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Weimar

Kleine Stadtgeschichte

AutorDetlef Jena
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2019
ReiheKleine Stadtgeschichten 
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783791761633
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
'O Weimar! dir fiel ein besonder Los ...' - die Menschen strömten und strömen in Scharen an die Ilm, und auch heute noch gilt das bekannte Goethe-Wort. Weimars Bürger grüßen die Gäste mit urbanem Selbstbewusstsein: mit viel Gefühl für die fürstlichen Mäzene des 'Musenhofs', mit Stolz auf die bewegte, prominent und illuster bevölkerte Geschichte. 'Weimarer Klassik' und 'Bauhaus' zählen heute zum UNESCO-Welterbe. All das erzählt diese Kleine Stadtgeschichte - originell, kurzweilig und kenntnisreich. Doch auch die dunklen Kapitel werden nicht ausgespart. Vom diktatorischen Missbrauch des edlen 'Mythos Weimar' wird ebenso berichtet wie von der deutschen Kulturmission. Weimar atmet frei, und nichts Menschliches ist ihm fremd - auch nicht bei seinem Goethe! Dieses Buch liefert einen neuen Blick auf die Kulturstadt und ihre reiche Geschichte.

Detlef Jena, Prof. Dr. sc. phil., geb. 1940 in Wittenberge, war Professor für Osteuropäische Geschichte in Jena. Zahlreiche Publikationen zu historischen Themen.

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Leseprobe

Ein Ort nirgendwo in der Mitte Europas


Weit, hoch, herrlich der Blick
Rings ins Leben hinein!
Von Gebirg zu Gebirg
Schwebet der ewige Geist,
Ewigen Lebens ahndevoll
.
JOHANN WOLFGANG VON GOETHE
AUF DEM ETTERSBERG

Von der Ehringsdorferin bis zum Thüringer Reich: Weimars Ursprünge


Die Ur-Weimarerin lebte im heutigen Ortsteil Ehringsdorf. Kam sie nur zu Besuch, wer hat sie begleitet, war sie vor 200.000 Jahren oder früher hier? – Das sind Anfangsfragen an Weimar und dessen Geschichte. Tatsache ist, dass die Weimarer Mulde für die Urväter und Urmütter über Jahrtausende hinweg eine beliebte Verweilregion gewesen ist. Die relative Zeitlosigkeit hat den frühen Menschen begleitet, und der hat seine Schnurkeramiken und Glockenbecher, aber dann auch schon Äxte und Schmuck recht arglos liegen gelassen.

Das eifrig frequentierte Ilmtal lockte Ackerbauern und Viehzüchter an. Darüber vergingen Jahrtausende. Weimarer Gräberfelder aus den Jahren um 2000 v.Chr. erscheinen da schon fast modern! Kelten wie Germanen haben zwischen 1000 v. Chr. und 500 n. Chr. – grob überschlagen – wahre Schätze ihrer Stammeskulturen aus Haus, Hof, Acker und Wald, aber auch im kriegerischen Feld so fest in die Erde gepresst, dass die Ur- und Frühgeschichtsforscher allzeit gute Arbeit haben. Die frühen Thüringer (Toringi), formiert von ortsansässigen und aus dem Osten zugewanderten Stämmen, taten ein Übriges, um den Ortsnamen »Weimar« in die Welt zu bringen. Sie prägten den Begriff Vimari und bedachten damit ihre an einem heiligen See gelegene Kultstätte. Es wäre zu schön, wenn der Weimarer Schwansee gemeint gewesen wäre, der sich fabelhaft in die historische Gesamtvita der Stadt einpasst.

Szenen aus dem Leben des Bonifatius: Heidentaufe (oben) und Märtyrertod (unten) im Fuldaer Sakramentar (Anfang 11. Jahrhundert)

Der Wichtigkeit Weimars angepasst erscheint auch seine Erwähnung als Knotenpunkt im großen Thüringer Königreich des 5./6. Jahrhunderts. Die Könige Bisin und Herminafried dürften Wimari besucht haben. Zumindest sprechen die Gold- und Silberfunde im späteren Jakobsviertel von der Existenz schon privilegierter Persönlichkeiten. Es war das Jahrhundert der Völkerwanderung, des Vorstoßes der Hunnen unter König Attila aus dem Innern Asiens, in dem das Thüringer Reich zu europäischer Größe gewachsen ist. Nach der Unterwerfung in der Schlacht an der Unstrut 531 durch ein fränkisches Heer und dem Untergang des Thüringer Reichs verlosch zugleich Wimaris bescheiden aufflackerndes Licht in der Geschichte. Abseits fränkischer Machtpolitik wurde erst ein Jahrhundert später durch die Merowinger ein Herzogtum Thüringen gegründet, und die Missionsreisen v. a. des heiligen Bonifatius zur Christianisierung führten 741 zur Gründung des Bistums Erfurt.

Die religiös-politische Aufwertung der Region erfasste auch das Ilmtal und förderte den Zuzug slawischer Siedler. Der überzeugende Beleg: ein befestigter Adelshof mit frühchristlicher Martins-Kirche als Kern einer auf Sesshaftigkeit orientierten Gemeinde. 899 tauchte in einer Urkunde des Kaisers Arnulf zum ersten Mal ein Ort namens Vvigmara auf. Weimars Annalen vermerken stolz die damit verbundene historische Ersterwähnung der Stadt. Ganz sicher ist die Vermutung allerdings nicht!

Im Vergleich zu den vorausgegangenen Zeiten nahm das Tempo der urbanen Evolution jetzt erheblich an Fahrt auf. Bereits 949 hat sich ein Adelsgeschlecht, das den modischen Vornamen Wilhelm favorisierte, in dem zur Burg ausgebauten Adelssitz etabliert. Prompt wurden die Wilhelme in regionale Händel verwickelt, unter denen die Bewohner auf dem ziemlich eng begrenzten Areal der späteren Jakobsvorstadt zu leiden hatten. Die dort siedelnden Menschen haben reichhaltige Artefakte hinterlassen. Ihre Namen, Gesichter oder gar Gefühle bleiben im Dunkel der Geschichte verborgen.

Weimar tritt bescheiden in die Geschichte ein


Sollte der Name Vvigmara aus dem Jahre 899 tatsächlich »unser« Weimar gemeint haben, so wurde daraus bis zum Jahre 975 Wimares – so in einer Urkunde König Ottos II. für das Kloster Fulda –, ein kleiner Ort mit frühmittelalterlichen Strukturen, möglicherweise gruppiert um eine Wasserburg, deren Herr Graf Wilhelm war. Die Grafen von Wimares dehnten ihren Besitz an der Saale aus und nahmen endlich den Titel der Grafen von Weimar-Orlamünde an.

Die Grafenburg stand vielleicht schon am Platz des späteren Weimarer Stadtschlosses. Schritt für Schritt wuchs die Siedlung als Versorgungsraum für die Burgherren zur Jakobsvorstadt heran. Eine ältere Linie der Grafen von Weimar-Orlamünde starb 1122 aus. Nach Erbstreitigkeiten fiel der Besitz schließlich an das Adelsgeschlecht der Askanier. Albrecht der Bär, Markgraf von Brandenburg, ließ seinen Sohn Hermann I. als Graf von Orlamünde-Weimar die thüringischen Besitzungen verwalten.

Die Askanier behaupteten sich über Jahrzehnte hinweg tapfer gegen die nicht minder unersättlichen Machtansprüche der Ludowinger – der Landgrafen von Thüringen. Sie verteidigten ihre Burg und gründeten im Oberenwimare ein Zisterzienserinnenkloster. Die Klosterkirche St. Peter und Paul wurde bis in das 13./14. Jahrhundert mehrfach umgebaut und erweitert – ein Beleg für die standhafte Etablierung der Grafschaft und dafür, dass Oberweimar neben der Jakobsvorstadt und der Burg zum dritten Siedlungskern der späteren Stadt heranwuchs.

1250 – Eine kleine Stadt wird geboren!


Um 1250 folgte ein historischer Schritt: Graf Hermann III. von Weimar-Orlamünde, dessen Wappen später als Stadtwappen dienen sollte, gründete offiziell die Stadt Weimar mit eigenem Marktrecht und niederer Gerichtsbarkeit. Zunächst nahm die befestigte innere Stadt nur den Raum des historischen Eisfeldes (der Name existiert heute noch) und des aktuellen Herderplatzes, des früheren Töpfermarktes, ein.

Ein Rathaus und die Kirche St. Peter dominierten einen Marktplatz; ein Gebäude für den ortsansässigen Deutschritterorden kam hinzu. Das Jakobstor, das Kegeltor und das Frauentor grenzten den Stadtkern gegenüber der Burg und der Jakobsvorstadt sowie dem Kloster in Oberweimar ab.

So trutzig und gegliedert das Gemeinwesen auch wirkte, es besaß einen gravierenden Nachteil: Weimar entstand abseits so bedeutender Handelsstraßen wie der via regia, die einen nachhaltigen Einfluss auf das Wachstum aller sie berührenden städtischen Zentren ausübten. Weimars wirtschaftliche Infrastruktur befriedigte eigene Bedürfnisse. Es besaß zugleich einen natürlichen Schutz: Die Ilm erlaubte ein verzweigtes Grabensystem, das durch Wälle oder Palisaden ergänzt wurde.

Aus der Gründungsperiode haben einige Details die Zeiten überlebt. 1262 dokumentierte z. B. ein Siegel mit der Inschrift sigilum civium nostrorum in Wimar eine organisierte Bürgerschaft mit eingesessenen Handwerkern, die u. a. in der Windischenoder Gerberstraße (Louvergasse) arbeiteten.

Wie fleißig Handwerker und Kaufleute auch in schlichten Behausungen wirkten: Verheerende Rückschläge blieben nicht aus. 1299 brannte nahezu die gesamte Stadt, einschließlich der Burg nieder. Der Wiederaufbau erweiterte den Stadtkern bis auf den heutigen Marktplatz. Ein neues Rathaus erleichterte der Verwaltung die Übersicht über das Tun der Bürger.

Hunderte Zuwanderer erwarben bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts das Bürgerrecht. Sie wussten es zu nutzen, dass Weimar sich seit 1348 selbst verwalten durfte, eine eigene Ratsverfassung besaß, Polizeirechte ausübte und seit 1370 über die eigene Finanzhoheit verfügte.

Die Bürger mussten für ihre eigene Sicherheit sorgen. Mit hohem Kostenaufwand errichteten sie Mauern, Türme und Tore aus Stein. Bis ins 16. Jahrhundert dauerte der Bau der Stadtbefestigungen. Ein doppelter Mauerring prägte das Stadtbild und festigte den Bürgerstolz, der auch in einer seit 1430 existierenden Schützengesellschaft zum Ausdruck kam, die sich bei der Verteidigung der Stadt ebenso bewährte wie bei ausgedehnten Schützenfesten.

HINTERGRUND

WEIMARS STADTWAPPEN

Der Löwe im herzbestreuten Schild ist zunächst das Wappen der Grafen von Weimar-Orlamünde gewesen. Seine ursprüngliche blaue Färbung geht auf die dänische Prinzessin Sophia, die Gemahlin Siegfrieds III. (1176–1206), zurück. Nach Übergang der Grafschaft in wettiner Besitz wurde es schwarz umgefärbt.

In der Zeit von 1938 bis 1945 wurde ein neues Stadtwappen verwendet: ein aus vier Adlerköpfen gebildetes, altrotes Hakenkreuz in Goldfassung, über das ein goldenes,...

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