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Warum gerade du?

Persönliche Antworten auf die großen Fragen der Trauer

AutorBarbara Pachl-Eberhart
VerlagIntegral
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783641139858
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Einfühlsame Hilfe für die schwerste Zeit des Lebens
Warum musstest du sterben? Warum hört der Schmerz nicht auf? Werde ich jemals wieder glücklich sein? ... Die großen existenziellen Fragen der Trauer - Barbara Pachl-Eberhart musste sie sich allesamt stellen und ihre eigenen Antworten darauf finden. Nachdem sie ihren Mann und ihre beiden Kinder bei einem Unfall verloren hatte, stand auch ihr Leben plötzlich still.

Heute, sechs Jahre später, ist sie eine Frau, die aufgrund ihrer erschütternden Grenzerfahrung große Weisheit und eine heilsame Gefühlskraft weitergeben kann. Ihr neues Buch ist ein Schatz für alle Trauernden und ihre Begleiter. Geschrieben aus einer unermesslichen Tiefe des Erlebens, vermag es Trost und neue Zuversicht zu spenden.

Die gebürtige Wienerin studierte Querflöte an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien, ehe sie neun Jahre lang als Rote-Nasen-Clowndoctor Kinder durch den Krankenhausalltag begleitete. Heute leitet sie Seminare und Fortbildungen im Bereich der Dialogkreisarbeit, der Trauer- und Sterbebegleitung und der kreativ-konstruktiven Lebensgestaltung.

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Leseprobe

Einleitung

»Warum tut das so weh? Warum tut das nur so wahnsinnig weh!?«

Das war die erste große Frage. Die ersten Worte, mit denen meine Trauer ihre Sprachlosigkeit endlich durchbrach. Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem sie, ohne sich vorher anzukündigen, aus mir herausplatzten: der siebzehnte Tag nach dem Unfall – mein Mann, mein Sohn und meine kleine Tochter waren am Gründonnerstag 2008 von einem Zug überfahren worden. Seit mehr als zwei Wochen waren sie nun schon tot. Und ich? Eben noch Mama von zwei kleinen Kindern. Clown von Beruf, Botschafterin der Lebensfreude. Eine junge Frau in der besten Zeit ihres Lebens. Und jetzt, auf einmal: Witwe. Verwaiste Mutter. Allein.

Was ich erleben musste, klingt brutal. Wenn ich heute Menschen davon berichte, was mir im Jahr 2008 geschehen ist, treten vielen von ihnen die Tränen in die Augen, sie beginnen, schwer zu schlucken, und schauen drein, als wäre ihnen ein Ziegelstein in den Bauch gefallen. Ich versuche dann zu erklären, dass ich diese Zeit direkt nach dem Tod meiner Familie ganz und gar nicht als brutal empfand. Im Gegenteil: Ich schwebte in einer Blase, irgendwo zwischen Himmel und Erde, ich fühlte mich geborgen, lebte in einer Traumwelt, in der ich mich eingerichtet hatte, um zu überleben. Meine tote Familie und ich, wir waren einander nah, und alles schien mir gut – zumindest solange ich nicht vor die Tür gehen musste.

Irgendwie gelang es mir, die Beerdigung zu organisieren, sofort danach aber verkroch ich mich wieder in mein Bett. Ich wollte nicht reden, nichts gefragt werden und schon gar nichts antworten. Mein Kopf sollte leer und frei sein, damit ich mich jederzeit in den Himmel träumen konnte. »Es geht mir gut«, antwortete ich auf die SMS meiner Freundinnen – und glaubte mir selbst. Ich wollte, dass alles so blieb, wie es war. Sicher, geborgen hinter verschlossener Tür. Am besten ganz ohne Worte, still und stumm. Einsam fühlte ich mich nicht. Doch die, die außen standen, ahnten bald die drohende Gefahr meiner Isolation. Heute bin ich froh, dass sie die Initiative ergriffen.

Es war meine Clownkollegin Sophie, die mich als Erste aus meiner Höhle lockte. Sie rief an, um zu fragen, ob sie mich zu einem Waldspaziergang abholen dürfe. Ich sagte Ja. Nicht, weil ich Lust darauf hatte – mir fiel bloß so schnell kein Grund dagegen ein. Eine halbe Stunde später waren wir bereits unterwegs. Wir stapften eine Zeit lang querfeldein durchs Unterholz, Sophie voran, ich hinterher, wie in Trance. Kein äußerer Betrachter hätte erkannt, dass wir beide nicht allein waren. Doch der Tod war mit uns gekommen, und alles, was wir miteinander sprachen, musste vor seinem unsichtbaren Antlitz bestehen. Unsere Schritte waren bestimmt, der Weg durch den Wald vertraut. Die Worte, die wir suchten, tanzten hingegen wie auf Eierschalen.

Wir erreichten eine Lichtung und setzten uns ins Gras. Die Sonne schien, ein Schmetterling flatterte neben uns und ließ sich in aller Ruhe auf einen Löwenzahn nieder. Ich schaute empfindungslos durch ihn hindurch. Sophie versuchte mich aufzumuntern. »Ich glaube, im Himmel haben die immer solche Tage wie heute. Hör mal, wie schön die Vögel singen. Ich kann mir gut vorstellen, wie Heli da drüben auf seiner Wolke mitträllert, was meinst du? Vermutlich spielt er sogar auf seiner Ukulele.«

Ich lächelte, dankbar für das, was meine Freundin da sagte. Ja, genauso stellte auch ich mir den Himmel vor. Glücklich, lebendig, frei. Ich hielt mein Gesicht in die warme Sonne und lauschte den Vögeln. Zum ersten Mal seit langer Zeit atmete ich bis in meinen Bauch hinein. Und da, von einem Moment auf den anderen, schlug meine Stimmung um. Das Glück des Himmels war verschwunden. In mir tobte eine Feuersbrunst. Da war sie: die erste Begegnung mit dem Urschmerz der Trauer.

»Warum tut das nur so weh?«

Die einfache Antwort war mir klar, schon damals, im Wald. Natürlich: Wir weinen um unsere Toten, weil wir sie vermissen. Wir lieben sie, aber sie sind nicht mehr da. Die Sehnsucht brennt wie Feuer. Klar tut das weh.

Sophie hat diese naheliegenden Gedanken nicht ausgesprochen. Sie wusste: Es war nicht wichtig. Viel wichtiger war es, zu schweigen und einfach auszuhalten, was geschah. Meine Freundin hielt still, sie blieb bei mir, bis ich meine Frage hundertmal wiederholt hatte, in allen Tonarten, jammernd, vorwurfsvoll, gepresst, gequält, voll Selbstmitleid. Sophie hielt durch, so lange, bis mein Schmerzanfall verklungen war und ich keine gesabberten Worte mehr brauchte, um mich zu entladen.

Bis heute ist Sophie als Freundin bei mir geblieben. Sie begleitet mich auf der Achterbahn meiner Gefühle, sie lacht mit mir, wenn ich mich mit waghalsigen Plänen am Leben versuche, sie erträgt die Stille und auch die immer wiederkehrende, unendlich tiefe Frage nach dem Sinn. Immer wieder hat mir Sophie ihr Ohr geschenkt, und sie hörte nicht nur das, was ich sagte, sondern auch das, was ich zu sagen versuchte. Sie versteht es gut, so lange zu warten, bis mein Herz seine eigenen Antworten findet und mein Mund in der Lage ist, sie zu formulieren.

Dieses Buch schreibe ich als Dank an Sophie – und all die anderen Frauen und Männer, die mir dabei geholfen haben, über den Tod und mein Leben nach, nein, mein Leben mit dem Tod nachzudenken. Ich schreibe es für alle, die selbst Fragen stellen, die weinen und manches Mal verzweifelt sind. Ich schreibe dieses Buch für Sie, wenn Sie einen geliebten Menschen verloren haben. Und für die Menschen, die Sie begleiten, in Gesprächen, aber auch in der Stille der Sprachlosigkeit.

Trauer macht stumm. Um das Schweigen zu durchbrechen, brauchen Sie und auch Ihre Begleiter großen Mut, Fettnäpfchen und Missverständnisse gehören dazu. Vielleicht kann dieses Buch Ihnen Worte schenken für das, was Sie fühlen und erleben. Vielleicht kann es Ihren Begleitern ein Bild davon vermitteln, wie es Ihnen geht, und den Menschen in Ihrer Umgebung erklären, warum Trauernde sich nicht immer so verhalten, wie man es von ihnen erwartet.

Natürlich maße ich mir nicht an, zu wissen, wie es in Ihrem Inneren aussieht. Möglicherweise möchten Sie mir an der einen oder anderen Stelle sogar heftig widersprechen, weil Sie ganz anders denken und fühlen als ich. Oft ist es gerade der Widerspruch, der uns als Trampolin dient, von dem wir uns abstoßen und in Bewegung kommen. Da, wo wir widersprechen, sprechen wir immerhin.

Dieses Buch enthält meine persönlichen Antworten auf die großen Fragen der Trauer. Ich erzähle Ihnen, was ich meiner Trauer heute sage, wenn sie mich wieder einmal fragt, warum meine Kinder sterben mussten, wo ihr Leben doch gerade erst begonnen hatte. Was ich meiner Angst antworte, wenn sie mir weismachen will, dass die Erinnerung an meine Familie langsam verblasst. Ich will Sie in die Gedanken einweihen, die mir helfen, den Schmerz meiner Trauer besser zu ertragen. Und ich lade Sie ein, mit mir gemeinsam zu fragen: Können wir auch nach schmerzhaften, existenziellen Verlusten eines Tages wieder glücklich sein?

Wo bist du? Wie soll ich den Schmerz ertragen? Warum musstest du sterben? Kann ich jemals wieder glücklich sein? So lauten einige der Fragen, die ich in diesem Buch behandle. Ich habe jene Fragen ausgewählt, die mich immer wieder besuchten, die nachts in meinem Kopf herumspukten und sich jedem Versuch, sie mit einfachen Mitteln abzuspeisen, widersetzten. Gerade deshalb wurden mir diese Fragen im Lauf der Zeit zu einer Quelle vielfältiger Inspiration.

Natürlich gibt es auf jede dieser Fragen schnelle, einfache Antworten. Sie rutschen leicht über die Lippen – aber kaum jemals kommen sie da an, wo wir sie wirklich brauchen: im Herzen, im Bauch und in unserer verletzten Seele, die um Hilfe ruft. Wenn wir trauern, dürfen wir lernen, geduldig zu sein, mit uns und mit dem Leben, das uns Antwort gibt. Wir müssen, ja, wir sollen die großen Rätsel nicht sofort auflösen. Sie sind zu wertvoll, um allzu schnell abgehakt zu werden. Die Fragen der Trauer sind ein Schatz, eine wichtige Wegzehrung. Wir brauchen sie dringend als Begleiter auf dem Weg zu uns selbst.

Ich habe im Lauf der letzten Jahre gelernt, die Fragen auszuhalten. Mit ihnen zu leben, als wären sie Gäste in meinem Haus. Dabei bin ich immer wieder auf neue, überraschende Antworten gestoßen. Kleine, zerbrechliche, durchsichtig poetische – aber auch tragfähige Antworten, die das Fundament meines Lebens stabiler werden ließen als je zuvor. Ich fand sie nicht, indem ich grübelte. Ich musste vor die Tür gehen und mich dem Leben anvertrauen. Erst in der Begegnung mit der Welt entdeckte ich Metaphern, Geschichten und Parabeln, durch die ich Einsicht gewann. In der Auseinandersetzung mit meiner Gegenwart erkannte ich den Sinn dessen, was in der Vergangenheit geschehen war. Ich lebte, und ich ließ mir Zeit.

Viele Knoten in Kopf und Bauch lösten sich erst, als ich mir erlaubte, durchs Leben zu schlendern, Umwege zu machen und weite Kreise zu ziehen. Nach und nach befreite ich mich von vielen Ansprüchen, die ich an mich selbst und an das Leben gestellt hatte. Wer ungeduldig zieht und zerrt, kann die leisen, zart schwingenden Antworten nicht hören. Doch wenn wir dem Leben auf milde, wohlwollende Weise die Hand reichen, können wir uns letztlich sogar mit dem Tod versöhnen.

Oft treffe ich bei meinen Vorträgen und Lesereisen Menschen, die verunsichert sind, wenn es um die Begegnung mit Trauernden geht. »Was kann ich bloß sagen? Wie kann ich trösten?«, fragen sie. Sie sehnen sich insgeheim nach Rezepten, nach Zauberworten, mit denen sie die Tränen und die ratlose Erstarrung verscheuchen können. Solche Zauberformeln kann ich nicht anbieten –...

Blick ins Buch

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