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E-Book

Wunder muss man selber machen

Wie ich die Wirtschaft auf den Kopf stelle

AutorSina Trinkwalder
VerlagVerlagsgruppe Droemer Knaur
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783426420829
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
'Wir können die Welt nicht verändern, aber jeden Tag ein bisschen besser machen.' Getreu diesem Motto holt sie die Menschen aus der Arbeitslosigkeit. Sie fertigt in Deutschland. Sie bezahlt über Tarif. Ihre Kollektion ist gleichzeitig schick und nachhaltig. Das ist Sina Trinkwalders Botschaft. Denn eine Botschaft muss haben, wer entgegen landläufiger Annahme überzeugt ist, dass in Deutschland Textilien zu konkurrenzfähigen Preisen hergestellt werden können. Sina Trinkwalder ist keine Unternehmerin, die an eine Steigerung der Rendite durch Verlagerung der Jobs nach Asien glaubt: Sondern an die fundamentale Bedeutung eines selbstverdienten Lebensunterhalts für Menschen, die dadurch mit Stolz an der Gesellschaft teilhaben können und auf dem Arbeitsmarkt sonst keine Chancen hätten. Sina Trinkwalders Beispiel ist eine Provokation für alle, die meinten, es ginge nicht anders - und macht all jenen Hoffnung, die an eine gerechtere Gesellschaft glauben!

Sina Trinkwalder, Jahrgang 1978, studierte Politik und Betriebswirtschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Nach erfolgreichem Studien-Abbruch arbeitete sie über 10 Jahre als Geschäftsführerin ihrer eigenen Werbeagentur. 2010 wechselte sie die Seiten und gründete das erste textile Social Business in Deutschland: manomama. In dieser Kleidermanufaktur werden von ehemals arbeitslosen Näher*innen innerhalb einer regionalen Wertschöpungskette ökosoziale Bekleidung und Accessoires produziert. Für ihr ökologisches und soziales Engagement wurde Sina Trinkwalder mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem ist sie vom Rat für Nachhaltigkeit der Bundesregierung zum 'Social Entrepreneur der Nachhaltigkeit 2011' ausgezeichnet worden und erhielt 2015 das Bundesverdienstkreuz.

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Leseprobe

2


Erst der Spaß, dann die Arbeit

Wenn man eine Firma gründet, dann liegt dieser Idee in nahezu allen Fällen eine gute Produktidee zugrunde. Etwas Neues, etwas noch nie Dagewesenes. Oder etwas Dagewesenes, jetzt aber neu und mit verbesserter Rezeptur. Oder einfach das, was Werber »rasierte Stachelbeeren« nennen. Etwas, das selbst die übersättigte Gebrauchsgüterwelt nicht benötigt, die Werbung aber gut an den Kunden bringt. So ist dies nun mal in unserer konsumdiktierten Welt. Das alles aus einem einzigen Grund: Geld. Anderes zählt nicht.

Was Geld und das Haben-Müssen betrifft, war ich schon immer »falsch« gepolt. Ich bin in bayerisch-ländlicher Idylle zur Welt gekommen und habe meine Kindheit und Jugend in einer unspektakulären Kleinstadt unweit Augsburgs verbracht. Mir fehlte es an nichts, ich benötigte aber auch oftmals nicht, was meine Schulkameraden dringend haben mussten. Weder zierten die neuesten Barbie-Kleider meine Puppe, noch fand ich es jemals interessant, mein Taschengeld in Sammelkarten zu stecken. Selbst als Teenie war ich anders als die anderen. Ich kann mich noch gut erinnern: Ohne Converse-Chucks und Levis 501 war man ab der fünften Klasse nicht mehr akzeptiert. Das interessierte mich aber reichlich wenig. Und so ging ich täglich in Lieblingsjogginghose, T-Shirt und, zum Leidwesen meiner Mutter, in dem alten und ausgedienten Schurwolljanker meines Vaters ins gesittete Mädchengymnasium. Meine Mitschülerinnen fanden mich uncool, was mich persönlich ebenfalls störte. Im Gegenteil: Je wichtiger den Mädchen der Status wurde, umso mehr hielt ich dagegen. Mir ging es immer ums Machen, nie ums Sein. Fürs Machen war Geld irrelevant, fürs Sein unumgänglich.

Nach meinem Abitur und erfolgreich abgebrochenem BWL-Studium gründete ich dann zusammen mit Stefan eine Werbeagentur. Nicht, um damit finanzielle Reichtümer zu scheffeln, sondern weil wir glaubten (und es sollte sich herausstellen, dass wir recht behielten), dass wir gut in dem sind, was wir machen. Dass wir Spaß daran haben zu kommunizieren – was in einer Werbeagentur unerlässlich ist. Dass es eine Werbeagentur wurde, war im Grunde nichts anderes als Zufall. Überhaupt basiert die Beziehung zu meinem Mann auf reinem Zufall. Kurz vor meinem Abitur feierte ich mit einigen Freunden im Café Odeon in Augsburg meinen »Abschied«. Klar war, dass ich nach dem Abitur Kommunikationswissenschaften in Köln studieren wollte, alles schien bereits in trockenen Tüchern zu sein.

Die Abschiedsfeier war bereits fortgeschritten, und es setzten sich einige mir unbekannte Jungen an unseren Tisch, allesamt Studenten der Augsburger Uni. Es wurde ein feuchtfröhlicher, lustiger Abend, ohne große Erinnerungen am nächsten Morgen. Einzig dieser blondgelockte Typ mit dickem, weißem Rollkragenpullover blieb mir im Kopf. Nicht, weil ich ihn besonders anziehend fand. Im Gegenteil. Dauernd wusste er alles besser, sprach, als wäre er bereits Verfassungsgerichtspräsident. Dabei steckte er gerade erst mitten im Jura-Studium. Egal, dachte ich. Trotzdem ein wunderschöner Abend.

Zwei Wochen später – ich war gerade auf dem Heimweg von meinem Journalisten-Nebenjob bei der hiesigen Zeitung – wollte ich eine Kleinigkeit essen. Das Odeon lag direkt auf dem Weg. Kurzerhand betrat ich das Bistro und steuerte den einzigen noch freien Tisch im Raum an. Am Nebentisch saß ein junger Mann in legeren Jeans und Polohemd.

»Geht es?«, fragte er, als ich mich ein wenig quetschte, um auf der Bank einen Platz einzunehmen.

»Klar«, antwortete ich mit einem Lächeln.

Aus den wenigen Worten wurden fünf Stunden gute Unterhaltung. Mir kam es vor, als würde ich ihn längst kennen. Er schien ähnlich zu fühlen. Anschließend bot mir Stefan, so hieß er, an, mich nach Hause zu begleiten. Auf dem Heimweg klärte sich unser vertrautes Gefühl, als wir darüber sprachen, was wir so »machten«. Er studiere Jura, erzählte er. Und ich informierte ihn über Abitur und Köln. Auf einmal sahen wir beide uns kritisch in die Augen. Auf einmal platzte es aus mir heraus: »Sag mal, bist du dieser Winkeladvokat, der mich vor zwei Wochen im Odeon so genervt hat?«

»Wenn du diese kleine Medientante bist, die noch nicht einmal Abitur hat, dann ja«, konterte er.

Wir beide mussten lachen. So sehr, dass wir kaum aufhören konnten. Bis heute, nach über fünfzehn Jahren Beziehung.

Aus Stefans Jura ist nichts mehr geworden, genauso wenig wie aus meinem BWL-Studium, das ich alternativ in der Heimat anfing, um bei meinem Freund zu bleiben. Nicht, weil wir es nicht geschafft hätten. Wir hatten einfach keine Zeit mehr dafür, da wir unsere eigene Werbeagentur gründeten. Aus Zufall. Zufall deshalb, weil Stefan neben seinem Studium als IT-Spezialist jobbte. Ein Bereich, der ihm eigentlich mehr Spaß bereitete als Jura. Für einen befreundeten Kunden hatte er 1999 einen Online-Shop für bunte Plastikuhren programmiert. Den ersten überhaupt. Voller Stolz präsentierte er mir sein Werk und bat mich um meine Meinung.

»Ganz ehrlich?«, fragte ich ihn.

»Ja!«

»Sieht scheiße aus!«

»Bitte? Hast du gesehen, wie man das Produkt in den Korb legen kann und dann direkt auf ein Formular …«

Ich unterbrach ihn. »Sieht trotzdem scheiße aus. Kein Design!«

»Dann mach’s doch besser!«, schnauzte Stefan mich enttäuscht an und ging wutentbrannt aus der Wohnung.

Einige Stunden später kam er wieder, mit einem Rechner unter dem Arm. Diesen stellte er auf meinen Schreibtisch, setzte sich auf meinen Stuhl und schaltete den Computer ein. Anschließend startete er Adobe Photoshop, stand auf, bot mir demonstrativ den Platz an und sagte: »Hier, bitte. Mach es besser!«

Ich nahm Platz, während Stefan seine Jacke nahm und ein weiteres Mal verschwand. Da saß ich nun. Alleine, vor einem Programm, das ich nicht kannte, und ohne die geringste Ahnung, wie man es bedienen sollte. Den gesamten Abend verbrachte ich mit dem unbekannten Fotobearbeitungsprogramm. Mit zunehmender Zeit fiel mir die Bedienung leichter. Ja, es begann sogar Spaß zu machen.

Ui, dachte ich, als mein Blick auf die Uhr fiel. Kurz vor drei Uhr! Ich wollte das Layout aber noch fertigstellen. Um halb fünf Uhr morgens war ich mit meinem Erstlingswerk zufrieden: die Gestaltung eines schicken Uhrenshops.

Am nächsten Morgen, gegen zehn, kam Stefan mit frischen Brötchen und weckte mich mit einer dampfenden Tasse Kaffee, am Bett serviert.

»Sorry, Schatz«, begann er. »Sorry, dass ich gestern so überreagierte. Ich war so stolz auf die Website und fand deine ehrlichen Worte unfair!«

»Musst dich nicht entschuldigen«, entgegnete ich. »Hast ja recht. Der Shop ist wirklich schön, nur sieht er nicht so toll aus. Aber, komm!« Ich sprang aus dem Bett und zog Stefan an der ausgestreckten Hand ins Wohnzimmer zum Rechner. Während ich ihm den Stuhl unter den Hintern schob, fuhr ich mit der Maus zweimal hin und her, um den Bildschirmschoner abzulösen. Dann erschien auf dem Bildschirm Photoshop. Und darin mein Erstlingswerk.

»Ich werde verrückt, das ist ja geil!« Stefan war baff. Er begutachtete das Layout der Startseite und nickte zustimmend mit dem Kopf. »Mach du noch die Gestaltung der weiteren Einzelseiten, ich bau schon mal das Layout der Startseite ein«, entschied er.

»Nein, Stefan«, antwortete ich. »Wir suchen uns jetzt ein Büro, stellen Rechner mit diesen tollen Programmen rein und machen eine Agentur auf. Du übernimmst die Technik, ich das Design.«

»Was?« Stefan sah mich ungläubig an. »Ich studiere Jura, Sina!«

»Ja, eben. Willst du als arbeitsloser Jurist Taxi fahren oder das machen, was dir Spaß macht?«

Vier Wochen später waren unsere Studierbemühungen Geschichte, und wir hatten ein Büro. Weil wir Spaß haben wollten.

 

»Suche dir einen Job, der dir Spaß macht. Dann wird es ein Erfolg, und das Geld kommt ganz automatisch.« Diese Worte haben mir meine Eltern mit auf den Weg gegeben. Als Jugendlicher empfindet man derartige altkluge Redensarten der Vorgängergeneration als Bevormundung. Jahre später, nach geraumer Zeit in der Arbeitswelt, setzt die Erkenntnis ein. Weil man den Wahrheitsgehalt der altklugen Weisheit – im schlimmsten Fall – selbst erfuhr. Ich hingegen durfte es vielfach miterleben. Sie miterleben, ihren Auf- und Niedergang: Menschen, die sich ihre Arbeit nach dem Verdienst aussuchten, nach einigen Jahren Lohnsklaverei und für das permanente Streben nach mehr stets 120 Prozent gaben, völlig ermattet die Flügel sinken ließen und sich mit einem ausgewachsenen Burn-out aus der ersten Arbeitswelt verabschiedeten. Oder durch falschen Leistungsdruck erst gar nicht in die Arbeitswelt einstiegen. Ich erinnere mich sehr gut an einen meiner ersten Praktikanten in unserer Werbeagentur.

»Mensch, Sina, könnt ihr mir einen Gefallen tun?«, bat mich der Marketingleiter eines Unternehmens, für das wir arbeiteten.

»Was denn?«, erwiderte ich.

»Der Bub von meinem Chef hat gerade sein Abi geschafft und weiß nicht so recht, was er machen soll. Jetzt möchte der Vater, dass er in die Werbung reinschnuppert. Kannst du ihn ein paar Wochen aufnehmen?«

»Na gut«, sagte ich. »Ich sehe ihn mir an.«

Das tat ich auch zwei Tage später. Pünktlich um acht saß mir ein junger Mann gegenüber, mit kurzen blonden Haaren, ordentlich gekleidet und mit ebenso ordentlichen Abiturnoten. Hannes, neunzehn Jahre, bekam keinen Ton heraus. Es dauerte eine ganze Weile, bis das Eis brach. Nach einigem Geplänkel nahm das Gespräch dann Ernsthaftigkeit an.

»Was möchtest du später einmal werden?«, fragte ich den schüchternen Jungen.

Langes Schweigen. Der Blick des Abiturienten ging Richtung Boden – und nichts passierte. Ich...

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