Klaus Siblewski: Im folgenden Gespräch soll es um Arbeit gehen. Wann arbeitest du. Unter welchen Bedingungen gehst du deiner Arbeit nach. Wann macht es dir Freude zu arbeiten, wann nicht. Diese allgemeinen Fragen wollte ich in dieser Form nicht stellen. Ich habe mir überlegt, den Ort der Arbeit in den Mittelpunkt unseres Gesprächs zu nehmen, den Schreibtisch, und möchte herausfinden, was dort passiert. Ist dir das recht, auf diese Weise vorzugehen?
Terézia Mora: Ja, das ist mir recht.
Meine erste Frage lautet, wie näherst du dich deinem Schreibtisch?
Dazu sei Folgendes gesagt. Ich habe im Grunde keinen Tisch für mich. Oder hatte lange keinen Tisch. Als ich ein Kind bekam, habe ich gesagt, ich möchte einen Schreibtisch haben. Das hat dazu geführt, dass mein Mann und ich jetzt ein Büro haben, in dem jeder wiederum sein eigenes Büro hat. Und in diesem Büro steht der Schreibtisch. An diesem Schreibtisch arbeite ich aber im Schnitt nur einen Tag in der Woche. Die restlichen Tage sitze ich am Esstisch in der gemeinsamen Familienwohnung. Dieser Tisch steht in der Mitte der Wohnung, ich muss mich ihm nicht auf besondere Weise nähern, weil er immer da ist. Zum Schreibtisch im Büro müsste ich eigens hinübergehen. Das tue ich nur, wenn es unbedingt sein muss, zum Beispiel, wenn in der Familienwohnung zu großes Chaos herrscht. Um mich von diesem Chaos zu separieren, gehe ich hinüber, ansonsten bleibe ich am Esstisch – und der steht ohnehin immer im Weg. Er ist von allem, was in dieser Wohnung möglich ist zu tun, nicht weit weg.
Gibt es innere Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit du dich an diesen Tisch setzt? Oder steht dieser Tisch vielleicht sogar deshalb immer im Weg, damit du gar keinen Grund benötigst, dich an ihn zu setzen. Er fängt dich ab und zwingt dich zum Hinsetzen.
Also, es ist Folgendes: Wenn die Welt gerecht wäre oder bequem, dann würde ich leben wie noch als Studentin. Da bestand mein Leben aus einem Zimmer, in dem lag eine Matratze auf dem Boden, und es stand da ein Tisch. Dieser Tisch stand auf zwei Böcken und darauf war eine Platte. Das heißt, es gab in meinem Leben nur das. Aber so ist es heute nicht mehr. Heutzutage ist es so, dass ich das Gefühl habe, ich stehe morgens auf und ab diesem Moment hindert man mich daran, an den Schreibtisch zu kommen, im Büro, in der Wohnung oder irgendwo sonst. Heute Früh zum Beispiel habe ich zwei Stunden voller Panik damit verbracht, meinen Kalender nach verabredeten Terminen durchzuschauen und versucht mir zu vergegenwärtigen, was ich alles machen muss. Diese Termine treiben mich in den Wahnsinn. Heute Morgen habe ich dann überall Kopp eingetragen (Kopp ist die Hauptfigur der Romane »Der letzte Mann auf dem Kontinent« und »Das Ungeheuer«, einer Trilogie, an deren Schlussband Terézia Mora arbeitet), wo noch keine Termine standen. Das schien zuerst eine gute Idee zu sein, aber dann wurde es doch verquer. Ich geriet noch mehr in Panik, weil ich die anderen Arbeiten erst machen muss. – Wäre die Welt also gerecht oder bequem, verliefe mein Leben folgendermaßen: Ich stehe auf, gehe an den Tisch, frühstücke ein bisschen und fange schon einmal an zu schreiben, und schreibe und schreibe, bis ich dann wieder Hunger habe, und dann gehe ich zwei Schritte in die Küche und hole mir wieder etwas zu essen und dann schreibe ich weiter und so weiter. Aber so ist es nicht. Ich muss ganz im Gegenteil Raum und Zeit freischaufeln. Manchmal muss ich mich regelrecht auf die Arbeit einschwören: Ich werde mich an diesen Tisch setzen und mich nicht wieder vom Schreiben abhalten lassen. Und aus diesem Grund hat sich, glaube ich, die Esstischgeschichte entwickelt. Der Weg vom Haus mit der Wohnung zu dem anderen Haus mit dem Büro ist zu lang. Ich könnte unterwegs abgefangen und vom Schreiben abgehalten werden. Deshalb gleich an den Esstisch.
Und in der Wohnung: Ist es in der eigenen Wohnung nicht einfacher, dich zu unterbrechen?
Tagsüber nicht, da ist ja keiner. Mein Mann geht in sein Büro und arbeitet dort, die Tochter geht in die Schule. Die Vormittage sind gesichert. Sobald aber die Tochter nach Hause kommt, ist es mit dem Arbeiten vorbei. Dafür gibt es dann das Büro. Falls es absolut drängt, kann ich rübergehen.
Kleidung und Schreiben: Ziehst du etwas Besonderes zum Schreiben an?
Ich kenne eine Autorin, die sich Straßenkleider und Schuhe anzieht und sich schminkt. Bei mir gibt es das alles NICHT. Also, man darf sich das so lässig wie nur möglich vorstellen. Das Schlimme ist nur der Paketbote. Wenn einer bei mir klingelt, und sie tun das, weil sie wissen, dass ich immer da bin, dann habe ich meistens irgendwelche Lumpen an, die ich gerade gefunden habe. Je lumpiger sogar, umso besser. Ich will mich mit Kleidungsfragen nicht beschäftigen. Hauptsache, was ich trage, stinkt nicht.
Würde es dich umgekehrt am Arbeiten hindern, wenn du, bevor du beginnen willst, deine Haare ondulieren und dich schminken müsstest?
Schminken – na super. Ich weiß, es gibt Leute, die das tun, weil sie es brauchen, um sich aufrecht halten zu können. Mich würde das wahnsinnig machen. Wenn ich mir die Haare ondulieren müsste, bevor ich schreiben darf, dann würde ich sagen: Hol’s der Teufel, dann schreibe ich lieber nicht.
Muss der Stuhl, auf dem du am Schreibtisch sitzt, ein besonderer sein und muss dieser Stuhl immer exakt an der gleichen Stelle stehen?
Nein. Da steht ja dieser Esstisch. Und ich setze mich auf einen der Stühle, auf denen jeder von uns in der Familie sitzt. Diese Stühle sind relativ bequem. Das Platznehmen und der Beginn der Arbeit laufen meistens gleich ab. Ich schiebe das, was auf dem Tisch steht, beiseite. Das ist meistens der Kram vom ganzen Tag davor. Dann zerre ich den Laptop, der ein Drittel des Esstisches einnimmt und blockiert (ich räume den nicht weg), vor mich hin, nehme einen Stapel Papier und lege den daneben. Dann geht es los. Ich achte darauf, den Aufwand so gering wie möglich zu halten. Das Ganze ist so wenig durchdesignt wie möglich. Im Grunde sitze ich da zwischen einem Haufen Müll und schreibe.
An diesem Tisch, der auch ein Esstisch ist, wird tatsächlich auch gegessen.
Na klar. Wenn meine Familie da ist, isst sie an diesem Tisch. Dann werden mein Laptop und meine Papiere wieder beiseitegeschoben. Die Familie isst, lässt alles stehen, geht weg, und ich schiebe dann, was dort steht, zur Seite (respektive räume es auch mal weg und wische die Flecken auf) und suche das Notwendige zum Schreiben zusammen.
Frage nach der Uhrzeit: Wann genau arbeitest du? Wann arbeitest du am liebsten?
Immer. Die ideale Situation wäre, vom Bett zum Schreibtisch zu gehen, dort so lange wie möglich zu bleiben und von dort wieder zurück ins Bett. Geht aber nicht.
Unter den nichtidealen Verhältnissen: Gibt es Zeiten, die das Arbeiten erleichtern?
Ich versuche es am Vormittag. Die Erfahrung hat gezeigt, dass ich aus dem Mittagstief normalerweise nicht mehr herauskomme, der Nachmittag ist komplett verloren. Dann komme ich abends gegen acht wieder hoch, aber das ist mir auch genommen, weil mein Kind mir mitgeteilt hat, das laufe nicht, ich müsse mich mit ihr beschäftigen, bis sie schläft. Also der Vormittag. Am Vormittag von acht bis eins und nicht länger, weil ich bis dahin schon halb verhungert bin. – Das spricht auch gegen den Schreibtisch in der Arbeitswohnung. Wenn ich dort arbeite, gibt es dort nichts zu essen. Von meinem Tisch zu Hause, kann ich, wenn ich Hunger habe, aufstehen und mir aus der Küche etwas holen. Ein Vorteil.
Und der Esstisch bleibt immer an derselben Stelle stehen?
Er muss dort stehen, weil an keiner anderen Stelle in der Wohnung Platz dafür ist. Dort steht er und bleibt dort stehen. Der Schreibtisch im Büro könnte bewegt werden, aber dort kommt niemand auf die Idee, ihn zu bewegen. Warum auch?
Hast du schon einmal beobachtet, in welcher Richtung der Schatten deiner Hand fällt?
Das ist doch vollkommen egal. Weil ich nicht per Hand auf Papier schreibe. Der Schatten der Hand ist, glaube ich, nicht mehr zeitgemäß, weil der Bildschirm entscheidet, wie du sitzen musst. Wenn du nicht erkennen kannst, was auf dem Bildschirm geschieht, bist du geliefert. Du musst dich im Grunde so hinsetzen, dass du deinen Bildschirm gut sehen kannst.
Kannst du den Bildschirm gut sehen?
Ja.
Vertauschst du gelegentlich den Schreibtisch zu Hause mit dem in Bibliotheken?
Um Gotteswillen, nein! Weder Bibliotheken noch Cafés. Wobei ich einschränkend sagen muss, ich fühle mich unwohl, wenn in einem Hotel kein Schreibtisch steht. Wobei ich an Hotelschreibtischen selten arbeite, weil diese ganze Reiserei und die bevorstehenden Lesungen oder...