1. Qualität im Büro – Wie gemeinsames Arbeiten gelingt
Der Begriff »Qualitätsmanagement« ruft ganz unterschiedliche Reaktionen hervor. Die Spanne geht von »Hab ich schon mal gehört, ist das was Gutes?« über »Na ja, muss man halt …« bis zu »Lass mich damit bloß in Ruhe – davon bekomme ich Schweißausbrüche!«.
Meiner Erfahrung nach hängt es sehr von der Branche des Unternehmens ab, wie die Anforderungen in der Praxis umgesetzt werden. In der produzierenden Industrie ist das Qualitätsmanagement seit Jahrzehnten fest etabliert – in der Produktion. Keineswegs in den administrativen Abläufen. Schon seit Ende der 1980er-Jahre gibt es immer wieder Anläufe, die Idee des Qualitätsmanagements auch in den Büroetagen zu etablieren.
Die Schwierigkeit dabei ist, dass – im Gegensatz zur Produktion – der Fokus bei administrativen Aufgaben nicht in der Vermeidung von Fehlern liegen kann und sollte. Denn falsche Informationen sind gar nicht das Hauptproblem. Vielmehr ist es fehlende, zu spät eintreffende, diffuse, redundante oder einfach nicht verwertbare Information, die Schleifen im Prozess nötig macht.1
Die Methoden des Qualitätsmanagements auf die administrative Arbeit zu übertragen ist keine einfache Übung. Es klappt recht gut dort, wo es sich um stark strukturierte Büroprozesse handelt. Beim Erfassen von Kundendaten oder in der Finanzbuchhaltung, im Callcenter oder bei der Arbeitsvorbereitung kann man in weiten Teilen durchaus mit Kennzahlen arbeiten und einen aussagekräftigen Vergleich von der Qualität der Arbeit an verschiedenen Tagen oder Arbeitsplätzen erstellen. Immer dann, wenn die Arbeit in einer guten Form messbar ist.
Die Messbarkeit kommt aber schnell an ihre Grenzen, wo es um Kommunikation geht, um das gute Formulieren von Texten, um das reibungslose Organisieren von betrieblichem Miteinander. Genau dies sind jedoch die Hauptaufgaben sehr vieler Büroarbeitsplätze. Was also tun, wenn man den Wunsch hat, seine Arbeit zu kontrollieren, zu dokumentieren und letztlich zu verbessern?
Kann einfach weniger die Lösung sein?
Fragt man die Menschen in den Büros nach Assoziationen zur Informationsflut, hat eine große Zahl der Befragten ein überquellendes Postfach elektronischer Art vor Augen.
Meiner nicht wissenschaftlich belegten Beobachtung nach entstehen 80 Prozent des E-Mail-Aufkommens aus hausinternem Hin und Her. Absprachen hier, Rückfragen dort, „zur Info“-E-Mails und die Verteilung von Dokumenten in vielen Postfächern. Das Problem ist, dass die E-Mail eigentlich gar nicht das richtige Werkzeug ist, um all dies abzufangen. Viele verschiedene Aufgaben und auch Wissensdokumente kommen gleichzeitig im Postfach an. Mit unterschiedlichen Bearbeitungsabläufen sehr unterschiedlicher Priorität und auch verschiedenem Aufwand zur Erledigung. Aber alles kommt gleichermaßen über denselben Kanal in großer Menge herein. Der Besitzer des Postfaches muss sich schnell durch alles durcharbeiten und auch schnell Entscheidungen treffen. Das ist wirklich anstrengend. Kaum lässt die Aufmerksamkeit für das Postfach einmal nach, sind schon wieder Dutzende neuer E-Mails angekommen. In diesem Buch versuche ich einen Teil des Übels bei der Wurzel zu packen. Wenn Aufgaben, Abläufe und Prozesse geklärt sind, werden sehr viele interne E-Mails ganz überflüssig. Weil Rückfragen nicht nötig sind, wenn im Projektplan der Fortschritt zu sehen ist, weil nicht nach einer Vorlage gefahndet werden muss, wenn diese im genau bezeichneten Abteilungslaufwerk liegt, und weil Dokumente nicht mehr als Anhänge verschickt werden, sondern höchstens noch ein Link zum Speicherort.
»Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag?« – Von Kernprozessen, Unterstützungsprozessen und Planktonprozessen
Ja, was machen Sie eigentlich den ganzen Tag? Diese Frage – ganz unvorbereitet einem Büromitarbeiter gestellt, hat meist ein »Ähhhh …« und einige stockende Begriffe zur Folge. Konkretisiere ich die Frage: »Was steht denn in Ihrer Arbeitsplatzbeschreibung?«, oder: »Wofür bezahlt man Sie?«, geht es schon ein bisschen besser (Ausnahme: die Rückfrage »Welche Arbeitsplatzbeschreibung?«). Die Aufgaben, die dann genannt werden, sind im Allgemeinen die Kernaufgaben dieses Arbeitsplatzes.
Unterscheidung: Aufgabe – Prozess – Projekt
Diese drei Begriffe sind nicht trennscharf. Ich definiere hier so:
Eine Aufgabe wird in der Regel von einer Person von Anfang bis Ende bearbeitet. Sie kann aus einem oder mehreren Schritten bestehen. Sie kann einmalig sein oder auch häufig erledigt werden.
Ein Prozess besteht aus mehreren Arbeitsschritten und findet wiederholt statt. Er kann in der Hand einer oder mehrerer Personen liegen.
Ein Projekt ist per definitionen einmalig und zeitlich begrenzt. Es führt in mehreren Schritten zu einem vorab festgelegten Ziel. Es sind fast immer mehrere Personen beteiligt.
Ein Kernprozess eines Unternehmens ist also das, was unmittelbar der Sache dient, mit der das Unternehmen am Markt ist, das, womit das Geld verdient wird.
Ein Unterstützungsprozess ist das, was getan werden muss, damit die Kernprozesse funktionieren. Im Unternehmen zum Beispiel das Einstellen von Mitarbeitern oder das Organisieren der Dienstwagen oder die Beschaffung von Tonerkartuschen. Ohne diese Prozesse geht es nicht, dennoch verdient das Unternehmen damit kein Geld.
Was sind die Unterstützungsprozesse an Ihrem Arbeitsplatz? Meine Kernaufgaben sind das Halten von Seminaren und das Schreiben von Fachtexten. Ein Kernprozess ist also das Vorbereiten eines Seminares – von der Themenrecherche über das Verfassen des Exposés bis hin zum Packen des Seminarkoffers.
Das Buchen der Reise zum Seminarort ist ein Unterstützungsprozess – wenn ich es selbst tue. Es ist jedoch ein Kernprozess für eine Mitarbeiterin der Veranstaltungsorganisation beim Anbieter des Seminares – wenn sie das für mich tut. Die Definition hängt also davon ab, aus welcher Perspektive der Prozess betrachtet wird.
Planktonprozesse
Danke an Wolf Steinbrecher für dieses herrliche Wort!2 Planktonprozesse sind der allfällige »Kleinkram«, der an jedem Arbeitsplatz anfällt. Ob es das Einarbeiten des neuen Praktikanten ist oder das Überfliegen und Weitergeben einer nicht so sehr wichtigen Fachzeitschrift oder das Prüfen und Weiterleiten der Urlaubsanträge. Diese Dinge sollten getan werden, manche müssen auch dokumentiert werden. Sie haben aber nicht wirklich Einfluss auf das Geschäftsergebnis Ihres Unternehmens und werden kaum beim Jahresgespräch mit Ihrer Führungskraft erwähnt werden.
70 – 20 – 10
Als Faustregel gilt: Investieren Sie 70 Prozent Ihrer Zeit und Kraft in Ihre Kernaufgaben, 20 Prozent in Unterstützungsaufgaben und achten Sie darauf, dass die Planktonaufgaben nicht mehr als 10 Prozent in Anspruch nehmen.
»Wer braucht das wozu?« – Schnittstellen definieren
Kennen Sie das Warum und Wozu jeder einzelnen Aufgabe, die Sie tun? Spontan sagen Sie vermutlich: »Ja, klar!« Denke Sie bitte mal einen Augenblick länger darüber nach.
Die wenigsten Aufgaben liegen von Anfang bis Ende in einer Hand. Viele Hände und Köpfe sind involviert, bis eine Sache fertig ist. Ein Kollege von mir hat in einem Unternehmen eine sieben Meter (!) lange Prozesslandkarte gestaltet – zusammen mit allen Mitarbeitenden in diesem Prozess in dreitägiger Arbeit. Jede Arbeitsgruppe gestaltete ihren Anteil am Ganzen. Bei der Abschlussveranstaltung gingen alle Beteiligten langsam an dieser Wand entlang. Es gab sehr viele Aha-Erlebnisse (»Ach so, dafür braucht ihr das!«) und eine ganze Menge an Optimierungsideen (»Dann liefere ich euch die Excel-Daten doch gleich als Liniendiagramm – das kann ich ganz fix mit einer Vorlage erledigen.«3). Die Gesamtschau auf den Prozess und seine Schnittstellen setzte Potenziale frei, an die vorher niemand gedacht hatte.
Was genau ist eine Schnittstelle? Immer dann, wenn eine Aufgabe von einer Hand in die andere wandert. Jede Schnittstelle ist wichtig für die Qualität des Gesamtprozesses.
Abbildung 1: Input und Output
Drei Leitfragen:
- • Ist die Qualität des Inputs genau die nachgefragte?
- • Ist die Form der Übergabe definiert?
- • Klappt das im Alltag?
Oder sind immer wieder Rückfragen, Nachfragen, Nachhak-Gespräche und Nachverfolgungsaktionen nötig, um die Sache zu Ende zu bringen?
Wenn es sich um einen Routineprozess innerhalb der Kernaufgaben handelt, sollte die Schnittstelle, das heißt der Übergang, genau definiert werden. Was aber nimmt man dafür? Eine Arbeitsanweisung? Eine Checkliste? Ein Formular? Oder einfach ein klärendes Gespräch?
Leider wird über bestehende Prozesse erst dann nachgedacht, wenn irgendetwas schiefgelaufen ist. Dann werden Ressourcen bereitgestellt, um den Prozess zu optimieren. Gehen wir gedanklich mal an den Anfang: Eine neue Aufgabe soll erledigt werden. Schreibt man sofort eine Checkliste? Nein, meist ginge das nicht mal, wenn man wollte. Denn man kennt die Aufgabe und die Notwendigkeiten noch gar nicht. Also wird die Aufgabe erst mal...