Vorwort
Was würdest du tun, wenn du Vertrauen in deine eigene Idee hättest? Im Februar 2016 stellte ich mir genau diese Frage. Meine Antwort darauf: Ich nahm allen Mut zusammen, kündigte und machte mich weltweit auf die Suche nach Vertrauen – meinem Herzensthema.
Ich bin von Natur aus neugierig. Seit ich denken kann, gehe ich den Dingen auf den Grund. Ich will verstehen, warum die Welt ist, wie sie ist, und nicht anders. Seit jeher interessiert mich brennend, weshalb Menschen das tun, was sie tun – und warum sie überhaupt so etwas entwickeln wie Vertrauen.
Tatsächlich ist Vertrauen schon lange nicht mehr selbstverständlich. Und das, obwohl es uns in die Wiege gelegt ist, wie wissenschaftliche Studien belegen. Wir alle kommen mit der Fähigkeit und dem Bedürfnis, anderen zu vertrauen, auf die Welt. Der Mechanismus selbst gehört somit zur Grundausstattung eines jeden von uns. Und das hat gute Gründe: Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen Beziehungen, um glücklich zu sein. Von dem Moment an, in dem wir das Licht der Welt erblicken, erlernen wir deshalb bestimmte Handlungsmuster für unser Zusammenleben: eine Art soziale Grammatik. Vertrauen ist ein wesentlicher Teil davon, ebenso wie die Fähigkeit, uns in andere einzufühlen und ihnen zu helfen.
Und doch: Wenn wir unsere Beziehungen genauer betrachten, stellen wir fest, dass einiges im Argen liegt. Wir fühlen uns nicht respektiert und gesehen, werden belogen und enttäuscht und leiden immer öfter unter Angst, Unsicherheit und Misstrauen. Da wundert es nicht, dass wir uns mit dem Vertrauen mitunter schwertun.
Wir alle kennen Menschen, denen es an Vertrauen fehlt – in sich selbst und in andere. Einige von ihnen werden von Selbstzweifeln gequält. Andere haben ein starkes Bedürfnis nach Kontrolle, das gerade in Beziehungen zum Problem werden kann. Wieder andere hinterfragen alles und trauen niemandem über den Weg.
Diese und weitere Beispiele zeigen: Mangelndes Vertrauen belastet uns. Es kostet uns Zeit, Energie und nicht selten auch Nerven. Denn wenn es daran hapert, zögern, zweifeln und hadern wir. Dann sind wir ständig auf der Hut oder ziehen uns zurück. Im Extremfall fühlen wir uns wie gelähmt und erstarren innerlich. Kein erstrebenswerter Zustand.
Vertrauen hingegen entlastet uns. Es macht den Kopf frei, lässt uns durchatmen und stärkt uns und unsere Beziehungen. Denn mit ihm an unserer Seite wird vieles leichter: Wir fühlen uns mit anderen verbunden, sicher und geborgen. Wir erleben uns als geschützt, getragen und gestärkt. Und aus diesem Zustand heraus gelingt es uns leichter, mutig zu sein und Herausforderungen zu meistern. Vertrauen ist also der Schlüssel zu persönlichem Glück, stabilen Beziehungen und einem gelungenen Leben.
Was genau aber ist Vertrauen? Woher kommt Vertrauen, und wohin geht es, wenn wir es verlieren? Welche Hürden und Fallen lauern diesbezüglich in unserem Alltag? Und wie kann Vertrauen dennoch gelingen?
Diese und weitere Fragen beschäftigten mich bereits seit Jahren, schon während meines Studiums, später dann bei meiner Arbeit als Coach und Wirtschaftspsychologin. Ich recherchierte viel, las unzählige Bücher und Forschungsarbeiten. Doch so unterschiedlich all diese Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis auch waren, eines hatten sie gemeinsam: Sie zeigten mir, wie wenig das Phänomen Vertrauen im Vergleich zu anderen psychologischen Themen bisher erforscht war.
Je mehr ich in das Thema eintauchte, desto stärker hatte ich das Gefühl, dass etwas Wesentliches noch nicht gesagt worden war. Dass die bisherigen Konzepte zwar nicht falsch, häufig jedoch unvollständig waren. Dass sie einige Aspekte beleuchteten, andere jedoch ausblendeten. Und je mehr ich mich in mein Herzensthema hineinkniete, desto größer wurde der Berg an Fragen, auf die ich keine Antworten fand. Doch mit der Zeit entwickelte sich der Traum, dem Phänomen Vertrauen selbst auf den Grund zu gehen.
Im Juni 2016 wurde dieser Traum Wirklichkeit. Ich tauschte meinen sicheren Job samt Führungsposition gegen das Abenteuer, Vertrauen international zu erforschen. Dazu gründete ich das World Trust Project und machte mich weltweit auf die Suche nach bewährten Konzepten, wie Vertrauen gelingen kann. Aus einer großen Studie, die 117 Länder weltweit vergleicht, wusste ich: In Bezug auf das zwischenmenschliche Vertrauen gibt es von Land zu Land große Unterschiede. Das Ergebnis der Studie zeigt: Die Welt vertraut anderen nicht viel. Mit Ausnahme der vier nordeuropäischen Länder Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland und sechs weiteren, zu denen auch die Schweiz gehört, misstrauen wir unseren Mitmenschen tatsächlich. Auch in Deutschland und in Österreich.
Gerade die Länder, die sich durch mehr Vertrauen auszeichneten als meine Heimat Deutschland, waren ideal, um nach Antworten zu suchen. Was machten die Menschen in diesen Ländern anders als wir? Worin lag ihr Geheimnis für gelingende Beziehungen? Und welche bewährten Konzepte könnten auch Menschen anderenorts und sogar hierzulande helfen, einander wieder mehr zu vertrauen? Auf diese und weitere Fragen suchte ich Antworten.
Meine Reise führte mich nach Vietnam, Kanada und in die USA. Nach Schweden, in die Schweiz und nach Dänemark. In den Niederlanden, in Norwegen und auch in Deutschland war ich unterwegs, um meinem Herzensthema auf den Grund zu gehen. Ich sprach mit renommierten Vertrauensforschern, mit führenden Experten aus Politik und Wirtschaft, und auch ganz normale Menschen habe ich befragt, denn jeder von uns hat zu diesem Thema seine persönliche Geschichte.
In mehr als 350 Interviews weltweit und durch intensive Literaturrecherche habe ich eine Menge über Vertrauen gehört, gelesen und gelernt. Einiges hat mich überrascht, etwa, dass Frauen gegenüber Männern einen klaren Vertrauensvorteil haben. Anderes hat mich nachdenklich gemacht, zum Beispiel, dass Misstrauen uns nicht vor Enttäuschungen schützt, sondern diese sogar erst wahrscheinlich macht. Und einige wenige Erkenntnisse haben die Art und Weise, wie ich heute über Vertrauen denke, für immer verändert. Wie etwa die Tatsache, dass wir lernen können, was es heißt, klug zu vertrauen, um erfüllende Beziehungen zu führen und glücklich zu sein.
Heute weiß ich: Vertrauen kann jeder. Zum einen ist uns die Fähigkeit dazu bereits in die Wiege gelegt. Demnach können wir es nicht verlernen, nur ein bisschen aus der Übung geraten. Zum anderen ist Vertrauen vor allem eines: eine persönliche Entscheidung, die jeder für sich treffen kann. Und das unabhängig von dem, was er bisher erlebt hat.
Noch etwas Wesentliches habe ich erkannt: Glückliche und stabile Beziehungen zu führen ist leicht, wenn wir wissen, wie es funktioniert. Denn ob wir Vertrauen gewinnen oder es selbst verschenken: Der Mechanismus dahinter folgt denselben Rezepten. Rezepten, die wir leicht verstehen und nach denen wir handeln können, damit wir unser Beziehungsglück nicht länger dem Zufall überlassen müssen, sondern es aktiv mitgestalten können.
Damit Sie diese Rezepte grundlegend verstehen und erfolgreich für sich im Alltag anwenden können, braucht jeder von uns etwas Zutatenkunde, denn mit den richtigen Zutaten können wir viel bewirken. Natürlich darf auch die Grundausstattung nicht fehlen, aber dazu am Schluss mehr.
Auf den kommenden Seiten erwartet Sie daher lebendige Wissenschaft: persönliche Geschichten von Menschen aus der ganzen Welt, gepaart mit meinen eigenen Erfahrungen und überraschenden Erkenntnissen aus der Forschung. Wussten Sie etwa, dass Vertrauen teilweise angeboren, Misstrauen hingegen komplett erlernt ist? Dass wir allein mit unseren Gedanken Einfluss darauf nehmen können, wie sich jemand uns gegenüber verhält? Dass wir, indem wir jemanden enttäuschen, sogar Vertrauen gewinnen können? Dass vier konkrete Zutaten unsere Beziehungen vergiften und ihren Untergang ankündigen? Oder dass Vertrauen mehr Einfluss auf unser persönliches Glück nimmt als unser Einkommen? Forschung kann also durchaus spannend sein.
Mit diesem Buch möchte ich mich für mehr Vertrauen in unseren Beziehungen einsetzen. Vertrauen zu Eltern und Kindern. Zu Freunden und Partnern. Zu Mitarbeitern und Vorgesetzten. Und zu Menschen, die wir noch gar nicht kennen.
Ich verstehe, dass uns Vertrauen mitunter schwerfällt. Deshalb möchte ich Mut stiften, mehr in unser Vertrauen zu investieren, denn es macht unser Leben so viel leichter und erfüllter. Das lässt sich beweisen anhand von zahlreichen Studien über die Vorteile von Vertrauen und die Nachteile von Misstrauen.
Einen wesentlichen Grund, warum wir Vertrauen aktiv in unser Leben einladen sollten, lasse ich am besten Bent Greve erklären, einen dänischen Glücksforscher, den ich in Berlin zum Interview traf: »Der Weg zum persönlichen Glück führt immer über Vertrauen. Vertrauen allein macht zwar nicht glücklich. Aber ohne Vertrauen ist glücklich zu sein so gut wie unmöglich.« Und Bent muss es wissen, schließlich beschäftigt er sich gemeinsam mit Meik Wiking, dem berühmten Bestsellerautor, seit Jahren mit dem Thema Glück. Greve sagt: »Vertrauen ist ein wesentlicher Glücksfaktor.«
Dieses Buch kann Sie deshalb nicht nur zu mehr Vertrauen, sondern auf Ihrem Weg zum Glück und zu gelingenden Beziehungen begleiten. Dazu mache ich das Phänomen Vertrauen greifbar und verständlich, enttarne bekannte Mythen und zeige häufige Fallen auf. Ich erkläre bewährte Rezepte aus den Ländern der Vertrauenschampions und biete praktisches Handwerkszeug, wie vertrauensvolle Beziehungen...