Kapitel 1 Kindheit: Verlassen und auserwählt
Paul Jobs mit Steve, 1956
Das Haus in Sunnyvale mit der Garage, in der Apple geboren wurde
Im Jahrbuch der Homestead High, 1972
Mit dem »SWAB JOB«-Laken, das sie vom Balkon der Schule herunterließen, als die Abschlussklasse vorbeimarschierte (zusammen mit Allen Baum)
Die Adoption
Als Paul Jobs Ende des Zweiten Weltkrieges aus der U. S. Coast Guard (Küstenwache) entlassen wurde, schloss er mit seinen Mannschaftskameraden eine Wette ab. Sie waren in San Francisco angekommen, wo ihr Schiff zur Ausmusterung vor Anker ging, und Paul wettete, dass er innerhalb von zwei Wochen eine Ehefrau finden würde. Er war ein schmucker tätowierter Triebwerkmechaniker, etwa 1,82 Meter groß, und hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit James Dean. Doch nicht sein Aussehen verschaffte ihm ein Date mit Clara Hagopian, der charmanten Tochter armenischer Einwanderer. Es war die Tatsache, dass er und seine Freunde im Gegensatz zu der Gruppe, mit der Clara ursprünglich an diesem Abend hatte ausgehen wollen, einen Wagen zur Verfügung hatten. Im März 1946, zehn Tage nach dem Treffen, verlobte sich Paul mit Clara und gewann seine Wette. Es wurde eine glückliche Ehe, die erst 40 Jahre später durch den Tod getrennt wurde.
Paul Reinhold Jobs war auf einem Milchbauernhof in Germantown, Wisconsin, aufgewachsen. Obwohl sein Vater Alkoholiker war und manchmal gewalttätig wurde, entwickelte sich Paul, auch wenn er eine raue Schale besaß, zu einem liebenswürdigen, ruhigen Menschen. Nachdem er die Highschool abgebrochen hatte, war er durch den Mittleren Westen gewandert und hatte als Mechaniker gearbeitet. Im Alter von 19 Jahren ging er zur Küstenwache, obwohl er nicht schwimmen konnte. Er wurde auf der USS M. C. Meigs eingesetzt und verbrachte einen Großteil des Krieges damit, für General Patton Truppen nach Italien überzusetzen. Seine Begabung als Maschinist und Heizer brachte ihm Lob ein, doch gelegentlich geriet er in Schwierigkeiten und schaffte letztendlich nie einen höheren Rang als den des Matrosen.
Clara kam in New Jersey zur Welt, wo ihre Eltern gelandet waren, nachdem sie aus Armenien geflohen waren. Als sie noch ein Kind war, zogen sie nach San Francisco, Mission District. Als junge Frau hatte sie ein Geheimnis, das sie selten jemandem verriet: Sie war schon einmal verheiratet gewesen, doch ihr Mann war im Krieg gefallen. Als sie Paul Jobs das erste Mal traf, war sie bereit, ein neues Leben zu beginnen.
Wie viele Menschen, die den Krieg erlebt hatten, wollten Paul und Clara nach Kriegsende einfach wieder ein normales Leben führen, eine Familie gründen und in Ruhe leben. Sie besaßen wenig Geld. Also gingen sie nach Wisconsin und wohnten ein paar Jahre bei Pauls Eltern. Danach zogen sie nach Indiana um, wo er einen Job als Mechaniker bei International Harvester bekam. Er bastelte leidenschaftlich gern an alten Autos herum und verdiente sich in seiner Freizeit Geld, indem er sie reparierte und verkaufte. Schließlich gab er seinen Job auf und arbeitete als Verkäufer von Gebrauchtwagen.
Clara jedoch liebte San Francisco. 1952 überredete sie ihren Mann, dorthin zurückzuziehen. Sie mieteten eine Wohnung im Sunset District mit Blick auf den Pazifik, südlich des Golden Gate Park. Paul arbeitete für ein Finanzunternehmen als »Repo man« (Geldeintreiber), das heißt, er knackte die Türschlösser von Autos, deren Besitzer die Raten nicht gezahlt hatten, und nahm die Autos wieder in Besitz. Er kaufte, reparierte und verkaufte auch einige der Autos und schuf sich damit ein ordentliches Einkommen.
Doch etwas fehlte in ihrem Leben. Sie wollten Kinder. Clara hatte allerdings eine Bauchhöhlenschwangerschaft hinter sich, bei der das befruchtete Ei sich im Eileiter eingenistet hatte statt in der Gebärmutter. Sie konnte keine Kinder mehr bekommen. 1955, nach neun Ehejahren, versuchten sie, ein Kind zu adoptieren.
So wie Paul Jobs stammte auch Joanne Schieble aus einer deutschstämmigen Farmerfamilie aus Wisconsin. Ihr Vater Arthur Schieble war in einen Außenbezirk von Green Bay gezogen, wo er und seine Frau eine Nerzfarm besaßen. Er versuchte sich aber auch erfolgreich in verschiedenen anderen Geschäftszweigen, von Immobilien bis zum Lichtdruckverfahren. Er war sehr streng, insbesondere was die Beziehungen seiner Tochter anbetraf; ihre erste Liebe, einen Künstler, der nicht katholisch war, hatte er strikt abgelehnt. So war es nicht verwunderlich, dass er drohte, Joanne fallen zu lassen, als sie sich als Studentin an der University of Wisconsin in Abdulfattah »John« Jandali verliebte. Er stammte aus einer angesehenen syrischen Familie und war das jüngste von neun Kindern. Sein Vater besaß Ölraffinerien und betrieb jede Menge anderer Geschäfte. Außerdem hatte er ausgedehnten Grundbesitz in Damaskus und Homs und kontrollierte zeitweise sogar den Weizenpreis im Umland von Green Bay. Wie die Familie Schieble legten die Jandalis größten Wert auf die Erziehung. Von Generation zu Generation waren Familienmitglieder zum Studium nach Istanbul oder an die Sorbonne gegangen. Abdulfattah Jandali wurde, obwohl er Muslim war, auf ein von Jesuiten geführtes Internat geschickt, machte seinen Bachelor an der American University in Beirut, besuchte dann die University of Wisconsin, wo er den Master anstrebte und als Lehrassistent in Politikwissenschaft arbeitete.
Im Sommer 1954 reiste Joanne mit Abdulfattah nach Syrien. Sie verbrachten zwei Monate in Homs, wo sie von seiner Familie die Zubereitung syrischer Gerichte lernte. Als sie nach Wisconsin zurückkehrten, stellte Joanne fest, dass sie schwanger war. Sie waren beide 23, beschlossen aber, nicht zu heiraten, da Joannes Vater im Sterben lag und gedroht hatte, sie zu enterben, wenn sie Abdulfattah heiratete. Eine Abtreibung war in einer kleinen katholischen Gemeinde erst recht keine Option, und so reiste Joanne im Frühjahr 1955 nach San Francisco, wo sie von einem freundlichen Doktor betreut wurde, der ledigen Müttern Obdach bot, ihre Kinder zur Welt brachte und Adoptionen vermittelte.
Joanne stellte eine Bedingung: Ihr Kind sollte von Akademikern adoptiert werden. Der Arzt sorgte also dafür, dass das Baby zu einem Anwalt und dessen Frau kam. Als am 24. Februar 1955 ein Junge zur Welt kam, beschloss das als Adoptiveltern ausgesuchte Paar, dass es ein Mädchen wollte, und trat vom Vertrag zurück. So wurde der Junge also nicht der Sohn eines Anwalts, sondern eines Highschool-Abbrechers mit einer Leidenschaft für die Mechanik und seiner geistvollen, als Buchhalterin tätigen Frau. Paul und Clara nannten ihr neues Baby Steve Paul Jobs.
Nach wie vor bestand jedoch das Problem, dass Joanne für ihr Kind Akademiker als Adoptiveltern forderte. Als sie herausfand, dass der Junge bei einem Paar untergebracht worden war, das keinen Highschool-Abschluss besaß, weigerte sie sich, die Adoptionspapiere zu unterzeichnen. Selbst nachdem das Baby in die Familie Jobs integriert war, schwelte das Problem noch wochenlang. Schließlich gab Joanne unter der Bedingung nach, dass das Paar verspreche, ja schriftlich festlege, dass es einen Fonds einrichten und den Jungen aufs College schicken werde.
Es gab noch einen weiteren Grund, weshalb Joanne davor zurückschreckte, die Adoptionspapiere zu unterzeichnen. Sie hatte vor, Jandali bald nach dem Tod ihres Vaters zu heiraten. Sie hegte die Hoffnung – wie sie später Familienmitgliedern berichtete, wobei sie manchmal sogar in Tränen ausbrach –, dass sie ihr Baby nach der Heirat zurückbekommen würde.
Arthur Schieble starb im August 1955, ein paar Wochen nach Abschluss der Adoption. Kurz nach Weihnachten desselben Jahres heirateten Joanne und Abdulfattah Jandali in der katholischen Kirche St. Philip the Apostle in Green Bay. Im Jahr darauf promovierte Jandali in internationaler Politik, und sie bekamen ein weiteres Kind, ein Mädchen namens Mona.
Nachdem sich Joanne und Jandali 1962 scheiden lassen hatten, führte Joanne ein traumhaftes, turbulentes Leben, das ihre Tochter Mona Simpson, die eine bekannte Autorin werden sollte, in ihrem ergreifenden Roman Anywhere But Here (Überall, nur nicht hier) schilderte. Da Steve aber anonym zur Adoption freigegeben worden war, sollte es 20 Jahre dauern, bis sie einander fanden.
Steve Jobs erfuhr bereits sehr früh, dass er ein Adoptivkind war. »Meine Eltern sprachen offen mit mir darüber«, sagte er. Er erinnerte sich lebhaft, wie er mit sechs oder sieben auf dem Rasen ihres Hauses saß und es dem Mädchen erzählte, das auf der anderen Straßenseite wohnte. »Soll das heißen, dass dich deine richtigen Eltern nicht gewollt haben?«, erkundigte sich das Mädchen. »Das traf mich wie ein Blitz«, so Jobs. »Ich weiß noch, wie ich ins Haus rannte und weinte. Und meine Eltern sagten: ›Wir müssen es dir erklären.‹ Sie waren sehr ernst und sahen mich eindringlich an. Dann erklärten sie mir: ›Wir haben speziell dich ausgesucht.‹ Mein Vater und meine Mutter wiederholten diesen Satz langsam für mich. Und sie betonten jedes Wort.«
Verlassen. Auserwählt. Speziell. Diese Begriffe wurden Teil dessen, was Jobs war und wie er sich selbst sah. Seine engsten Freunde sind der Meinung, dass das Bewusstsein, nach der Geburt weggegeben worden zu sein, Narben bei ihm hinterlassen habe. »Ich glaube, sein Verlangen nach völliger Kontrolle bei allem, was er tut, leitet sich direkt von seiner Persönlichkeit ab und der Tatsache, dass er direkt nach der Geburt von seiner Mutter zur Adoption...