Vorwort: Veränderungen als Chance
Themen wie Staatsverschuldung und Bankenkrise fordern heute mehr denn je den unabhängigen und gut ausgebildeten Vermögensverwalter. Je größer die Veränderungen auf den Märkten ausfallen, desto größer ist der Beratungs- und Gesprächsbedarf bei seinen Mandanten. In Zeiten, in denen alles normal und in geordneten Bahnen verläuft, sinkt der Beratungsbedarf, vor allem bei der privaten Klientel, rapide ab. Veränderungen aber positiv anzunehmen und den eigenen Mitarbeitern Wege aufzuzeigen, wie sie sich für die wachsenden Ansprüche und neue Dienstleistungen rüsten und begeistern können – das wird zunehmend zur strategischen Aufgabe, der sich Vermögensverwalter aller Altersgruppen stellen müssen. Ein bedrohlicher Creditcrunch, als unmittelbare Folge der US-Immobilienkrise, wie wir ihn 2007/2008 erlebt haben, begünstigt eine weltweite Aktienbaisse noch so lange, wie den Notenbanken inflationsbedingt weiterer Handlungsspielraum für notwendige Zinssenkungen fehlt.
»Hat jemand Angst vor Veränderung?
Was kann denn ohne Veränderung geschehen?«
fragte einst der römische Kaiser Marc Aurel. Sicherlich werden Sie sich fragen »Was bitte hat das mit Börse zu tun?« Aber hören wir noch ein wenig tiefer in seine Selbstbetrachtungen hinein:
»Was ist der Natur des Alls lieber und vertrauter? Du nun selbst, kannst Du etwa warm baden, wenn nicht das Holz (zur Heizung) sich wandelt? Kannst Du ernährt werden, wenn sich die Speisen nicht wandeln? Oder kann sich irgendeine andere nützliche Unternehmung ohne Umwandlung vollziehen? Siehst Du denn nicht, dass auch gerade die Umwandlung Deiner Person für die Natur des Alls eine ähnliche Bedeutung hat und gleich notwendig ist?«
Richtig, wir wissen, dass wir uns verändern und weiterentwickeln müssen, aber in welche Richtung? Bleiben wir passiv und warten wir ab, bis maßgeschneiderte Bankprodukte wie Garantiezertifikate unsere Renditeziele erfüllen, oder werden wir selbst aktiv und nutzen die Vielzahl an kostengünstigen Möglichkeiten, die uns auf den Märkten bereits heute angeboten werden?
Das Internet hat, einhergehend mit einer technischen Revolution auf dem PC-Markt, zu einer Demokratisierung bei Anlegern geführt, wie es sie noch nie gegeben hat. Es war für Eigenhändler noch nie so einfach, schnell und günstig, einen Börsenauftrag zu platzieren. Noch nie war es so einfach, an Informationen zu kommen und einen heißen Börsentipp auf Plausibilität hin zu überprüfen. Trotzdem wachsen beinahe täglich die Ängste der Anleger, einer drohenden Informationsflut nicht mehr Herr zu werden und Entscheidungen nicht mehr effizient managen zu können. Emotionslose Handelsprogramme, die auf allwettertauglichen mathematischen Formeln basieren und automatische Erfolge versprechen, scheinen dabei wenig geeignet, der eigenen Vermögensverwaltung Struktur zu verleihen. Ebenso wenig eine Entscheidungsfindung auf Basis guter Tipps oder ein Handeln gegen die eigene Natur und Überzeugung.
Dr. Maya Storch schreibt in ihrem Buch Das Geheimnis kluger Entscheidungen:
»Es wäre wichtig, ein unbehagliches Gefühl durch ein positives Gefühl zu ersetzen, wenn nicht ausschließlich auf der Vernunftsebene gelebt und gearbeitet werden soll. Das würde erhebliche Energien sparen.«
Gut, dann wenden wir uns gleich der wichtigsten Frage zu, um bei Marc Aurel zu bleiben: Was ist denn positiv an Verlusten, und was ist negativ an Gewinnen?
Gewinne, die uns dazu verleiten, hochmütig zu werden, unsere Handelsdisziplin schleifen zu lassen, das Logbuch nicht mehr zu führen, außen stehenden Personen von unseren Handelserfolgen zu erzählen und über offenen Positionen zu reden, all das ist sehr menschlich. Aber es führt – diese Erfahrungen haben wir bereits alle gemacht – innerhalb kürzester Zeit in die Verlustzone. Verluste entstehen demnach nicht ausschließlich auf den Märkten, sondern in unseren Köpfen. Wir selbst sind es doch, die als Anleger und Trader die Entscheidungen treffen. Und ist es nicht auch so, dass wir für unsere eigenen Fehler gerne verantwortlich sein wollen?
Geht es Menschen im Arbeitsleben nicht oftmals so, dass sie für Fehler anderer einstehen müssen? Politiker, die Fehler machen und anschließend die Steuern erhöhen, und Manager, die Fehler machen und anschließend Arbeitsplätze abbauen, um nur einige zu nennen.
Als Kapitän auf der Brücke zu stehen und mit jeder Phase selbst zu entscheiden, ein Luxus und Traum, die sich nicht wirklich viele leisten können. Der einzige Weg, so scheint es, liegt wohl darin, Verluste anzuerkennen und zu analysieren (siehe Logbuch). Die Märkte teilen sich mit, sie sprechen zu uns. Und Verluste können eine indikative Information über die technische Verfassung des Markts in sich tragen und uns helfen, dass wir in die Gewinnzone zurückfinden.
Verluste in Gewinne zu wandeln klingt so verlockend, dass sich die Frage aufzwingt, ob es dann nicht auch eine Strategie geben könnte, mit jeweils kleinstem Einsatz und engen Stops Verluste zu provozieren, um den Markt und seinen übergelagerten Trend zu testen. Viele Anleger scheuen Verluste aus Stop-loss-Aufträgen wegen der Transaktionsgebühren und gehen dafür lieber ein größeres Verlustrisiko ein. Wer den Wert einer Verlust provozierenden Strategie nicht schätzen gelernt hat, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, den echten Markttrend zu finden, sollte sich den Beitrag von Holger Galuschke zum Thema: »Der richtige Umgang mit Indikatoren in der Technischen Analyse« durchlesen. Verlustreiche Bärenmärkte, vor allem wenn sie mehrere Jahre andauern, sind schmerzhaft, aber sie zwingen uns auch, über unsere Fähigkeiten nachzudenken, sie zu konzentrieren und unsere Handelsstrategien neu auszurichten.
Zweck und Ziele
In meiner über 22-jährigen Seminarpraxis begegnete ich häufig berufserfahrenen Managern, die sich vorstellten, im Ruhestand ihr eigenes Vermögen aktiv, also auch im Day-Trading zu verwalten. Ganz selbstverständlich wird einige Zeit vor dem Tag X mit der Aus- und Weiterbildung in Form von IT- und Börsenseminaren begonnen und ebenso in Fachliteratur, Seminare und Fachtagungen investiert. Probleme gibt es dann nicht selten mit der Organisation eines Home-Office. Die Familienmitglieder haben möglicherweise nicht verstanden, wie wichtig ein disziplinierter Tagesablauf für einen Trader sein kann, welch hohe Konzentration auch nötig ist, um die Vielzahl von Kursinformationen Tag für Tag wie ein Puzzle zusammenzufügen, um die richtigen Entscheidungen für ein Tagesgeschäft zu treffen. Die Schlussfolgerung daraus kann nur lauten: Die Strategie war offensichtlich nicht vollständig. Wäre sie es gewesen, säßen die Familienmitglieder mit im Boot und würden motiviert helfen, das übergeordnete Ziel und die letztendliche Zweckerfüllung zu erreichen.
Wir haben gelernt, Ziele zu definieren und unser Leben auf deren Erreichung hin auszurichten. Prioritäten werden gesetzt und auch eingehalten, aber ist der Zweck für alle Beteiligten auch immer klar ersichtlich? Formulieren und folgen wir immer den richtigen Zielen? Opfern wir nicht allzu häufig über falsche Zielvorstellungen unsere Lebensqualität und erreichen damit das Gegenteil? Wie oft wird als Zweck aller Unternehmungen postuliert, den Kindern und der Familie ein erfülltes Leben zu bieten, und in der Realität wird genau das Gegenteil, nämlich Vernachlässigung der hoch gestellten Werte, in Kauf genommen. Was ist der Zweck, und welche Zwischenetappen und damit Ziele definieren wir für uns?
Und ist es nicht oftmals so, dass die Angst, Verluste zu realisieren, dem Zweck, die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu sichern, direkt entgegensteht? Wie gehen Trader mit der Angst um, ihren Mandanten und Familienmitgliedern Verluste und mögliches Versagen einzugestehen? »Wirtschaftliche Unabhängigkeit« zu erreichen ist offensichtlich nicht geeignet, persönliche Ziele zu formulieren, sondern eine Folgeerscheinung auf dem Weg der Zweckbestimmung. Eine Strategie wird also immer dann benötigt, wenn mögliche Zielkonflikte zu Denkblockaden führen können und Fehlentscheidungen begünstigt werden.
Wenn Carl von Clausewitz dem Zweck die höchste Priorität im Staatsgebilde einräumt, ist es dann nicht auch legitim, wenn Trader und Vermögensverwalter sich die Frage stellen: »Was kommt nach dem Erreichen der Ziele?« Und nicht nur dem Endscheider, sondern bis in den privaten Bereich hinein stellt sich immer wieder die verblüffend einfache Frage: »Was ist der Zweck all der Risiken und Anstrengungen?« Je mehr Klarheit an dieser Stelle herrscht, desto größer das Selbstbewusstsein, in den entscheidenden Marktphasen gut vorbereitet zu sein und kluge Entscheidungen zu treffen.
Die Ziele dienen dem übergeordneten...