Mehr als eine Einleitung
„Der deutsche Privatanleger verlor bei den Kursrückgängen an den Börsen in den vergangenen drei Jahren im Durchschnitt 12.000 Euro.“ Diese Meldung verbreiteten die Nachrichtensender im März 2003. In jenem Monat erreichte der DAX mit Kursen unter 2.300 Indexpunkten ein neues Mehrjahrestief, der EURO STOXX 50 fiel unter die 1.900-Punkte-Marke. 12.000 Euro als Durchschnittswert ist eine recht große Summe, die so manchen Haushalt empfindlich getroffen haben dürfte. Es wird wohl eine Dunkelziffer bleiben, wie viele Jahresgehälter bei dieser Entwicklung tatsächlich vernichtet wurden.
Mittlerweile hat sich eine Stabilisierung an den Märkten durchgesetzt, von einer grundsätzlichen Richtungsänderung kann man aktuell jedoch noch immer nicht ausgehen.
Die Börsen haben sich verändert, die Auswahl der richtigen Aktien zum richtigen Zeitpunkt ist wieder wichtig geworden. Vorbei die Zeiten, in denen man kaufen konnte, was man wollte, und die Gewinne sich von allein einstellten.
Und dennoch, das Traden mit Wertpapieren hat seine Reize nicht verloren. Gestiegen ist die Herausforderung, jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen. Neue Angebote der Finanzdienstleister und schnellere Marktzugänge schaffen immer neue und bessere Möglichkeiten, um im Kampf um Performance zu punkten. Beruflich agierende Marktteilnehmer und Privatinvestoren rücken immer enger zusammen, Unterschiede verwischen zunehmend.
Doch wenn die technischen Rahmenbedingungen immer ähnlicher werden, dann verschiebt sich der Kampf um Gewinne immer stärker in den Bereich des Know-hows. Und somit wird es nicht einfacher für die Anleger, ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Machen wir uns nichts vor: Investieren in Wertpapiere mit dem Ziel, Gewinne zu erwirtschaften, gehört zu einer der wirklich großen Herausforderungen, denen wir uns in unserem Leben stellen können. Doch gerade da die Schranken zu den modernen Schlachtfeldern des Wirtschaftslebens immer weiter fallen, wird der Stellenwert von Wissen und Erfahrung deutlich unterschätzt.
Erfahrungen müssen Sie selbst sammeln, das kann Ihnen niemand abnehmen. Aber das vorliegende Buch kann Ihnen helfen, praktische Grundsteine für Ihr Börsenwissen zu legen. Es wird kein Kinderspiel sein, an der Börse Geld zu verdienen. Und niemand kann Ihnen garantieren, dass Sie nach der Lektüre dieses Buches in der Ersten Liga der Marktteilnehmer mitspielen werden – diese Art von Versprechen überlassen wir anderen.
Was dieses Buch Ihnen versprechen kann, ist die Bereitstellung so umfangreicher Informationen, dass Sie in die Lage versetzt werden, sich durch die chaotischen Bewegungen an den Märkten hindurchzuhangeln, Gewinnchancen zu nutzen, Fallen zu erkennen und Verluste zu begrenzen. Dieses Buch bietet Ihnen eine Stoffsammlung, die nicht nur theoretisches Wissen vermittelt, sondern praxiserprobte Erfahrungswerte bereithält und dabei immer wieder den Bezug zum aktiven Handeln mit Aktien und Futures herstellt. Ziel dieses Buches ist es nicht, Sie in die Lage zu versetzen, eine Aktie fehlerfrei ihrer jeweiligen Branche zuzuordnen, oder auswendig zu lernen, was ein Unternehmen produziert bzw. wie dessen Vorstandsvorsitzender heißt. Ziel dieses Buches ist es, Sie in eine Ausgangslage zu bringen, die Ihnen dabei hilft, Ihre Chancen zu erhöhen, Geld zu verdienen und bei unvermeidlichen Fehl-Trades nur wenig Geld zu verlieren.
Begeben Sie sich nun in die Welt der Börse, der Emotionen, der großen und kleinen Gewinne und Verluste. Dieser Weg besteht – wie jeder andere Weg auch – im Wesentlichen aus drei Teilen: erstens aus dem Entschluss loszugehen, zweitens aus dem Durchhaltevermögen unterwegs nicht Halt zu machen oder umzukehren und drittens aus dem Glück, endlich anzukommen. Die Börse ist eine der letzten wirklichen Herausforderungen und Abenteuer. Stellen Sie sich ihr, und treten Sie in den Kreis derer ein, die man Trader nennt.
Der Trader
„Ein Trader ist das Symbol dessen, was Menschen verbindet – das moralische Symbol für Respekt vor menschlichen Wesen. Wir, die wir von Werten und nicht von der Beute leben, sind Trader – mit Leib und Seele. Ein Trader ist ein Mensch, der verdient, was er bekommt, der nie das Unverdiente gibt oder nimmt. Ein Trader bittet nicht darum, für seine Niederlagen bezahlt oder seine Fehler geliebt zu werden. Ein Trader wirft weder seinen Körper noch seine Seele weg. Er arbeitet nur für materielle Werte und gibt seine inneren Werte – Liebe, Freundschaft, Achtung und Wertschätzung – nur für menschliche Tugendhaftigkeit hin – als Preis für sein eigenes, selbstsüchtiges Vergnügen, das ihm Menschen bereiten, die er respektieren kann. Die mystischen Parasiten, die den Trader schon immer geschmäht und verachtet, die Bettler und Plünderer dagegen verehrt haben, wissen um den heimlichen Grund für ihren Hohn und Spott: Ein Trader ist die Instanz, die sie fürchten: ein gerechter Mensch.“
Ayn Rand
Trading ist kein Spiel…
…und wenn es eines wäre, dann das gefährlichste Spiel der Welt! Mit dem Begriff „Trading“ verbindet sich auch heute noch die Faszination des „schnellen Geldes“ – des Reichtums in kürzester Zeit. Die Medien vermitteln uns über Fernsehen und Presse noch immer den Eindruck, dass es nur auf die entsprechende Hard- und Software ankommt, wir nur die richtige Zeitschrift lesen müssen oder auch nur mit dem Besuch von ein oder zwei Seminaren fit sind, um das am Boden liegende Geld aufsammeln zu können. Der Rest macht sich ganz von allein. In den Buchhandlungen füllen sich die Regale mit Büchern zu diesem Thema. Trading ist auch heute noch ein beliebtes Thema, auch wenn die ungebremste Hausse bereits seit drei Jahren vorbei ist und die Börsen so manchem Anleger das Fürchten gelehrt haben und immer noch lehren.
Trading gibt es schon so lange, wie es Geschäfte an der Börse gibt, und Trading wird es auch in Zukunft geben, solange die Menschen Werte tauschen. Waren es zunächst die „professionellen“ Börsenteilnehmer, die durch ihren direkten Zugang zu den Börsen das Trading durchführen konnten, so eröffneten sich auch bald erste Möglichkeiten für das breitere Publikum, dieser Art des Spekulierens nachzugehen. Schon im Jahr 1900 boten die so genannten Bucket Shops in den größten US-amerikanischen Städten auch dem Privatmann die Möglichkeit, sich dieser Geschäftsform zuzuwenden. Der berühmt gewordene Amerikaner Jesse Livermore begann bereits mit fünfzehn Jahren seine Karriere in einem dieser „Lokale“. Er arbeitete zu dieser Zeit als Kurstafel-Boy bei einem Wertpapier-Broker und wurde über einen jungen Kollegen auf die Bucket Shops aufmerksam gemacht. Die Mittagspausen verbrachte Livermore in diesen „Lokalen“ und verdiente schon bald viel mehr Geld, als er für seine Arbeit in der Brokerfirma bekam.Q1
Der revolutionäre Durchbruch des Tradings erfolgte in den 70er-Jahren mit der Einführung der Personalcomputer. Durch die bessere Datenübertragung und der damit verbundenen Möglichkeit, rascher auf Kursveränderungen reagieren zu können, wurden immer mehr Spekulanten auf die sich bietenden Möglichkeiten aufmerksam und versuchten sich ihr Stück vom Kuchen abzuschneiden. Den jüngsten Siegeszug verdankt das Trading der Entwicklung des Internet. Durch die weltweite Vernetzung wurden der Zugriff auf die Daten der Weltbörsen und die rasche Orderübertragung zu günstigen Konditionen von jedem beliebigen Ort der Welt aus auf ein nie zuvor da gewesenes Niveau gehoben. Nun konnte im Prinzip jeder, der über etwas Geld und einen PC mit Internetanschluss verfügte, als Trader in den Ring treten. Die Barrieren, die bis dahin die Marktteilnehmer in die bevorzugten Profis und die benachteiligten privaten Anleger getrennt hatten, wurden durch den technischen Fortschritt eingerissen.
Die Geschichte des Trading ist in den USA länger als bei uns in Europa und speziell in Deutschland. Hierzulande ist diese Art des Handelns noch relativ jung, obwohl sich diese „Kultur“ nun auch bei uns immer stärker und vor allem besser organisiert durchsetzt. Der Aufschwung kam mit der bisher stärksten Hausse an den Börsen in den Jahren 1997 bis 2000, mit der Platzierung der Aktie der Deutschen Telekom und besonders mit der Schaffung des Neuen Marktes. Mit seiner hohen Volatilität und den damals enormen Gewinnchancen von Einzelaktien wurde der Wachstumsmarkt zu einer Initialzündung und für viele zu einer Art Mekka des Geldverdienens – und später dann zu einem Ort beispielloser Verluste. So genannte Daytrading-Center schossen wie Pilze aus dem Boden und wurden zu wahren Pilgerstätten. Angesichts der Kursrückgänge weltweit ist die Euphorie zwar ein wenig gedämpft worden, dennoch ist der Boom des Tradings ungebrochen. Und wenn es nicht zu einem totalen Kollaps an den Kapitalmärkten kommt, dann steht das Trading heute erst am Anfang seiner herausragenden Entwicklung.
Nach diesen Vorbemerkungen...