»Aller Anfang ist schwer«, sagt der Volksmund. Wie verhält es sich mit dem Anfang einer Therapie bzw. Beratung? Wie beginnt man ein Coaching? Natürlich mit Worten, oder allgemeiner, mit Zeichen, ließe sich antworten. Weil Worte eben auch Taten sind, ist das Problem des Anfangs eines des Anfangens, des Beginnens. Ein Anfang ist also nicht einfach da, sondern er muss aktiv gemacht werden. Mit einer Therapie oder Beratung beginnt ein Prozess innerhalb einer gewissen Zeit, der initiiert und markiert werden muss, damit er zum produktiven Rahmen sinnvollen Geschehens werden kann. Weil Fragen die Seele des Denkens und der systemischen Methode sind, fragen wir am Anfang natürlich nach dem Anfang und danach, wie ein solcher Prozess begonnen werden sollte, damit er Aussicht auf Erfolg verspricht. Es braucht dazu weder faulen Zauber noch Hexerei, sondern einfache und klare methodische Grundregeln, die wir in diesem Buch formulieren, ohne deren theoretische und methodologische Basis aus den Augen zu verlieren. Die erste Warnung, die wir hier aussprechen müssen, ist:
Dieses Buch ist nichts für Tooligans!
Bekanntermaßen bevorzugen Systemiker (Kybernetiker) Schifffahrtsmetaphern. Mit der Kybernetik, der Steuermannskunst, lässt uns Heraklit, der Philosoph des Wandels, grüßen. Die Grundfragen, wohin die Reise gehen und wozu das Schiff dienen soll – ganz gleich ob es »Therapie«, »Coaching« oder »Beratung« genannt wird –, sind meist ebenso wenig klar wie der Weg zum gesuchten Ziel. Oft müssen wir in See stechen, ohne das genaue Ziel zu kennen. Wer ist mit an Bord, wer soll wie steuern, mit welchen Winden (Ressourcen), mit welchen Untiefen und stürmischen Ambivalenzen ist unterwegs zu rechnen, usw.? Dabei ist es für den Coach oder die Therapeutin ebenso wichtig an die Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte anzukoppeln, die die Passagiere mit dem Reiseziel verbinden, wie mit den Ängsten beim Verlassen des sicheren Hafens des Vertrauten zu rechnen.
Es geht zunächst um beraterische Methodik, um das Was und wie es wann gesagt werden sollte, damit ein imaginärer Möglichkeitsraum erzeugt werden kann, in dem Klienten ihre Lösungen suchen und erkunden können und eine tragfähige Beziehung zwischen Klienten und Beratern zustande kommt (Frage 1).
Wer sucht, der findet?
»Probleme« gelten als »Eintrittskarten« in ein Coaching oder eine Therapie; ist es deren Aufgabe Probleme zu lösen oder Lösungen zu finden, wie man einen verlorenen Schlüssel findet? Weil es weder Probleme noch Lösungen an sich gibt, sondern nur für jemanden, der eine Diskrepanz erlebt zwischen dem, wie etwas ist und dem, wie es sein sollte, müssen »Lösungen« durch die Beteiligten selbst kreiert werden.
Die Suche nach der Lösung des »Problems« ist paradox, weil es die Suche nach etwas ist, das man (noch) nicht kennt, und man daher gar nicht wissen kann, wann man es gefunden hat. Was heißt das für Therapie und Beratung, wo es um Lösungsfindung geht? Wie ist ein Weg zu gehen, der noch nicht vorhanden ist (Frage 2)? Sieht man mit dem Zweiten besser?
Unterwegs kann sich das Reiseziel als Utopie erweisen, es kann sich verändern, es können Passagiere hinzukommen oder von Bord gehen, es kann fraglich werden, ob ein Personalwechsel an Bord sinnvoll ist oder ob man zu zweit auf der Brücke (Co-Therapie/-Beratung) einen besseren Job für die Passagiere machen kann. Mit den Vor- und den Nachteilen einer Co-Therapie/-Beratung und dem, was beide im Auge behalten müssen, wollen sie während der Fahrt gut kooperieren, befasst sich Frage 3.
Sie wünschen – wir spielen?
Manches Mal möchten Klienten weitere Personen mit an Bord nehmen oder es stellt sich aus beraterischer Sicht die Frage, ob der Personenkreis, der an der Beratung/Therapie teilnimmt, verändert werden soll. Mit den Implikationen der Frage, wann ein solcher Settingwechsel sinnvoll ist, was er methodisch bedeutet, wie und wann er eingefädelt werden sollte, beschäftigt sich die 4. Frage.
Was für den Anfang gilt – dass er nicht »natürlich« ist, sondern eine Kunst, also erzeugt, gemacht werden muss –, gilt auch für das Ende eines Beratungs- oder Therapieprozesses. Das Beenden einer professionellen Beziehung ist Resultat eines Entscheidungsprozesses. Dabei muss das Beenden nicht notwendigerweise einvernehmlich geschehen. Gewählte Beziehungen sind einseitig kündbar, sowohl vom Klienten wie von Therapeuten oder Coaches. Wie dabei vorzugehen, was zu berücksichtigen ist und welche Fallstricke es geben kann, davon handelt die letzte Frage dieses Kapitels. Fangen wir also ordentlich von vorne an und fragen danach.
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, heißt es bei Hermann Hesse. Was ist der Zauber des Anfangs bei einer Therapie, bei einem Coaching? Wie sollen wir eine Therapie beginnen? Unsere Frage fokussiert auf den Anfang des Erstgesprächs, die erste Face-to-face-Begegnung zwischen Klient(en) und Therapeut, Coach oder Beraterin. Wie sollte die Beziehung zu unseren Klienten gestaltet werden? Wie wird welches Beziehungsangebot von Seiten des Therapeuten gemacht? Die Mittel, auf die wir unser Hauptaugenmerk hier richten, sind sprachlicher Natur: Welche Fragen, welche Informationen, welche Definitionen gehören an den Anfang des Erstgespräches? Anders formuliert: Wie sollte Sprache benutzt werden, damit ein Rahmen geschaffen wird, in dem die inhaltlichen Ziele der Klienten bearbeitbar sind und die Prozessziele des Therapeuten erreicht werden können?
Wir wollen unsere Ausgangsfrage in zwei Fragen differenzieren: 1. Wie sollte das erste Gespräch definiert werden? Das betrifft die Zielsetzung des Therapeuten für das Erstgespräch ebenso wie die Anliegen der Klienten. 2. Wie sollte das Gespräch geführt werden, damit die therapeutischen Aufgaben und Ziele erreicht werden? Das betrifft die therapeutische Methodik.