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Warum die Welt einfach nicht untergeht

Sieben Endzeitszenarien und wie wir sie abwenden können

AutorGregg Easterbrook
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl464 Seiten
ISBN9783492993517
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Die Zukunft scheint düster zu sein: Der Klimawandel bedroht das Leben auf der Erde, der soziale Zusammenhalt bröckelt, und unsere Demokratien sind in Gefahr. Alles kein Grund zum Verzweifeln, sagt Gregg Easterbrook, denn es steht besser um die Welt, als wir denken! Die Menschheit findet immer wieder kreative Antworten auf drängende Probleme der Zeit, und die meisten ökologischen, sozialen und technologischen Entwicklungen gehen in die richtige Richtung.  Easterbrook nimmt sieben Krisenszenarien unter die Lupe, von Epidemien bis zu Technologien, die außer Kontrolle geraten. Auf Grundlage zahlreicher Studien erklärt er, warum wir trotz allem optimistisch in die Zukunft blicken sollten.

Gregg Easterbrook ist Publizist und Journalist. Er schreibt für New York Times, New Yorker, Los Angeles Times, The Atlantic und Wall Street Journal, hält Vorträge und ist als Berater tätig.

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Leseprobe

Vorwort


Optimismus kommt aus der Mode


An jenem Tag im November 2016, an dem Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, betrug die Arbeitslosenquote in den USA 4,6 Prozent – eine Zahl, angesichts derer die Ökonomen der 1970er-Jahre voller Dankbarkeit niedergekniet wären und den Boden geküsst hätten. Inflationsbereinigt lag der Benzinpreis im Jahr 2016 auf demselben Niveau wie damals, als begeisterte Teenager die Plattenläden stürmten, um die neueste 45-rpm-Mono-Single zu kaufen. Natürliche Rohstoffe und Nahrungsmittel waren im Überfluss vorhanden. Die Gehälter der Mittelschicht und die Haushaltseinkommen stiegen. Die amerikanische[1] Wirtschaft war seit 89 aufeinanderfolgenden Monaten gewachsen. Im privaten Sektor waren seit 80 aufeinanderfolgenden Monaten neue Arbeitsplätze entstanden, wodurch der vorherige Rekord von 48 Monaten beinahe verdoppelt worden war; in weniger als zehn Jahren waren unterm Strich acht Millionen neue Jobs geschaffen worden. Die US-Industrieproduktion war so hoch wie noch nie. Seit zehn Jahren war die Inflationsrate niedrig gewesen, während Hypothekenzinsen und andere Kreditkosten historische Tiefststände erreicht hatten. Die Kriminalität – vor allem in der Kategorie Tötungsdelikte – war seit Langem rückläufig. Abgesehen von Treibhausgasemissionen gingen alle Arten von Umweltverschmutzung seit Langem zurück, ebenso wie alle Formen von Diskriminierung und die Häufigkeiten der meisten Krankheiten. Bildungsniveau und Lebenserwartung der Menschen waren höher denn je. Zwei Drittel der Währungsreserven weltweit wurden in US-Dollar gehalten, was bedeutete, dass die übrige Welt die Aussichten der USA für glänzend hielt. Die Vereinigten Staaten waren nicht nur die stärkste Militärmacht der Welt, sondern sie waren stärker als alle anderen Militärmächte zusammengenommen. Objektiv betrachtet ging es den Vereinigten Staaten so gut wie noch nie.

Dennoch konnte Trump seinen Wählern einreden, dass »unser Land zur Hölle geht«. Obwohl die Industrieproduktion auf dem höchsten Stand aller Zeiten war, überzeugte er seine Wähler, dass »wir nichts mehr herstellen«, dass es der Wirtschaft »immer schlechter« gehe, »immer nur bergab, bergab, bergab«. Trotz der Renaissance der Großstädte Boston, Chicago, Cleveland, Denver, Philadelphia, Pittsburgh und Washington, D.C., redete Trump seinen Wählern ein, dass »die amerikanischen Städte keine Bildung haben und keine Jobs«. Obwohl die Vereinigten Staaten von anderen Ländern als der Acht-Zentner-Gorilla angesehen wurden, überzeugte er seine Wähler, dass die USA in ihren Interaktionen mit dem Rest der Welt »immer nur den Kürzeren ziehen, wir verlieren bei allem«. Bei einem Wahlkampfauftritt in Colorado ein paar Tage vor der Wahl erzählte Trump seinen Zuhörern, sie würden »den Tiefpunkt der Geschichte unseres Landes« miterleben.

Nach der Präsidentschaftswahl 2016 überschlugen sich die Medien, um das Wahlergebnis den Meinungsforschern und Experten in die Schuhe zu schieben – oder den Russen, dem FBI, WikiLeaks, Sexismus oder Hillary Clintons unsäglichem Wahlkampf. Worauf es dabei jedoch ankommt, ist, dass die Wähler Trump glaubten, wenn er ihnen sagte, dass die Lage der Dinge ganz fürchterlich sei.

Trump war keineswegs der Einzige, der alles immer nur negativ sah. Im selben Jahr kam Bernie Sanders aus der Tiefe des linken Felds und lief beinahe der stark favorisierten Hillary Clinton bei der Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei den Rang ab, indem er die Vereinigten Staaten von heute in seiner Kampagne immer wieder als völlig am Boden zerstört darstellte. Die Zukunftsaussichten der Menschen, so behauptete Sanders, seien »zerstört« worden, mit Ausnahme derjenigen der allerreichsten Mitglieder der Gesellschaft. Sanders’ Unterstützer bejubelten seine genüsslich ausgebreiteten pessimistischen Behauptungen, von denen manche mindestens ebenso irrsinnig waren wie alles, was Trump jemals von sich gegeben hat. Sanders verkündete, die Amerikaner würden durch Umweltverschmutzung »vergiftet«, die auf die Gier der Großkonzerne zurückzuführen sei. Falls wir wirklich körperlich vergiftet werden, ist es doch seltsam, dass wir trotzdem immer länger leben.

Der Glaube, die Lage sei viel schlimmer, als sie tatsächlich ist, war nicht nur in den Vereinigten Staaten zu beobachten. Objektiv ging es Großbritannien im Jahr 2016 besser als je zuvor – gemessen an einem kräftigen Wirtschaftswachstum, der niedrigsten Arbeitslosenquote aller EU-Mitgliedsländer, großer persönlicher Freiheit, guter staatlicher Gesundheitsfürsorge, hohen Realeinkommen und fast jedem anderen Leitindikator. Kein einziger Brite aus den aktuellen Generationen ist in kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen europäischen Großmächten gefallen, im Gegensatz zu den zwei Millionen Toten und fünf Millionen Schwerverletzten aus den vorangegangenen Generationen, die europäischen Kriegen zum Opfer fielen. Dennoch forderten wütende britische Wähler im Jahr 2016, aus der Europäischen Union auszusteigen, weil sie offenbar glaubten, in ihrem von Ruhe und Wohlstand geprägten Gemeinwesen gehe es »immer nur bergab, bergab, bergab«.

Es gibt vier grundlegende Arten von Wissen. Die erste ist Gewissheit: Wir können sicher sein, dass die Sonne 150 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist. Eine zweite ist Glaube oder Zweifel: Wir können Überzeugungen, die auf dem Glauben an Gott beruhen, weder beweisen noch widerlegen. Eine dritte ist Meinung: Es gibt kein Richtig oder Falsch bei Geschmacksfragen – etwa welches Bier am besten schmeckt oder ob es beim Fußball den Videobeweis geben sollte.

Und dann ist da noch das, was wir glauben wollen. Was wir glauben wollen, kann jegliche Wahrnehmung, Beweisführung oder subjektive Haltung auf den Kopf stellen. Trump, Sanders und die Brexit-Bewegung trafen einen Nerv, weil die Leute das Schlimmste über die gesellschaftlichen Zustände glauben wollten. Sie wollten das Schlimmste glauben, obwohl es den Vereinigten Staaten damals so gut ging wie noch nie, man über Großbritannien das Gleiche sagen konnte und es der Welt insgesamt noch nie so gut gegangen war.

Natürlich gibt es immer viele Menschen und Familien, die mit persönlichen, gesundheitlichen oder finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Der Tag, an dem kein einziger Mensch mehr krank, in Not oder verzweifelt ist, wird niemals kommen. Aber insgesamt gesehen ging es den Menschen zu keinem Zeitpunkt der amerikanischen Geschichte besser als 2016: Der Lebensstandard, das Pro-Kopf-Einkommen, die Kaufkraft, Gesundheit, Sicherheit, Freiheit und Lebenserwartung waren auf einem so hohen Niveau wie noch nie zuvor, und Frauen, Minderheiten und Homosexuelle genossen Freiheiten, die sie noch nie zuvor gehabt hatten. Und es hat auch noch nie eine Phase der menschlichen Geschichte gegeben, in der es einem typischen Bewohner der Welt so gut gegangen wäre.

Dazu eine Kennzahl. Zur selben Zeit, als die Menschen Trump und Sanders zujubelten, weil sie überall nur Zerstörung sahen, war der »misery index« (Elendsindex) – der sich aus Arbeitslosenquote plus Inflationsrate ergibt – auf seinem niedrigsten Stand seit einem halben Jahrhundert (bei dieser Kennzahl gilt: je niedriger, desto besser). Der normale Bürger muss leiden, wenn Arbeitslosigkeit und Inflation zur gleichen Zeit hoch sind; 2016 waren beide zur gleichen Zeit ungewöhnlich niedrig. Gewerkschaftsführer sprechen von den 1960er-Jahren als einem »goldenen Zeitalter für Arbeiter«, aber damals war der Elendsindex höher. Die Republikaner bezeichnen gern die Amtszeit Ronald Reagans als US-Präsident als ein »goldenes Zeitalter für Familien«, aber damals war der Elendsindex höher. Die Demokraten sprechen von der Amtszeit von US-Präsident Bill Clinton als dem »goldenen Zeitalter, um Wohlstand aufzubauen«, aber damals war der Elendsindex höher. Falls der Elendsindex der beste Indikator für die Lebensumstände des durchschnittlichen Amerikaners ist – was er vermutlich ist –, dann war 2016 ein goldenes Jahr. Dennoch beschworen die Kandidaten der Präsidentschaftswahlen 2016 den Weltuntergang herauf – und die Wähler wollten ihnen glauben.

In meinem 2003 erschienenen Buch The Progress Paradox (Das Fortschrittsparadox) vertrat ich die Auffassung, dass die Menschen in den Vereinigten Staaten und anderen entwickelten Ländern unter »collapse anxiety« (Kollapsängsten) leiden – also unter der Angst, dass es ihren Lebensstil möglicherweise bald nicht mehr geben werde. Viele Beobachter befürchten, dass die von freien Marktwirtschaften, Rohstoffverbrauch, individuellen Freiheiten und demokratisch gewählten, rechtsstaatlichen Regierungen geprägte Gesellschaftsform nicht mehr lange überdauern wird. In diesem Buch werde ich eine ganze Reihe von Gründen aufzeigen, warum der westliche Lebensstil stabiler ist, als es auf den ersten Blick erscheinen mag – und warum eine bessere Welt näher ist, als es scheint. Aber niemand kann sicher sein, dass es nicht zu einem Zusammenbruch kommen wird, und diese Ungewissheit scheint ein ständiges, diffuses Unbehagen zu erzeugen, durch das die Menschen sich schlecht fühlen, obwohl objektiv gesehen der Zustand des Landes – und der Welt – meistenteils gut ist.

Seit The Progress Paradox erschien, habe ich versucht, diesem Rätsel auf den Grund zu gehen: Obwohl das Leben immer besser wird, fühlen sich die Menschen immer schlechter. Wenn ich sage, das »Leben wird besser«, meine ich damit keineswegs alle Aspekte des Lebens – und auch nicht, dass es ausnahmslos für jeden einzelnen Menschen besser wird –, sondern vielmehr, dass es heute den meisten Menschen in den meisten Aspekten des Lebens besser geht als jeder...

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