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E-Book

Woran glauben

10 Angebote für aufgeklärte Menschen

AutorRudolf Taschner
VerlagChristian Brandstätter Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783710601101
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Im durchgetakteten Alltag der angeblich modernen Zeit bleibt für Grundsätzliches kaum Raum. Gleichzeitig sehnen sich viele nach einem Moment des Innehaltens, um sich der Tiefe des Daseins wieder bewusst zu werden. In diesen selten gewordenen Augenblicken stellen sich Fragen, die im Alltagsrauschen allzu gern beiseite gewischt werden: Was sind die Angelpunkte unserer Existenz? Woran kann man noch glauben? In früheren Generationen hat die Religion, in die man hineingeboren wurde, die Antwort vorweggenommen. Jetzt ist es nicht mehr so einfach wie einst. Der Mathematiker und Naturwissenschaftler Rudolf Taschner macht in diesem Buch zehn Angebote, er erzählt, woran heute noch geglaubt werden kann, was Menschen Halt gibt und woran es sich für den Einzelnen festzuhalten lohnt: an der Liebe etwa, der Logik oder an der Natur. Leichtfüßig und kenntnisreich entführt uns Taschner in philosophische Gefilde, frei von Dogmatik und festen Glaubenssätzen lädt er ein, sich die Antwort auf die titelgebende Frage wieder zuzutrauen.

Dass Mathematik glücklich macht, beweist Rudolf Taschner seit Jahren in dem von seiner Frau Bianca und ihm im Wiener Museumsquartier geleiteten Projekt math.space: Der Mathematiker aus Leidenschaft erklärt sein Lebensthema unterhaltsam und leichtfüßig - und damit für alle zugänglich.

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Leseprobe

DER GLAUBE AN 313


Er besitzt keinen guten Ruf. Trotzdem dürften ihm mehr Menschen anhängen, als man vermuten würde: dem Aberglauben. Denn er besteht seit Urzeiten. Schon Steinzeitmenschen warfen Würfel, die sie aus den Knochen der von ihnen erlegten Tiere schnitzten. Wenn die Würfel günstig fielen, waren sie überzeugt, dass ihnen die Götter oder Geister günstig gewogen sind.

Der römische Historiker Sueton berichtet, dass Kaiser Augustus ein manisch besessener Würfelspieler war: Er warf vier Würfel gleichzeitig und freute sich herzhaft über den „ Venuswurf“, der dann zustande kommt, wenn die vier Würfel lauter verschiedene Augenzahlen zeigen. Dann nämlich, so glaubte er, ist ihm Venus, die Göttin der Liebe, hold. Dass man im Werfen der Würfel dem Glück nachjagt, dass man aus den Sternen oder aus dem Blick in eine Kristallkugel das Schicksal ergründen möchte, das alles und viel mehr hat sich bis heute erhalten. In den kuriosesten und wunderlichsten Spielarten begegnet man dem Aberglauben.

Wohl kaum ein anderes Volk auf der Erde ist seit alters her bis in die Gegenwart so sehr dem Aberglauben verfallen wie das chinesische. Dies beginnt schon damit, dass ein Chinese sich möglichst schnell die Hände waschen will, wenn er sich vom Unglück verfolgt fühlt, weil er damit die schlechte Aura, das an ihm klebende Pech, entfernen möchte. Meint er aber, einen guten Lauf zu haben, vermeidet er das Händewaschen, um die an ihm haftende Fortuna nicht wegzuspülen.

Die Farbe Rot wird in China besonders geliebt, und das hat nichts mit dem dortigen kommunistischen Regime zu tun. Sondern seit jeher glaubt man in China daran, dass Rot das Glück und die Freude anzieht. Leider sind viele Chinesen heillos dem Glücksspiel verfallen, und die meisten von ihnen betreten das Casino – am besten nicht durch den Haupteingang, er hat dem Feng Shui zufolge eine schlechte Aura, sondern durch einen Seiteneingang – mit roter Unterwäsche: Egal ob Boxershort, Slip oder Büstenhalter – solange Chinese und Chinesin rot tragen, ist das Glück auf ihrer Seite.

Gelb, einst die kaiserliche Farbe, steht für Toleranz, Geduld und Weisheit, gewonnen aus Erfahrungen. Gelb, vor allem Gold, ist als glücksbringende Farbe vielleicht sogar noch mächtiger als Rot, aber es war früher allein dem kaiserlichen Hof vorbehalten. Ebenso sind auch andere Farben mit Symbolen überfrachtet und kommen nach streng zu befolgenden Regeln zur Geltung: Grün lindert Sorgen und verheißt Ruhe, Hoffnung und Frische; Blau steht für das Wachstum, die Hoffnung und die Treue etc.

Doch erst richtig tobt sich Chinas Aberglaube bei den Zahlen aus.

Die Zahl vier, chinesisch „si“ gesprochen, ist in China die Unglückszahl schlechthin. Denn diese Zahl klingt auf Chinesisch genauso wie Sterben und Tod. Wo immer es geht, wird vier gemieden, sogar wenn diese Ziffer als Einerstelle in Zahlen wie 14, 24 oder 34 vorkommt. 44 ist natürlich ganz schlimm. Mobiltelephonnummern, die mit 4 enden oder in denen die Ziffer 4 häufig vorkommt, sind in China unverkäuflich.

Dafür sind die Zahlen sechs und neun recht beliebt. Das chinesische Wort für sechs klingt im Kantonesischen genauso wie das Wort für Wohlstand. Im Standardchinesischen klingt es wie das Wort für flüssig, im Fluss sein. Darum denkt ein Chinese, wenn er auf die Ziffer 6 stößt, an einen sprudelnden Gewinn. Bei der Zahl neun denkt er an den Kaiser von China, dessen Beamte in einem System von neun Rängen organisiert waren und denen der Kaiser neun verschiedene Ehrenzeichen für besondere Taten verleihen konnte. Der in der chinesischen Mythologie als guter Dämon verehrte Drache hat neun Kinder.

Die absolute Glückszahl Chinas jedoch ist acht. Sie wird im Chinesischen „ba“ gesprochen, und das klingt so ähnlich wie das Wort für den bevorstehenden Reichtum. Verträge unterzeichnet man am besten am 8. des Monats um acht Uhr. Als die Bank of Communications an die Hongkonger Börse ging, beantragte sie die Wertpapiernummer 3328. Diese Zahl endet nicht nur mit der Ziffer 8, wenn man sie im Chinesischen ausspricht, hört man überdies die Devise „leicht reich werden“.

Autokennzeichen und Mobiltelephonnummern mit vielen Ziffern 8 werden zu hohen Preisen verkauft. Den Gegenwert von mehr als 20.000 Euro zahlte ein Geschäftsmann im südlichen Hainan für eine Nummer, die mit 888 endete. Und bei einer Versteigerung einer Nummer mit einer fünffachen 8 ergatterte diese ein Privatmann aus der Provinz Henan für sage und schreibe 75.000 Euro.

So gesehen ist es kein Wunder, dass die in Peking abgehaltenen Olympischen Spiele mit einer feierlichen Zeremonie exakt am 8. 8. 2008 abends um 8 Uhr und 8 Minuten eröffnet wurden.

Welche Zahl ist Ihre Lieblingszahl?“

In fast jedem Interview mit mir als Mathematiker taucht diese Frage auf. Weil viele dem Aberglauben anhängen, bestimmte Zahlen trügen die Aura des Glücks oder des Unglücks in sich. Sie vermuten daher: Wer sich mit Mathematik beschäftigt, hätte zu Zahlen ein besonderes, ein inniges, vielleicht sogar ein erotisches Verhältnis. Ich habe es aufgegeben, mich gegen diese Frage zu wehren und zu betonen, dass für mich jede Zahl gleich viel oder besser: gleich wenig bedeutet. Ich habe mir einfach eine Standardantwort zurechtgelegt und sage schlicht: „313.“

„Warum gerade 313?“, wird sofort nachgefragt.

„313 ist die Zahl des Autokennzeichens von Donald Duck“, antworte ich darauf. (Ich spreche dabei „Duck“ so aus, wie es geschrieben steht. So hatte ich es als kleines Volksschulkind getan und war später schwer enttäuscht, als man mich belehrte, dass es richtig „dak“ auszusprechen sei. Bis heute wehre ich mich dagegen, schon aus Verehrung für Doktor Erika Fuchs, jene großartige Germanistin, die alle vom genialen Carl Barks geschaffenen Donald-Duck-Geschichten mit einzigartigem Sprachwitz ins Deutsche übertrug.)

Die Idee zum Nummernschild 313 für Donalds Karosse stammt vom ersten Donald-Duck-Zeichner Charles Alfred Taliaferro, der auch Donalds Neffen Tick, Trick und Track erfand. Die Zahl 313 soll wohl auf Donalds Geburtstag, den 13. März, hinweisen (Three-Thirteen lautet er im Amerikanischen, weil in den USA die Nummer des Monats vor jener des Tages genannt wird – wir kennen das von Nine-Eleven). Klar, dass ein Pechvogel wie die vom Schicksal verfolgte Ente Donald an diesem Tag geboren sein muss: 3 × 13 symbolisiert ein dreifaches Unglück.

Warum 13 in unseren Breiten als „Dutzend des Teufels“ mit dem Unglück verwoben sein soll, ist nicht leicht zu beantworten. König Philipp von Makedonien, der Vater Alexanders des Großen, wollte zu den zwölf Statuen der olympischen Götter sein eigenes Abbild als 13. Statue hinzufügen und wurde, bevor es dazu kam, von seinem Leibwächter Pausanias meuchlings ermordet. Vielleicht hat es damit zu tun, vielleicht aber wegen eines banalen sprachlichen Grundes: Die Zahl 13 setzt sich im Deutschen wie im Englischen als erste aus den sprachlichen Bausteinen drei und zehn zusammen, während alle Zahlen davor durch unzerlegbare Wörter bezeichnet sind. Für diese Deutung spricht, dass in Italien traditionell nicht 13, sondern 17 als Unglückszahl gilt. Dort erfolgt der gleiche sprachliche Sprung im Zählen von quattordici, quindici, sedici zu diciassette, diciotto, diciannove, also von 14, 15, 16 zu 17, 18, 19 eben bei der Zahl 17. Ein anderer Grund, dass die Nachkommen der alten Römer 17 als Unglückszahl empfinden, mag aus der römischen Schreibweise dieser Zahl herrühren: XVII. Man kann die Buchstaben so vertauschen, dass daraus das lateinische Wort VIXI entsteht, übersetzt: Ich habe gelebt. Und zwar in der Bedeutung: Ich habe mein Leben bereits hinter mir. Doch nur mehr traditionsbewusste Italiener erinnern sich an die Unglück bringende Aura von 17. Für junge, dem nördlichen Europa und Nordamerika aufgeschlossene Italiener ist bereits 13 zur Unglückszahl geworden.

Wie dem auch sei: Aus mathematischer Sicht ist an 313 nichts Besonderes zu bemerken. 313 ist Primzahl, aber das sind auch unendlich viele andere Zahlen. Sie ist überdies das „größere Geschwister“ der Primzahlzwillinge 311 und 313: Zwei Primzahlen bilden nämlich dann ein Zwillingspaar, wenn sie sich um 2 unterscheiden. Primzahlzwillinge sind zum Beispiel 3 und 5 oder 11 und 13 oder 521 und 523 oder 1997 und 1999. Es gibt sie zuhauf. Als Lieblingszahl für einen Mathematiker ist 313 nicht gerade die erste Wahl. 1729 ist mindestens genauso attraktiv.

Doch bei der Frage nach der Lieblingszahl fühle ich mich eben nicht als Mathematiker angesprochen. Sondern als ein Mensch mit seinen Vorlieben und seinen Schwächen, mit seinen Wünschen und seinen Geheimnissen. Wenn ich bei der Frage nach der Lieblingszahl mit „313“ antworte, verstecke ich mich hinter Donalds Figur. Sie ist untrennbar mit 313 verwoben, und ein wenig finde ich mich – wie...

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