1 Der Versicherungsmakler als Unternehmer
Eine Versicherungsmaklerunternehmung ist trotz ihrer Besonderheiten und oft kleinen Größe ein Unternehmen im betriebswirtschaftlichen Sinne. Der selbstständige Versicherungsmakler sollte daher nicht nur als Vermittler und Berater, sondern auch als Unternehmer agieren.
Ein Versicherungsmakler ist steuerrechtlich der Berufsgruppe der Gewerbetreibenden zugeordnet. In der Realität ist es so, dass jeder Versicherungsmakler täglich unternehmerische Entscheidungen fällen muss, aufgrund der geänderten regulatorischen, wirtschaftlichen und versicherungsspezifischen Rahmenbedingungen mitunter häufiger und einschneidender als einige Manager eines mittelgroßen Wirtschaftsunternehmens aus dem Handels- oder sonstigen Dienstleistungsbereich.
Trotzdem wissen viele Versicherungsmakler, oft wegen des täglich vorhandenen Entscheidungsdrucks, im Allgemeinen so wenig über die wirtschaftlich-kaufmännischen Zusammenhänge (Betriebswirtschaftliche Auswertungen/BWA, Summen- und Saldenliste, Steuern/Steuervorauszahlungen), dass sie auf fremde Hilfe angewiesen sind. Diese Hilfe wird dann selten uneigennützig gewährt, kostet häufig erhebliches Geld und führt – leider – nicht immer zum gewünschten Erfolg.
Entscheidungen unternehmerischer Art hat der Versicherungsmakler zu treffen im Personalbereich, bei der Risikoanalyse und Entscheidung sachgerechter Deckungskonzepte, in der Arbeits- und Zeiteinteilung, in Finanzfragen, bei der Kostenüberwachung und nicht zuletzt bei Vertriebsentscheidungen, die besonders sorgfältig geplant sein müssen. Ganz zu schweigen von den vielfältigen Problemen, die er in zunehmendem Umfang hinsichtlich neuer regulatorischer und provisions- bzw. honorarpolitischer Maßnahmen zu meistern hat und die ihn jedes Mal erneut vor die unternehmerische Frage stellen, ob sich dadurch seine wirtschaftliche Lage stabilisiert, verbessert oder aber verschlechtert, mit den jeweils entsprechenden Folgen für ihn und seine Familie.
Weil die Versicherungsmaklerunternehmung ein so diffiziles wirtschaftliches Gebilde darstellt, muss ihr erst recht im Zusammenhang mit einer geplanten Veräußerung oder bei der Aufnahme eines Partners besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Bei einem solchen Vorhaben treffen Ansprüche und Wünsche, Machbares und Undurchführbares aufeinander. Gerade deshalb kann ein so differenzierter Organismus mit all seinen zusätzlichen Besonderheiten bei der schwierigsten Frage, nämlich der nach seinem innewohnenden Wert, nicht so behandelt werden, als habe man es mit einer handelsüblichen Ware zu tun, die es nur (mit dem Umsatzmultiplikator) abzuwiegen gilt.
Das Gegenteil ist der Fall: Ein filigranes und komplexes Konglomerat sich gegenseitig bedingender wirtschaftlicher sowie versicherungs- und vermittlerspezifischer Einflüsse ist säuberlich zu trennen, zu gewichten und ins rechte Verhältnis zueinander zu bringen, um es dann den Marktgegebenheiten entsprechend zu bewerten und neu zusammenzufügen. Neben einer Vielzahl objektiver Positionen zählen dazu in beträchtlichem Umfang |4|die Persönlichkeit des Versicherungsmaklers, sein Können und die Akzeptanz durch seine Kunden.
Die Güte des Versicherungsbestands und die daraus erzielten Gewinne bestimmen den Wert der Maklerunternehmung. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis des Versicherungsbestands bzw. der Maklerunternehmung. Der abgebende Versicherungsmakler möchte einen möglichst hohen Veräußerungspreis erzielen, der Übernehmer oder künftige Partner möchte einen möglichst niedrigen Preis zahlen. Im Verhandlungswege sollte ein Preis ausgehandelt werden, der eine angemessene Vergütung für das Lebenswerk des Veräußerers und gleichzeitig für den Erwerber eine wirtschaftlich vertretbare Investition darstellt.
Es werden zunächst im Kapitel A einige Grundlagen dargestellt, bevor im Kapitel B die Einflussgrößen und Vorgehensweise dargestellt werden, die zu einer sachgerechten Bestands- bzw. Unternehmenswertbestimmung führen. Sie sollen dem Versicherungsmakler die notwendigen Anhaltspunkte geben, wenn er vor einer wichtigen Entscheidung steht, zum Beispiel dem Bestandskauf, Bestandsverkauf oder der Aufnahme eines Partners sowie anderen Anlässen, die im Einzelnen skizziert werden. Die Kapitel C, D und E geben einige praktische Hinweise zur Vertragsgestaltung, Haftung und Finanzierung des Kaufpreises.
Im Abschnitt G werden für den Versicherungsmakler einige Musterverträge beigefügt, die für ihn im Rahmen der praktischen Umsetzung hilfreiche Anhaltspunkte geben können.
2 Historische Entwicklung der Wertermittlung von Versicherungsmaklerunternehmungen
Seit Handel getrieben wird, Steuern eingefordert und Aufzeichnungen über Vermögens- und Schuldenposten gemacht werden, steht auch die Frage nach dem Wert wirtschaftlicher Unternehmen an, wenn sie zum Beispiel veräußert, verschenkt oder enteignet werden sollen.
Zunächst bestand die Bewertung darin, Vermögensteile mit ihrem Wert zu einem bestimmten Stichtag zu versehen, bevor verfeinerte Methoden eingeführt und stetig verbessert wurden. Sehr wesentlich von den ursprünglichen Methoden weichen die heute gängigen Verfahren ab, die einen Schwerpunkt im „nachhaltig erzielbaren zukünftigen Ertrag“ eines Unternehmens sehen. Ausgenommen davon sind auch heute noch praktizierte Verfahren, die denen der Vergangenheit gleichen, so z.B. das Substanzwertverfahren, mit dem die Vermögens- und Schuldenposten eines Unternehmens erfasst und bewertet werden; daraus wird dann sein Wert festgelegt.
Was für Unternehmen jeder Art also bereits seit geraumer Zeit praktiziert wurde, fand auch in der Bewertung von Versicherungs- und Maklerunternehmen seinen Niederschlag.
|5|Im 14. Jahrhundert traten Versicherungsmakler erstmals an den Seehandelsplätzen Mittel- und Oberitaliens auf. Sie leisteten Hilfe bei dem Entwurf komplizierter Seeversicherungspolicen. Noch im selben Jahrhundert breitete sich das Versicherungsmaklerwesen von dort zu den wichtigen Handelszentren der Niederlande aus und gelang schließlich im 16. Jahrhundert über Spanien und Portugal nach England als auch nach Deutschland.
1591 wurde der erste Hamburger „Feuerkontrakt“ abgeschlossen. 1676 wurde die Hamburger Feuerkasse gegründet, die nach eigenen Angaben als ältester Feuerversicherer der Welt gilt. Im 19. Jahrhundert wurde der Umfang der versicherten Gefahren erweitert. Bei der Hamburger Feuerkasse wurde beispielsweise 1822 die Haftung für Blitzschäden übernommen, auch wenn kein Feuer entsteht, 1833 die Neuwertversicherung eingeführt etc.
Der Ursprung des Versicherungsmaklerwesens fällt zusammen mit dem Abschluss der ersten Versicherungsverträge. Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Hamburgische Maklerverordnung von 1654 erlassen, in der Versicherungsmakler erstmals gesetzlich als Makler in „Assecurants“ genannt wurden.
In den folgenden Jahrhunderten wurden verschiedene Maklerordnungen und deren Ergänzungen, Eide und Pflichtenbestimmungen festgelegt.
Eine bedeutende Wende ergab sich mit Inkrafttreten des „Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches“ im Jahre 1861 und durch das 1871 ergangene „Gesetz, betreffs Aufhebung des Institutes der beeidigten Makler…“. Es beseitigte das Monopol des beeidigten Maklertums. Von da an trat ein einfacher Gewerbeschein an die Stelle der Vereidigung.
Mit der zunehmenden Konkurrenzdichte wurde die Übernahme eines bereits eingeführten Maklerunternehmens zunehmend attraktiver. Langsam bildeten sich „Marktpreise“ heraus, die sich überwiegend an den Umsätzen orientierten. Das galt für Steuerberater, Architekten und Rechtsanwälte ebenso wie für Notare, deren Praxen in andere Hände übergehen sollten.
So blieb nicht aus, dass auch der Wert von Versicherungsmaklerunternehmen in die Diskussion kam, da diese mit zum Teil hohen Umsätzen und Erträgen bei der Aufgabe der Maklertätigkeit einen entsprechenden Gegenwert hatten.
Der Wert einer Versicherungsmaklerunternehmung wurde im 20. Jahrhundert von der Versicherungspraxis dahingehend ausgerichtet, dass eine Quote vom Umsatz als Orientierungsmarke vorgegeben wurde, an der man sich lange, d.h. bis zum heutigen Tag, ausrichtete. Zweifelsfrei wurde damit auch bekundet, dass eine Versicherungsmaklerunternehmung einen „Marktwert“ besitzt, wenn auch diese Einfachformel von Anfang an kaum je den richtigen Wert eines Versicherungsbestandes oder einer Versicherungsmaklerunternehmung darstellen konnte. Aber – sie war immerhin ein Anhaltspunkt.
Je nach Opportunität wurde im Laufe der Folgejahre dann mal diese, mal jene Quote mal vom Umsatz, mal vom Gewinn verwendet; eine einigermaßen verlässliche Bewertung war damit nicht vorhanden. Mit einer Faustformel lässt sich eine Versicherungsmaklerunternehmung mit all ihren Besonderheiten nun einmal nicht bewerten. Zu unter|6|schiedlich sind oft die Ausgangspositionen: Hohe Stornoquoten in ggf. aufwendigen und personalintensiven Unternehmen mit relativ geringen Gewinnquoten stehen beispielsweise anderen, einfach ausgestatteten Unternehmen mit relativ hohen Gewinnquoten gegenüber. Wie kann eine auf den Umsatz ausgerichtete Formel z.B. den Wert eines Versicherungsbestandes bzw. einer Versicherungsmaklerunternehmung richtig treffen, wenn sich qualitativ sehr unterschiedliche Verträge im Bestand befinden und deutliche Gewinnunterschiede...