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E-Book

Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden

AutorMartin Schröder
VerlagBenevento
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl228 Seiten
ISBN9783710950704
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Mit Fakten gegen Fake-News und Untergangsszenarien Oft kommt beim Blick in die Nachrichten das Gefühl auf, dass alles schlimmer wird. Gibt es immer mehr Armut auf der Welt? Geht es mit unserer Lebensqualität bergab? Ist die Demokratie auf dem Rückzug? Herrscht heute gar bei uns mehr Gewalt als früher? Mitnichten!, sagt Martin Schröder, Professor für Soziologie und viel befragter Experte zu Themen wie Lebensqualität, Glück und Zufriedenheit. Wussten Sie, dass die Wahrscheinlichkeit, in der Badewanne zu ertrinken, doppelt so hoch ist wie die Gefahr, Opfer eines Terroranschlags zu werden? Das ist nur eines von vielen Beispielen, das zeigt, dass es der Welt besser geht, als viele glauben. In seinem Buch Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden unterzieht Martin Schröder gefühlte Wahrheiten dem Faktencheck: - Wie haben sich Kaufkraft, Kriminalität und Umweltverschmutzung bei uns wirklich entwickelt? - Gibt es weltweit mehr Kriege? - Was steckt hinter Untergangsszenarien und Panikmache? - Warum sehen wir Entwicklungen negativer als sie wirklich sind? - Welche Auswirkungen hat das auf unsere Gesellschaft und unser Wohlbefinden? War früher wirklich alles besser? Tatsächlich ging es uns noch nie so gut wie heute. Martin Schröder kann das beweisen: Mit zahlreichen Statistiken, Grafiken und Beispielen belegt er, dass es keine Gründe für Panikmache und Hysterie gibt. Flüchtlingskrise, Globalisierung, Zinsentwicklung - Martin Schröder gibt uns Fakten an die Hand, die uns helfen, populistische Scheinargumente und Fake-News zu erkennen und uns selbst sicherer zu fühlen. Denn er ist überzeugt: »Pessimisten beherrschen die Schlagzeilen. Optimisten behalten Recht.« Ein ebenso lehrreicher wie unterhaltsamer Aufruf, wieder optimistisch in die Zukunft zu blicken!

Martin Schröder, geboren 1981, hat seine Promotion am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln verfasst. Seine weitere akademische Laufbahn führte ihn unter anderem nach Harvard, seit 2013 ist er Professor für Soziologie an der Universität Marburg mit den Forschungsschwerpunkten soziale Ungleichheit, Wirtschaftssoziologie, Moral und Wohlfahrtsstaaten. Für seine wissenschaftliche Arbeit wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung. Martin Schröder lebt in Köln.

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Leseprobe

Warum wir Pessimisten zuhören, obwohl Optimisten recht behalten


Wenn Sie zu einem beliebigen Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte geboren werden könnten, welcher wäre Ihnen am liebsten?

Fast alle empirischen Daten zeigen, dass die beste Antwort zugleich die überraschendste ist: Heute! Noch nie hat ein so großer Anteil der Menschheit ein so langes, sicheres und zufriedenes Leben geführt wie heute. Noch nie lief so wenig schief auf der Welt. Krieg in Syrien, Hunger in Afrika, zunehmende Ungleichheit in eigentlich reichen Ländern: All das lässt solch eine Aussage bestenfalls ignorant oder zynisch, schlimmstenfalls unanständig wirken. Doch das ändert nichts an den Fakten: Ich werde in diesem Buch mit Dutzenden objektiven Indikatoren dokumentieren, dass noch nie ein so großer Anteil der Menschheit in Wohlstand und Frieden gelebt hat. Ich werde mit repräsentativen Daten zeigen, dass noch nie so viele Menschen so zufrieden mit ihrem Leben waren, dass noch nie ein höherer Anteil an Ländern demokratisch war, und sogar, dass die Menschen noch nie so intelligent waren. Deutschland ist bei alledem keine Ausnahme. Schaut man sich an, wie lange, gesund, sicher, zufrieden und wohlhabend Deutsche durchschnittlich leben, findet man kaum einen Indikator, der nicht eine Verbesserung anzeigt. Das heißt nicht, dass alles gut ist, aber es heißt, dass das meiste, was Menschen im Leben wichtig ist, heute viel besser ist, als es in der Vergangenheit war. Doch ich werde hier ebenfalls zeigen, wie diese Tatsache von kaum einem wahrgenommen und wie sie von einigen sogar verschwiegen wird. Wir sprechen ständig von Krisen, obwohl es uns noch nie so gut ging. Wir schätzen die Lage der Welt negativer ein, als es objektiv zu rechtfertigen ist.

Über die Hälfte der Deutschen meinen, dass die Welt schlechter wird. Aber 99,5 Prozent aller Deutschen unterschätzen gleichzeitig den realen Rückgang weltweiter Armut.1 Damit wissen die Deutschen zwar nicht weniger über die Welt als Briten, Franzosen oder Amerikaner. Doch im Vergleich mit Schimpansen müssen sie sich geschlagen geben. Immer wieder hat der Forscher Hans Rosling Menschen gebeten, zwischen drei Antwortmöglichkeiten zum Zustand der Welt zu wählen. Die Schimpansen hätten, so will es die Wahrscheinlichkeit, jedes dritte Mal die richtige Antwort gewählt. Doch nicht einem Drittel, sondern lediglich 9 Prozent der Deutschen ist klar, dass 60 Prozent aller Mädchen in Ländern mit niedrigem Einkommen mittlerweile die Grundschule absolvieren; nur 6 Prozent ahnen, das heute weniger als halb so viele Menschen bei Naturkatastrophen sterben wie vor 100 Jahren und 80 Prozent aller Einjährigen geimpft werden. Die Deutschen sind mit ihren pessimistischen Einschätzungen keine Ausnahme. In allen getesteten Ländern stimmt eine Mehrheit der Aussage zu, dass die Welt schlechter wird. 80 Prozent der Befragten können die Fortschritte der Welt jedoch schlechter einschätzen als Schimpansen, weil sie die realen weltweiten Verbesserungen nicht kennen. Kein Wunder, dass Demoskopen von einem Zusammenbruch des Zukunftsoptimismus sprechen.2

Dabei geht es gar nicht um bloßen Optimismus; ich selbst bin kein besonders optimistischer Mensch. Und es geht auch nicht darum, die Welt positiv zu sehen, obwohl sie schlecht ist. Es geht vielmehr darum, sich klarzumachen, dass die Welt anhand messbarer Fakten weitaus besser ist, als wir gemeinhin denken. Es geht nicht um Optimismus, sondern um Realismus. Denn derzeit sind wir pessimistischer, als die Daten es hergeben, und damit messbar dümmer als Schimpansen. Das hat nichts mit Bildung zu tun. Bei den Tests über den Zustand der Welt schneiden viele »Universitätsprofessoren, bedeutende Wissenschaftler, Investmentbanker, Manager von Weltkonzernen, Journalisten, Aktivisten und sogar führende politische Entscheidungsträger […] sogar schlechter ab als der Durchschnitt der Bevölkerung, einige der schlechtesten Ergebnisse überhaupt kamen von einer Gruppe von Nobelpreisträgern.«3 Doch wie kann es sein, dass Menschen Nobelpreise gewinnen, aber die Welt ungenauer beurteilen als ihre auf Bäumen lebenden Artverwandten?

Drei Wahrnehmungsfehler machen uns zu Pessimisten


Drei psychologische Fehler lassen uns die Welt negativer sehen, als sie ist, weil sie unsere Wahrnehmung verzerren. Der erste Wahrnehmungsfehler ist der sogenannte »rosa Blick« auf die Vergangenheit – und ja, er heißt in der Wissenschaft tatsächlich so. Psychologische Experimente zeigen, dass wir die Vergangenheit durch eine rosarote Brille betrachten, selbst wenn sie uns auf die Nerven ging, als sie noch Gegenwart war.4 Denken Sie einmal an Ihre Fotoalben. Diese enthalten fast nie traurige Szenen. Ähnlich funktioniert unser Gehirn. Wir bewahren traurige Erinnerungen kaum auf.5 Das ist schön für die Vergangenheit; doch mit diesem rosa Blick kann die Gegenwart nicht mithalten. Wir schwelgen in Nostalgie, obwohl es uns heute objektiv besser geht.

Der zweite Wahrnehmungsfehler ist der sogenannte Negativitätsbias. Dutzende psychologische Studien zeigen, dass uns negative Signale stärker beeinflussen als positive. Wenn Sie ein Problem haben, denken Sie die ganze Zeit daran. Ist es gelöst, freuen Sie sich allerdings nicht in dem Maße, in dem es Sie vorher belastet hat, sondern vergessen es einfach. Der Anblick einer einzigen Kakerlake kann Ihnen Ihr Lieblingsessen vermiesen. Aber egal wie viele Lieblingsgerichte auch aufgetürmt werden, die eine Kakerlake wird dadurch nicht weniger eklig. Selbst die faktisch selbe Information können Sie sich besser merken, wenn sie negativ verpackt ist: 80 Prozent aller Ehen überdauern die ersten zehn Jahre (positiv), 20 Prozent aller Ehen werden in den ersten zehn Jahren geschieden (negativ). Typischerweise können Menschen sich die zweite, negative Formulierung besser merken, weil schlechte Nachrichten ihre Aufmerksamkeitsfilter leichter passieren.6 Das war früher durchaus sinnvoll. Wer Gefahren übersah, konnte im nächsten Moment tot sein. Wer Positives übersah, hatte höchstens schlechte Laune. Noch heute kann ein Negativitätsbias sinnvoll sein. Denn ohne ihn würde man sich nicht mehr auf wichtige Probleme konzentrieren, sondern lediglich in Freude über das bisher Erreichte schwelgen.

Doch was früher einfach sinnvoll war, ist heute zum Spielfeld einer regelrechten Katastrophenlobby geworden, die mit unserer Angst Geld verdient. Zwar sind wir aufgrund unseres Negativitätsbias von schlechten Nachrichten angezogen wie Motten vom Licht. Doch moderne Medien stellen uns gerne Flutlichtstrahler auf. Denn sie bedienen den – neben der rosaroten Vergangenheitsbrille und dem Negativitätsbias – dritten großen Wahrnehmungsfehler, den Verfügbarkeitsbias. Dieser Denkfehler sorgt dafür, dass wir das Eintreten eines Ereignisses für umso wahrscheinlicher halten, je leichter wir uns an ein ähnliches Ereignis erinnern können. Auch das ist prinzipiell sinnvoll: Was wir öfter wahrnehmen, ist während 99 Prozent der Menschheitsgeschichte auch öfter passiert.7 Doch moderne Medien tricksen diesen Verfügbarkeitsbias aus. Sie können das an sich selbst beobachten: Haben Sie einen Horrorfilm gesehen, erscheint der Flur plötzlich bedrohlich, der gestern noch langweilig wirkte. Haben Sie Der weiße Hai gesehen, wirkt der Strand gefährlich, an dem Sie gestern noch seelenruhig badeten. Experimente zeigen, dass Sie aufgrund dieses Verfügbarkeitsbias heute einen Krieg für wahrscheinlicher halten, wenn Sie gestern einen Facebook-Post über einen Krieg gesehen haben. Dabei ist es egal, ob Ihnen diese Information glaubhaft erscheint.8 Denn ob wir wollen oder nicht, unser Gehirn ersetzt komplizierte Fragen wie »Werden Kriege häufiger?« durch einfache Fragen wie »Habe ich in letzter Zeit etwas über Kriege gehört?«. Und selbst wenn Kriege seltener werden, können Medien mehr darüber berichten, schließlich sehen Journalisten es als ihre Aufgabe an, über das zu berichten, was Menschen nicht sowieso schon erwarten. Und je seltener Kriege, Hungersnöte oder Flugzeugabstürze sind, umso berichtenswerter wird deswegen jeder einzelne. Tatsächlich kann man von keinem Journalisten, dass er berichtet, wie kein Krieg ausgebrochen, keine Hungersnot entstanden, kein Flugzeug abgestürzt und kein Atomkraftwerk explodiert ist. Zudem berichten Journalisten am Dienstag oft nur darüber, was am Montag passiert ist, statt die letzten 10, 20, 50 oder 100 Jahre zusammenzufassen. Und sie unterliegen »denselben Megatrugschlüssen wie jeder andere auch«9 über den Zustand der Welt, sodass sie uns ebenfalls nicht darüber aufklären können, ob die Welt besser oder schlechter wird.

Doch wenn uns niemand informiert, inwiefern die Welt langfristig besser oder schlechter wird, können wir auch nicht beurteilen, ob wir uns heute in Alarmstimmung befinden sollten. Wir sind äußerst bestürzt, wenn 14 Menschen bei einem Terroranschlag in Berlin umkommen. Denn zum Glück sind wir an Terroranschläge nicht mehr gewöhnt. Und so setzen wir diese Nachricht nicht in Relation zu den 30 000 Toten, die an jedem durchschnittlichen Tag des Zweiten Weltkriegs starben und damit damals einen niedrigeren Nachrichtenwert hatten als die Nachricht vom Berliner Anschlag heute. Um zu erklären, warum in einem verheerenden Krieg 30 000 Kriegstote zur medialen Normalität werden, während uns in einer relativ friedlichen Welt 14 Terrortote schrecken, lohnt ein Blick auf das Weber-Fechner-Gesetz. Es besagt, dass wir Steigerungen...

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