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E-Book

Wir Kinder der 80er

Porträt einer unterschätzten Generation

AutorChristoph Quarch, Evelin König
VerlagRiemann
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783641106812
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Clique, Quatschen, Kuschelrock
Wissen Sie noch, wie man ein Münztelefon bedient? Sagt Ihnen der Begriff »Bandsalat« etwas, oder weckt der Anblick von Lichterketten nostalgische Gefühle? Wenn ja, gehören Sie vermutlich dazu - zu denen, die zwischen 1960 und 1975 geboren wurden und bis heute nicht wissen, was ihre Generation ausmacht. Als sie erwachsen wurden, war die Revolution längst gelaufen und die große Party vorbei. Politik war langweilig, denn es regierte immer nur der Dicke, Birne genannt, aber man demonstrierte für den Frieden. Wer ist diese Generation, die heute die Mitte der Gesellschaft bildet?

Christoph Quarch und Evelin König zeichnen mit feiner Ironie ein Psychogramm der Babyboomer und wagen ihre Rehabilitation. Denn diese Generation hat weit mehr zu bieten, als sie selbst es glaubt!

Dr. Christoph Quarch (*1964) ist Philosoph, Autor, Keynote-Speaker und Platon-Spezialist. Er berät Unternehmen, lehrt Ethik und Wirtschaftsphilosophie an drei Hochschulen und veranstaltet Philosophiereisen. Mit seiner SWR-Radiokolumne 'Der Frühstücks-Quarch' sowie mit seinen Podcasts, Artikeln und Büchern erreicht er ein breites Publikum. Im Jahr 2020 initiierte und gründete er die neue Platonische Akademie (akademie_3.org) zur Entwicklung eines geistigen Paradigmas für das digitale Zeitalter. Christoph Quarch lebt mit seiner Familie in Fulda. www.christophquarch.de

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Leseprobe

Wir sind dran!
Warum wir Kinder der 80er das Zeug haben, Champions zu sein


Prolog

Wissen Sie, was eine Schallplatte ist? – Ja? – Gut!

Haben Sie noch welche daheim? – Nein? – Macht nichts!

Aber CDs haben Sie? Oder wenigstens ein paar Musik-Downloads im Rechner? Oder immerhin eine Ahnung, wie man auf Youtube einen Song hören kann? – Bestens.

Dann geht’s jetzt los! Denn bevor Sie lesen, sollen Sie hören: »We are the Champions« von Queen aus dem Album »News of the world«. Sie dürfen gerne auch mitsingen. Wenn Sie dieser Song sofort packt und irgendwo ganz tief im Inneren trifft, dann sind Sie einer oder eine von uns. Egal, wann Sie geboren wurden. Dann gehören Sie zu der Generation, die noch eine Hymne hat. Denn dieser Song bringt in uns eine Saite zum Klingen, die andere Generationen nicht haben. Eine Saite, die im täglichen Leben der »Um-die-Fünfziger« und »Mittvierziger« allerdings eher selten klingt. Denn oft wissen wir gar nicht, dass wir eine Generation sind. Und schon gar nicht, dass wir eine besondere Generation sind: We are the champions!

Womit wir bereits beim Thema wären. Denn darum geht es uns in diesem Buch: uns an uns selbst zu erinnern – an die Champions, die in uns stecken. Die vielleicht noch schlummern, aber doch darauf warten, geweckt zu werden. Und zwar genau jetzt! – Warum? – Weil wir jetzt an der Reihe sind. Weil wir jetzt in den besten Jahren sind, um die fünfzig. Man nennt uns auch »die starken Jahrgänge«, da wir so viele sind. Aber stark sind wir nicht nur deshalb. Stark sind wir vor allem, weil wir etwas zu sagen haben. Deshalb ist es Zeit, uns zu Gehör zu bringen.

Platz da! Wir sind dran!

Klingt selbstbewusst, nicht wahr? Und ziemlich forsch und nach vorne gerichtet. Aber stimmt das auch? We are the champions – dürfen wir das im Ernst für unsere Generation geltend machen? Haben wir es zu Champions – zur Meisterschaft – gebracht? Oder ist das nicht doch eher ein uneingelöstes Versprechen, eine vage Hoffnung, eine pubertäre Fantasie aus unserer Jugend?

Wir glauben: Das ist mehr als eine Fantasie. Das ist mehr als eine Illusion. Das ist ein Auftrag – eine Chance. Wir könnten die Champions sein, wenn wir denn wollten; und wenn man uns ließe. Denn wir sind gut. Und auf jeden Fall besser, als die meisten denken. Vielleicht trauen wir uns nur einfach nicht genug zu: weil uns unsere Lehrer nicht so viel zugetraut haben; weil unsere Eltern mit uns nichts anzufangen wussten; weil die jüngeren »Digital Natives« uns für vorsteinzeitliche IT-Neandertaler halten. Oder einfach nur: weil wir anders sind als andere Generationen.

Und das sind wir ganz sicher. Einfach deshalb, weil wir zu einer bestimmten Zeit geboren wurden und bestimmten Einflüssen unterlagen. Machen wir uns nur klar: Die Welt, in die wir hineinwuchsen, war ganz anders als die Welt von heute. Es war eine langsamere Welt, eine Welt ohne iPhone und Internet. Der Zweite Weltkrieg war noch keine 20 Jahre her, als die Ersten von uns geboren wurden. Unsere Eltern hatten als Kinder den Weltuntergang erlebt – und dann als junge Erwachsene eine neue Welt gebaut. Auch wenn sie es nicht gerne hören: Das ist die Goldene Generation (geboren zwischen 1930 und 1945), die Generation des Wirtschaftswunders. Sie lebten und leben in der Gewissheit, dass alles immer besser werden würde. Fortschritt hieß ihr Credo – und ihre größte Sorge war, dass sie irgendwann noch einmal Hunger und Not leiden müssten. So gingen Angst und Zuversicht eine wunderliche Symbiose in ihnen ein. Der Kalte Krieg ließ sie bibbern, aber sie feierten die Mondlandung von Apollo 11. Bis heute heißen ihre obersten Werte: Sicherheit und materieller Wohlstand.

Manche von uns sind ihren Eltern treu geblieben: Sie haben den Fortschrittsglauben genauso wie die Verlustängste, die Fixierung aufs Materielle genauso wie den Hunger nach Sicherheit übernommen. Aber viele ticken inzwischen anders, haben Aufbrüche gewagt und das Risiko gesucht. Sie leben nun gerade nicht mit dem Gefühl, dass alles immer besser wird, sondern glauben, es gehe kontinuierlich bergab. Sie fürchten, dass die ökologische und finanzielle Katastrophe unausweichlich ist, wir aber in einer künftigen postmateriellen Welt gut leben und alt werden können. Es ist zwar schade, denken sie, vielleicht aber auch gar nicht so schlimm, dass die fetten Jahre längst vorbei sind. Was das angeht, sind wir zu spät gekommen. Von wegen »Gnade der späten Geburt«.

Das Gefühl des Zu-spät-gekommen-Seins haben wir auch im Blick auf die Generation vor uns: die Generation unserer Lehrer. Sie lässt sich gut durch eine Zahl beschreiben. 1968. Das ist ihr magisches Datum. Sie selbst hatten vom Krieg nichts mitbekommen, aber ihre Eltern hatten sich als Nazis schuldig gemacht. Die Väter, die den Krieg überlebt hatten, schwiegen sich genauso aus wie die Mütter, die als Trümmerfrauen in die Geschichte eingehen sollten. Eltern und Kinder standen sich fremd gegenüber. Die neue Generation wurde rebellisch. Es ist die Generation 1968 (geboren zwischen 1945 und 1960). Sie erntete die Früchte des Wirtschaftswunders und veränderte das gesellschaftliche Klima in Deutschland mit Verve: »Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.«

So etwas sagten sie damals, inzwischen aber gehören sie selbst zum Establishment. Ach was, sie sind das Establishment. Sie beherrschen den öffentlichen Raum. Sie haben die Parlamente ebenso im Griff wie die Chefredaktionen der meinungsbildenden Medien. Die politische und die mediale Macht liegen in ihren Händen. Für uns ist davon nicht viel übrig geblieben. Wieder sind wir zu spät gekommen. Als wir in die Schule kamen, war die Revolution gelaufen und die große Party vorbei. Und als wir von der Schule abgingen, waren alle guten Jobs vergeben. Wieder hatten wir das Gefühl, dass es bergab ging – dass wir irgendwie zur falschen Zeit lebten.

Und so ging es weiter. Als wir hätten Karriere machen können, geschah das vollkommen Unerwartete: Die Mauer fiel – und plötzlich drängelten sich noch mehr von uns Babyboomern auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Unter Karrieregesichtspunkten war die Wiedervereinigung für uns nicht so der Bringer. Die Welt, für die wir ausgebildet waren und in der wir uns langsam einzurichten begannen – diese Welt war von heute auf morgen verschwunden. So jedenfalls stellt sich die Geschichte aus der Perspektive der Wessis dar – ein Begriff, den es in unserer Jugend noch nicht gab.

Die Wiedervereinigung war der eine gravierende Schnitt, der andere war die technologische Revolution. Wir hatten in der Schule noch mit Matrizen gearbeitet und auf Schreibmaschinen getippt. Nach uns wuchs eine Generation heran, denen Tipp-Ex und Tonbandkassetten wie archäologische Fundstücke einer untergegangenen Welt erschienen. Nun kamen jene Digital Natives (geboren zwischen 1975 und 1990), die Eingeborenen des digitalen Zeitalters: Menschen, die bereits mit Computern aufwuchsen und sich deshalb nie die Finger an den ausgelaugten Farbbändern einer Schreibmaschine schmutzig gemacht haben. Sie sind wenige, denn der pharmazeutisch-technische Fortschritt hat sie zu Pillengeknickten gemacht. Dafür exekutierten die älter gewordenen 68er-Lehrer an ihnen umso hemmungsloser ihre pädagogischen Menschenversuche. Heute sind sie oft bindungslos als Freelancer unterwegs – oder angepasst und brav, zu ihren Eltern in strenger Opposition (so viel haben sie dann doch von ihnen übernommen). So richtig erwachsen werden sie nicht – und im Job sind sie die Ersten, die ausbrennen. Richtig belastbar scheinen sie nicht zu sein. Dafür kann man jede Menge Spaß mit ihnen haben.

Und dann wären da noch die ganz Jungen, die Generation Praktikum, von misanthropen Berufszynikern auch »Generation doof« genannt (geboren zwischen 1990 und 2005). Sie sind mit der virtuellen Welt aufgewachsen und wissen besser als wir, wie man Computerprogramme schreibt, iPhones bedient oder auf Facebook chattet. Da können wir nicht mithalten. Viele von ihnen haben ADHS, aber ansonsten scheinen sie ganz nett zu werden. Kein Wunder, denn sie sind ja unsere Kinder …

So sieht es aus – vor und nach uns. Wir sind die Generation dazwischen. Diejenigen, die das Wirtschaftswunder und die große 68er-Sause verpasst haben. Und zugleich sind wir »die letzten Mohikaner der analogen Ära« (Badische Zeitung), der vordigitalen Welt: die Letzten, die noch vor der wohl größten und tiefgreifendsten technologischen Revolution seit der Erfindung des Buchdrucks groß geworden sind. Das ist unser Schicksal. Und zugleich unser Schatz. Vor allem ist es unsere Aufgabe: all das Gute von einst zu bewahren und dabei doch mit der Zeit zu gehen. Wenn wir sie erfüllen, dann können wir in unseren Alten-WGs zu Recht jeden Abend vor dem Einschlafen singen: »We are the champions«. Freddie Mercury sei Dank.

Aber davon sind wir im Augenblick noch ein gutes Stück entfernt. Von der Alten-WG genauso wie vom Championsein. Irgendwas scheint uns zu bremsen. Irgendwie sind wir nicht so richtig bei uns angekommen. Vielleicht, weil wir nicht genau wissen, wer wir eigentlich sind – und worin unsere ganz speziellen Qualitäten und Kompetenzen liegen. Deshalb fragen wir in diesem Buch: Wer sind wir? Und wenn ja, wie viele?

Oberflächlich ist die Sache klar: Wir sind die Generation derer, die zwischen 1960 und 1974 geboren wurden. Und wir sind viele! (Stichwort: Babyboomer). Wir stehen in der Mitte der Gesellschaft – und wir stehen in der Mitte unseres Lebens. Und doch sind wir bislang noch nicht so recht zur Geltung gekommen. Wir sind eine Generation im Standby-Modus, die...

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