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E-Book

Vesparicana

Mit der Vespa von Alaska nach Feuerland

AutorAlexander Eischeid
VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl383 Seiten
ISBN9783732540457
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR

Mit Vespa Elsi auf großer Fahrt: 22 Monate waren sie unterwegs, haben Amerika von Nord nach Süd durchquert und 71.000 km zurückgelegt. Elsi hat 8 Kolben und 5 Satz Reifen verschlissen. Sie haben Wüsten, Berge und Schotterpisten bezwungen und ungeahnte Gastfreundschaft kennengelernt. Mit dieser Reise und getreu seinem Motto 'Life is for Living' hat sich Alex Eischeid einen Traum verwirklicht und die größte Herausforderung seines Lebens aber auch das großartigste Abenteuer überhaupt erlebt.



Alex (Atze) Eischeid, 1977 in Köln geboren, ist Tischlermeister. Er liebt das unkonventionelle Reisen und das Vespafahren. 2013 hat er seine beiden Leidenschaften miteinander verbunden und sich einen Lebenstraum erfüllt: mit der Vespa von Nord nach Süd quer durch Amerika. Seit 2015 lebt er wieder in Köln, und wenn er keinen Vortrag über seine Reise hält, plant er schon den nächsten Trip.

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Leseprobe

WELCOME TO CANADA


Grün gemusterter Teppichboden lag unter meinen Wanderschuhen, ein künstlicher Wasserfall plätscherte neben einer Treppe, und ein riesiges Poster mit einem Bieber und einem Schwarzbären trug die Überschrift »Welcome to Canada«. Nicht gerade glamourös, aber ich war gelandet.

Freundlich, aber bestimmt winkte mich der Grenzbeamte heran, musterte mich und prüfte alle Papiere. Dabei stolperte er über den Frachtpreis, weil der den angegebenen Wert meiner Vespa deutlich überschritt. Das war für ihn unlogisch, er wurde misstrauisch und hakte nach.

»Wissen Sie, ich möchte mit meiner Vespa sehr weit reisen, von Kanada in die USA, nach Alaska, und später nach Mittelamerika und weiter bis nach Patagonien. Ich habe spezielle Gepäckträger und andere Utensilien vorbereitet, habe auch Ersatzteile und Werkzeuge an Bord, damit ich zur Not alles selber reparieren kann.« Ich gab alles, um überzeugend zu wirken.

Und dann war alles ganz einfach. Er verstand, nickte und drückte seine Stempel auf die Dokumente, gab mir alles zurück und sagte freundlich: »Hab eine sichere Reise und viel Spaß in Kanada.« Als ich über den grün gemusterten Teppich die rote Grenzlinie passierte, machte ich innerlich Luftsprünge vor Freude!

Das Gepäck war schnell geholt und der KLM-Schalter auch schnell gefunden, doch leider war er geschlossen, da es schon spät am Abend war. Auf einem Schild fand ich die Nummer einer 24h-Service-Hotline. Ewig musste ich »Yes« oder »No« sagen, bis ein menschliches Wesen am anderen Ende der Leitung abhob. Mit Cargo hatte die Frau natürlich nichts am Hut, also beschloss ich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu dem im Voraus gebuchten Hostel zu fahren und für heute Feierabend zu machen.

Nach ein paar Umwegen und einem weiteren Tag Wartezeit stand ich am übernächsten Morgen schließlich vor einem Wellblechbau, dem »Cargo Warehouse«. Eine pummelige und sehr freundliche Asiatin namens Rachel, der ich am Vortag die Frachtpapiere übergeben hatte, gab mir lachend den gestempelten Wisch zurück. Damit machte ich mich sofort auf Richtung Zollamt, wo ich mir den nötigen Stempel für die Freigabe meiner Vespa abholen wollte. Im Zollamt angekommen saß eine Soldatin in kompletter Kampfausrüstung hinter dem Schalter. Ihr übergab ich freudestrahlend den Wisch, worauf sie in den Computer schaute und mir daraufhin mit freundlichem, aber sehr bestimmtem Ton eine Reihe Fragen stellte.

»Was ist in der Kiste?«

Worauf ich euphorisch antwortete: »Meine Vespa, mit der will ich durch Kanada reisen!«

»Und was noch?«

Als würde ein kleines Kind etwas zählen, nahm ich die Finger zu Hilfe und sagte: »Werkzeug, Ersatzteile und zwei Helme …«

»Was noch?«

»Ööhm … mein Zelt, Campingausrüstung … Kocher, Tasse, Teller, Messer …«

»Was noch?«

Ich war am Ende meiner Gedankenliste angekommen und sagte leise: »Ansonsten fällt mir nix mehr ein.«

»In Ihrer Kiste wurde Fleisch gefunden.«

»Fleisch? Das kann nicht sein!«

»Doch! Wer hat die Kiste gepackt?«

»Das war ich. Aber ich schwöre, da kann kein Fleisch drin sein.«

»Es wurden auch zwei Flaschen Bier gefunden.«

»Bier?!«

Dann ratterte es in meinem Kopf: Fleisch, Bier … wenn mich da mal nicht irgendjemand überraschen wollte. Ich hatte einen Verdacht: Ocki, mein lieber Bruder! Aber das war jetzt erst mal zweitrangig. Die Frage war, wie ich nun endlich meine Vespa hier rauskriegen sollte.

Ich musste an einem anderen Schalter ein Formular zur »Vernichtung illegal eingeführter Produkte« ausfüllen. Nach zwei ewig langen Stunden, in denen mir vergessene Koteletts durch den Kopf flogen, die ich vielleicht doch irgendwie selbst eingeschleust haben könnte, wurde ich aufgerufen. Ich musste 66,50 Dollar Strafe abdrücken und zur Soldatin in Kampfausrüstung zurück. Sie übergab das Ganze nun einem anderen Officer. Bevor der mir Fragen stellte, die ich eh nicht beantworten konnte, drehte ich den Spieß um: »Da waren wirklich Biere drin?«

»Ja, und Würstchen!«

»Würstchen?«

»Yes, liver saussages. Die müssen aber vernichtet werden!«

»Okay, kein Thema.«

Daraufhin wurde ich entlassen und musste bei Rachel auf die Beamten warten. Natürlich rief ich meinen Bruder an. Es war genau so, wie ich es mir gedacht hatte: Er und seine Freundin Heike, bei denen ich fast zwei Jahre vor meiner Abreise gewohnt hatte, hatten mir ein Heimatpaket geschnürt und heimlich in die Kiste geschraubt. War ja auch nur nett gemeint, aber ich hatte sogar Salz und Pfeffer zu Hause gelassen und die Karosserie mit der Zahnbürste geputzt – und die zwei packten da Leberwürste rein!

Die drei Zollmänner, die die Kiste schon vor drei Tagen geöffnet hatten, mussten schmunzeln. Ich unterschrieb wieder einen Wisch und drückte 80 Dollar Zollabwicklung ab. Der federführende Officer kam zurück, drückte mir eine Tüte mit einem aufgedruckten Kölnwappen in die Hand und sagte: »Hier sind die beiden Bierflaschen. Müsste ich eigentlich auch vernichten, kannst du aber behalten. Welcome to Canada, my friend!«

Endlich kam der Staplerfahrer mit meiner heißersehnten Kiste. Als ich die drei Schrauben, die lieblos wieder in den Kistendeckel gedreht worden waren, löste und den Deckel abnahm, flogen mir Luftballons entgegen. Die Kiste sah aus, als hätte meine Vespa Kindergeburtstag gefeiert.

Es dauerte eineinhalb Stunden, bis ich meinen Windschild angeschraubt, das Gepäck verzurrt und die Transportkiste in Teile zerlegt hatte. Egal. Ich trat den Kickstarter, und schon beim zweiten Tritt sprang die Vespa an. Gleichzeitig erleichtert und total überladen verließ ich endlich den Flughafen. Yes!

Was folgte, war eine Vespa-Sightseeing-Tour durch Vancouver City und auf Vancouver Island. Das Grinsen war nicht mehr aus meinem Gesicht zu kriegen. Vespas sind auf kanadischen Straßen wohl nicht so oft zu sehen, und so beladen wie ich war, mit dem Benzinkanister zwischen den Beinen und dem Wasserkanister an der hinteren Seitenbacke, sah ich aus, als hätte ich eine jahrelange Expedition vor mir oder würde gerade mit meinem kompletten Hausstand umziehen. War ja auch irgendwie so. Autos hupten dem fahrenden Gepäckhaufen, Fußgänger winkten lächelnd, und ich freute mich wie Bolle, dass die Vesparicana nun endlich ins Rollen kam.

Die kanadischen Beamten hatten mich zwar zwei Tage aufgehalten, aber ich wollte nichts überstürzen. Warum auch? Erst mal irgendwo ankommen, Kräfte sammeln, relaxen und dann gut erholt aufbrechen, das war mein Plan.

Von Anette und Herb wurde ich freundlich begrüßt und sehr herzlich aufgenommen. Die beiden waren Freunde von Sebb und Nora, die ich wiederum auf meiner Weltreise in Laos kennengelernt hatte. Ja, Reisen macht die Welt klein. Ich schlief aus wie ein Großer, kaufte ein, ergänzte meine Campingausrüstung, organisierte Öl und Fett und all so Dinge, die ich genauso wenig hatte mitnehmen dürfen wie Leberwurst. Ich packte noch mal alles aus und wieder ein und puzzelte um, damit die gesamte Ausrüstung an die richtigen Plätze kam. Anette und Herb zeigten mir Victoria, wir schlenderten im Abendlicht durch den Hafen, wo neben alten Holzkähnen und Segelbooten auch Wasserflugzeuge festmachten.

Als ich Victoria verließ, fühlte ich mich super ausgeruht, perfekt organisiert und voller Vorfreude! Natürlich gab es noch Frühstück von Anette und sogar ein Lunchpaket für den Weg. Drei Mäntel für die Vespa konnte ich bei ihnen zurücklassen, weil ich auf dem Rückweg von Alaska auf jeden Fall wieder hier vorbeikommen würde.

Das Wetter war durchwachsen, aber trocken. Die Küstenstraße »Malahat« war mein Ziel, die ich dank GPS nicht verfehlen konnte. Es war schön zu fahren, zwar sehr hügelig, aber nicht zu viel Verkehr. Ganz entspannt ging es Richtung Fähre nach Saltspring Island, einer der vielen kleinen Inselsplitter von Vancouver Island, der Mutterinsel, als ich hinter mir eine Polizeisirene hörte, die ich sonst nur aus Actionfilmen kannte. Ein Blick in den Spiegel erinnerte mich mehr an eine fahrende Diskothek als an einen Streifenwagen. Ich hielt, machte den Motor aus, nahm den Helm ab und blieb auf dem Sattel sitzen, bis sich der übergewichtige Polizist zu mir bewegte und mich freundlich ansprach: »Du hast die Vespa aus Europa mitgebracht?!«

Ich dachte: »Rrrrichtig!«, sagte aber: »Yes, Officer!«

»Das machen nicht viele Leute. Wie viel Kubik?«

»125 ccm.«

»Dafür brauchst du eine Versicherung.«

Ich zog meine Dokumententasche hervor und gab ihm alle Papiere auf Deutsch und auf Englisch: Führerschein, Fahrzeugpapiere und natürlich die Versicherung. Dabei erklärte ich ihm, was mein Plan wäre und vor allem, wie er den internationalen Fahrzeugschein entschlüsseln musste, da das nicht ganz selbsterklärend war. Er bedankte sich und ging in seine mobile Disko zurück. Eine Minute später kam er schon wieder und gab mir die Papiere: »Das versteh ich nicht wirklich, aber es scheint schon alles richtig zu sein.«

Ha! 2:0 für mich, erst die offiziellen Leberwurst-Zöllner und nun auch noch der dicke Disko-Polizist.

Auf dem Fährsteg Richtung Saltspring Island sprach mich ein weißhaariger Mann an. Er stellte sich als Louis vor, war ein enthusiastischer Motorradfahrer, musterte die Vespa und begann, mich auszuquetschen: »Was ist das für eine Marke?«

...
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