Der Rechtsbegriff65
5.1.2.) Der Wohlfahrtsstaat als Problem der Allokation und Distribution von Gütern69
5.2.) De-Kommodifizierung und Ent-Stratifizierung als zentrale Wirkungendes Wohlfahrtsstaates73
5.2.1.) De-Kommodifizierung74
5.2.2.) Ent-Stratifizierung80
5.2.3.) De-Kommodifizierung und Ent-Stratifizierung als idealtypische Wirkungen86
5.3.) Fünf Kern-Thesen zum Wohlfahrtsstaat88
6.) Soziales Vermögen und der Wohlfahrtsstaat: Wirkungen und Wechselwirkungen89
6.1.) Soziales Vermögen als funktionales Äquivalent wohlfahrtsstaatlicher Regulierung?89
6.1.1.) Bonding Social Capital ...90
6.1.2.) Bridging Social Capital ...96
6.1.3.) Bridging Social Capital als bedingtes Substitut des Wohlfahrtsstaates102
6.2.) Der Wohlfahrtsstaat als Determinante sozialen Vermögens104
6.2.1.) De-Kommodifizierung durch den Wohlfahrtsstaat und Bridging Social Capital105
6.2.2.) Ent-Stratifizierung durch den Wohlfahrtsstaat und Bridging Social Capital107
6.2.3.) Rückwirkungen von Bridging Social Capital auf den Wohlfahrtsstaat108
7.) Fazit und Ausblick111
8.) Literaturverzeichnis117
Autorenprofil122

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