Achille Lauro – Mittelmeerkreuzfahrt
Mit der Achille Lauro begann für uns die Entdeckung der Welt – der fernen Länder und Kulturen unserer Erde.
Wir hatten bereits Paris, London und Rom besucht, die Küsten der Adria und der Ligurischen See mit dem Auto befahren, an der Côte d’Azur ein zurückhaltendes Spiel im Casino von Monte Carlo gewagt und Deutschland von der Nord- und Ostsee bis zu den Alpen bereist. Aber außerhalb Europas waren wir – von einer Kurzreise nach New York abgesehen – bis dahin noch nicht gekommen.
Paris
Montmartre mit Sacré Coure
Rom
Triumphbogen und Kolosseum
London
Tower und Tower Bridge
Das sollte sich im Jahr 1974 ändern. Wir, meine Frau Irene und ich, buchten eine Mittelmeerkreuzfahrt auf der MS Achille Lauro. Von Genua ging die Reise nach Sizilien, von dort nach Ägypten. Ein Bus brachte uns von Alexandria zu den Pyramiden von Gizeh und über Kairo nach Suez. Von hier wurde die Fahrt fortgesetzt, zuerst nach Beirut und in den Libanon, dann über Kreta und Rhodos nach Izmir und Istanbul in der Türkei, und schließlich über Piräus und Athen in Griechenland zurück nach Italien mit kurzen Stopps in Sizilien und Capri, bevor die Reise in Genua wieder zu Ende ging.
MS Achille Lauro
192 m Länge und 23.112 BRT
Mit anderen Worten: Die Kreuzfahrt war eine Reise zu den alten Hochkulturen der Ägypter, Phönizier, Griechen, Römer, Byzantiner und Osmanen.
Bereits 3000 Jahre vor unserer Zeit errichteten die Ägypter das älteste Großreich in der damals bekannten westlichen Hemisphäre.
Es hielt, bis die Griechen ihnen nacheiferten und unter Alexander dem Großen im 4. Jahrhundert v. Chr. Ägypten vereinnahmten und ein Herrschaftsgebiet unterwarfen, das über Zentralasien hinaus bis nach Vorderindien reichte.
Dann erwachte der Eifer der Römer. Ihr Reich erstreckte sich um die Zeitenwende von den heutigen britischen Inseln über das westliche Europa und rings um das Mittelmeer bis nach Kleinasien.
Schließlich erweckten Mohammed, der Gründer des Islam, und seine Nachfolger die arabischen Völker im 7. Jahrhundert aus ihrer Lethargie und errichteten in kurzer Zeitfolge ein Großreich im Zeichen ihrer Religion von Andalusien bis Zentralasien.
Wir waren erschlagen von der Vielfalt der Eindrücke und ermuntert zugleich, weitere große Reisen folgen zu lassen und – sei es mit dem Schiff oder dem Flugzeug – so oft wie möglich auf große Fahrt zu gehen, um unsere Welt ausgiebig zu erkunden. Das Fernweh hatte uns beide gepackt.
Das 1946 im Auftrag von Lloyd vom Stapel gelaufene Passagierschiff wurde nach einer Generalüberholung seit Mitte der 1960er Jahre von der italienischen Lauro-Linie betrieben.
Weltweit bekannt wurde die Achille Lauro 1985, als Terroristen der Palästinensischen Befreiungsfront das Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer in ihre Gewalt brachten, einen US-amerikanischen Passagier erschossen und über Bord warfen und die Befreiung in Israel inhaftierter Palästinenser forderten.
Das unrühmliche Ende der Achille Lauro ereignete sich 1994. Das Schiff sank auf einer Kreuzfahrt als Folge eines ausufernden Maschinenbrandes im Indischen Ozean.
Ägypten – Gizeh
Wir reisten von Alexandria aus an. Die Fahrt durch die Libysche Wüste zog sich endlos hin. Die heiße Luft flimmerte über den Sandbergen und gaukelte den unbedarften Betrachtern Seenlandschaften vor. Schließlich tauchten die sehnsuchtsvoll erwarteten Spitzen der Pyramiden von Gizeh am Horizont auf, die größer und größer wurden, je näher wir kamen. Dort angekommen fesselten uns die Pyramiden vor einem wolkenlosen Himmel, die in die unendliche Ferne blickende, geheimnisumwitterte Sphinx und eine lautlos dahinziehende Karawane – was für ein faszinierendes Schauspiel!
Die Cheops-Pyramide ist die älteste und größte der Pyramiden in Gizeh. Sie wurde vor 4.600 Jahren für Pharao Cheops als Grabmal erbaut.
Die Sphinx – ein liegender Löwe mit einem Menschenkopf – ist nur unwesentlich jünger und vermutlich auf Geheiß von Pharao Chephren errichtet worden. Ob sie ihn auch darstellen soll, oder den altägyptischen Sonnengott Re, ist nicht gesichert. Auf jeden Fall blickt die Sphinx nach Osten, über den Nil und die Mukattam-Berge hinweg, der aufgehenden Sonne entgegen, der obersten Gottheit des alten Ägyptens.
Libanon – Der Tempel von Baalbek
Wir waren vom Glück begünstigt, als die Achille Lauro im Hafen von Beirut festmachte und uns ein Bus hinauf in das Hochtal des Libanons nach Baalbek brachte. Denn im Jahr darauf brach ein Bürgerkrieg aus, der sechzehn Jahre anhielt. Zuerst stritten Muslime mit Christen, dann Syrer und die PLO der Palästinenser unter Jassir Arafat mit Libanesen und schließlich kämpfte jeder gegen jeden.
Das historische Beirut fanden wir noch unversehrt und durch Zedernwälder erreichten wir die römische Tempelanlage vor der Kulisse der verschneiten Gipfel des Antilibanon.
Die gewaltigen Säulen des Jupitertempels ragten noch immer 20 m hoch auf. Seine Basis bestand aus behauenen Blöcken von 4 ⨉ 4 ⨉ 19 m und einem Gewicht von 800 t.
Eine grüne Zeder ziert die Flagge des Landes. Nur noch wenige dieser großartigen Bäume konnten wir sehen – sie fielen dem Schiffbau und der Ausschmückung von Palästen und Tempeln zum Opfer. Mit blauen Atlas Zedern wurde in der Neuzeit aufgeforstet. Sie wachsen schneller.
Kreta – Der Palst von Knossos
Die kulturelle Wiege Europas liegt nach Ansicht der Historiker auf der Insel Kreta. Die Anfänge dieser ersten großen Epoche gehen bis in die Bronzezeit zurück.
Eingangsbereich zum Palast von Knossos
Das nach ihrem König Minos benannte Volk der Minoer hinterließ dort prunkvolle Bauwerke, deren Entstehung auf etwa 2000 vor unserer Zeit und deren Blüte auf etwa 1600 datiert werden.
Homer beschreibt in seinem Epos ‚Odyssee‘ diese Insel mit treffenden Worten:
„Kreta ist ein Land im dunkelwogenden Meere,
fruchtbar und anmutsvoll zugleich.
Es wohnen dort Völker von mancherlei Stämmen.
Ihrer Könige Stadt ist Knossos, wo Minos herrschte.“
Staunend bewunderten wir den in Teilen restaurierten Palast. Die prächtig ausgestaltete Anlage gab Zeugnis vom großen Reichtum ihrer Erbauer und die kräftigen Farben der Wandmalereien im Inneren ließen Lebensfreude erkennen.
Karminrot leuchteten die wuchtigen Säulen der Herrschaftsräume, die schwarze Kapitelle trugen – eine in den Palästen der damaligen Welt einmalige Komposition.
Kunstvoll verzierte Schmuckbänder umrahmten Wände und Friese, ausgestattet mit geometrischen Mustern, Rosetten und Spiralen. Fresken ließen auf die feine Lebensweise der Minoer schließen, wenn Diener geschlachtete Tiere, Krüge mit Wein und Schalen mit Oliven herbeitrugen, während andere durch ein Feld mit im Wind wehenden Papyrus schritten.
Mutige Männer und junge Frauen kämpften mit Stieren und sprangen artistisch darüber hinweg, ohne erkennen zu geben, ob es sich dabei um einen religiösen Kult oder nur ein Spiel handelte.
Was erzählen dem Betrachter die von Fischschwärmen umgebenen, springenden Delphine und die Greifen genannten Fabelwesen mit dem Kopf und den Flügeln eines Raubvogels und dem Körper eines Löwen?
Ein Musikant blies eine Doppelflöte. Neun barbusige Frauen in kostbaren Gewändern unterhielten sich sitzend angeregt auf einem der Fresken. Waren es Damen des Hofes oder Gespielinnen?
Den anmutigen Tänzerinnen mit ihren entblößten Brüsten konnten wir schon eher gedanklich folgen, wobei es jedermanns Phantasie überlassen blieb, sich die zart klingenden Melodien vorzustellen, in deren Rhythmus sie sich bewegten.
Tänzerin und Delphine im Palast von Knossos
Rhodos – Großmeisterpalast und Laokoon-Skulptur
Von den sieben Weltwundern haben nur die Pyramiden von Gizeh überlebt. Der Koloss von Rhodos, der breitbeinig der Legende nach über den Pylonen der Hafeneinfahrt thronte, ist nach einem Erdbeben ins Meer gestürzt und spurlos verschwunden.
Heute begrüßen, auf Säulen auf den beiden Molen stehend, ein Hirsch und eine Hirschkuh die Ankommenden. Sie werden Elafos und Elafina genannt und gelten als Wappentiere der Insel.
Unser Interesse galt zwei anderen Bauwerken: Die Griechen errichteten hier zu Ehren Athenes eine Akropolis über dem Ort Lindos auf einem Felssporn, den Peter zu Fuß und Irene auf dem Rücken eines Esels bestiegen. Jahrhunderte später bauten die...