1. Prioritäten setzen ist eine Schlüsselfähigkeit
„Zeitmanagement ist Prioritäten-Management“. In dem alten Spruch liegt weiterhin viel Wahrheit, auch wenn es darüber hinaus zahlreiche andere Aspekte des Zeitmanagements gibt. Warum ist das Prioritäten-Management so wichtig? Der Grund hierfür ist relativ einfach: Es gibt wesentlich mehr Dinge, die Sie tun könnten, als Sie Zeit zur Verfügung haben. Selbst wenn wir die Betrachtung auf berufliche Aufgaben beschränken, gilt dies. Hand aufs Herz: Wann waren Sie zuletzt mit allen beruflichen Aufgaben fertig? Die meisten Menschen können sich hieran nicht mehr erinnern. Nehmen wir an, Sie haben zu einem bestimmten Zeitpunkt 30 offene Aufgaben. Dann arbeiten Sie fünf Aufgaben ab. Was passiert in der Zwischenzeit? Genau, es kommen sieben neue dazu. Das Ziel, alle Aufgaben abzuarbeiten und diesen Zustand beizubehalten, ist zum Scheitern verurteilt. Da dieses Ziel zwar häufig formuliert, aber selten erreicht wird, führt es häufig zu Unzufriedenheit oder gar Frustration.
Meine Empfehlung lautet: Streichen Sie das Ziel, alles zu erledigen, und konzentrieren sich auf ein richtig gutes Prioritätenmanagement in Bezug auf Ihre Zeitverwendung. Wenn Sie hierzu ein hohes Bewusstsein entwickeln und danach handeln, werden Sie hoch produktiv, was sich auch in Ihren Ergebnissen widerspiegelt. Andere Menschen und auch Sie selbst werden Ihre Produktivitätssteigerung wahrnehmen – was sehr befriedigend ist.
1. Welche Kriterien gibt es, um besonders gut zu entscheiden, welche Aufgabe welche Priorität hat?
Wir beginnen mit den viel besprochenen und weiterhin sehr bedeutenden Kriterien „Wichtigkeit“ und „Dringlichkeit“. Danach beschäftigen wir uns mit weiteren Kriterien.
2. Welche Dimension beleuchtet das Kriterium Dringlichkeit?
Nun, das ist relativ leicht zu beantworten. Dringlichkeit ist eine rein zeitliche Betrachtung. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn Sie, im Vergleich zur benötigten Zeit, wenig Zeit für die Erledigung einer Aufgabe haben, dann ist diese Tätigkeit dringend. Wenn Sie noch viel mehr Zeit als benötigt übrig haben, dann ist die Aufgabe nicht dringend. Hieraus ergibt sich, dass viele Aufgaben zunächst nicht dringend sind, aber im Laufe der Zeit dringender werden. Die Klassiker in diesem Zusammenhang sind unliebsame Aufgaben. Wenn ich im Seminar das Beispiel „Steuererklärung“ gebe, geht meistens ein Raunen durch die Teilnehmer, weil sich ein wesentlicher Teil von ihnen angesprochen fühlt. Man hat erst viel Zeit übrig. Diese wird dann immer weniger. Dafür muss man noch nicht mal etwas tun: Ganz von selbst rückt die Deadline immer näher.
Das Wort Deadline ist übrigens ein spannendes Wort. Wörtlich übersetzt bedeutet es „Todeslinie“. Das fühlt sich anders an als Abgabetermin. Natürlich gibt es auch Ereignisse, die plötzlich auftauchen und sofort dringend sind. Dann fühlen wir uns meistens fremdgesteuert. Bei einer näher rückenden Deadline jedoch haben wir es selbst in der Hand, die Sache früher anzugehen und Stress zu vermeiden. Bei plötzlichen Ereignissen haben wir kurzfristig wenig oder gar keinen Einfluss auf die Situation, mittel- bis langfristig jedoch oft schon. Aber dazu mehr an anderer Stelle.
3. Welche Dimension beleuchtet das Kriterium Wichtigkeit?
Das ist schon nicht mehr so einfach zu beantworten. Abstrakt formuliert, geht es hierbei um eine Beurteilung der Auswirkungen. Sind die Auswirkungen gravierend, dann ist die Wichtigkeit hoch. Gibt es nur geringe oder keine Auswirkungen, dann ist die Wichtigkeit niedrig. Es gibt positive Folgen, im Sinne einer Verbesserung; oder die Auswirkungen resultieren daraus, dass etwas Negatives verhindert wurde. Manchmal sind die Auswirkungen quantifizierbar, manchmal nicht. Wenn eine Aktivität eine große Umsatzsteigerung bringt, dann ist sie eher wichtig. Wenn die erwartete Umsatzsteigerung gering ausfällt, ist die Aufgabe eher unwichtig. Gleiches gilt natürlich für eingesparte Kosten, die bei verschiedenen Maßnahmen sehr unterschiedlich hoch sein können. Viele Dinge sind natürlich nicht so leicht in Zahlen ausdrückbar. Aber das (Denk-)Prinzip ist dennoch dasselbe.
Angenommen Sie möchten jemanden unterstützen. Wenn die Hilfe eine echte Entlastung darstellt, ist die Aufgabe wichtiger als bei einer geringeren Entlastung – vorausgesetzt dass es Ihr Ziel war, die Person zu entlasten. Die Beurteilung der Wichtigkeit ist also immer zielabhängig. Wenn Sie möchten, dass Ihr Kind oder Ihr Partner sich geliebt fühlt, dann gibt es Vorgehensweisen, die die gewünschte Wirkung erzielen, und andere, die dies nicht zur Folge haben oder sogar nach hinten losgehen.
Wenn Sie Ihre Produktivität erhöhen wollen, dann stellen Sie sich viele Male am Tag Fragen wie: Wie wichtig ist diese Aufgabe? Welche Wirkung erziele ich mit dieser Tätigkeit? Welches Ergebnis soll dabei herauskommen?
4. Was mache ich mit Aufgaben, die wichtig und dringend sind?
Klar, diese Aufgaben können Sie nicht ignorieren. Sie müssen sie mit einer hohen Priorität angehen. Würden Sie es nicht tun, dann würden Sie die Deadline überschreiten. Und dies hätte deutlich negative Auswirkungen.
Diese Kategorie von Aufgaben sind klassische „Feuerwehraufgaben“. Stellen Sie sich einen Brand vor. Warum ist es wichtig und dringend, diesen zu löschen? Würden Sie es nicht tun, brennt das Haus ab. Und das wäre schlecht. Eine deutlich negative Auswirkung. Und ein paar Tage abzuwarten wäre ganz schlecht, weil es dann überhaupt zu spät für alles ist. Stressig wird es, wenn Sie den ganzen Tag mit Brandbekämpfung ausgelastet sind. Sie sind dann zwar recht produktiv – immerhin erledigen Sie Wichtiges –, aber das Stressniveau ist hoch und Sie haben keine Zeit für die Dinge, die noch nicht höchst akut sind.
Wenn Sie mehr Brände zu löschen haben, als Ihnen Zeit für die Löschungen zur Verfügung steht, wird es tragisch. Warum? Weil die Gefahr hoch ist, dass Sie unter Dauerstress stehen und die Weitsicht verlieren. Wenn dieser Fall eintritt, sind häufig nicht die betroffenen Mitarbeiter daran schuld. Ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass es ein schwerwiegender Führungsfehler (dieser kann eine oder mehrere Ebenen weiter oben liegen) ist, wenn Mitarbeiter ihre ganze Zeit im Feuerwehreinsatz verbringen. Meiner Beobachtung nach gibt es einen kritischem Punkt, ab dem es für eine Abteilung extrem schwierig wird, wieder aus dem Feuerwehrdasein herauszukommen. Ich kenne beispielsweise eine IT-Abteilung, die „zu 110 %“ reaktiv arbeitet. Die Mitarbeiter sind sehr bemüht. Sie sind sogar sehr effizient bei der Lösung von Problemen. Sie haben aber keine Zeit, bestimmte wiederkehrende Fehlertypen systematisch anzugehen und für die Zukunft zu verhindern.
5. Was mache ich mit Aufgaben, die nicht wichtig, aber dringend sind?
Bei vielen Menschen löst alleine die Frage schon ein Stirnrunzeln aus. Manche fragen dann zurück: „Wie kann eine dringende Aufgabe unwichtig sein?“
Beispiele:
Ein Vertreter eines Clubs, aus dem Sie schon lange austreten wollten, will mit Ihnen über etwas sprechen und lässt nichts unversucht, um Sie zu erreichen.
Oder stellen Sie sich vor, dass ein Kollege aus der Nachbarabteilung unbedingt sofort Zahlen von Ihnen haben will, die in eine Statistik einfließen, die niemand anschaut.
Oder die Dokumentation für einen Projektschritt muss heute fertig werden, weil man das so vereinbart hat, aber reinschauen wird nie jemand.
In jeder Organisation gibt es zahlreiche solcher Aktivitäten, die keinen nennenswerten Nutzen (mehr) haben, aber dennoch von irgendjemandem erwartet werden oder es wird zumindest geglaubt, dass jemand sie erwartet. Bei dieser Kategorie gibt es nur eine Devise: kritisch zu hinterfragen, ob es wirklich nennenswerte Nachteile mit sich bringt, wenn diese Aufgabe nicht erledigt wird. Lautet die Antwort Nein, streichen Sie die Aktivität. Sehen Sie doch negative Konsequenzen, reduzieren Sie die Aktivität auf das absolute mögliche Mindestmaß. Wenn Sie entscheiden, wofür Sie Ihre Zeit verwenden, führen Sie sich auch immer vor Augen, was Sie in der Zeit stattdessen nicht machen könnten, wenn Sie einer dringenden, aber unwichtigen Aufgabe nachgehen.
6. Was mache ich mit Aufgaben, die weder wichtig noch dringend sind?
Die Handlungsempfehlung hier lautet: Verbringen Sie hiermit so wenig Zeit wie nur irgend möglich. Häufig können diese Aktivitäten einfach gestrichen werden. Manchmal muss man es vorher kurz begründen, weshalb man etwas nicht erledigen wird bzw. warum andere Aufgaben lohnenswerter sind und die weniger wichtige Aufgabe daher durch das Raster fällt. Oft macht es auch Sinn, die Aufgabe einfach nicht zu erledigen, aber gedanklich vorbereitet zu sein, schnell eine plausibel klingende Begründung geben zu können, sollte jemand nachfragen.
Wenn die Aufgabe selbst zwar keinen echten nennenswerten Nutzen hat, Sie die Aufgabe aber erledigen müssen, dann ist das Streichen nicht so einfach.
Beispiele hierfür sind:
Der Chef oder ein Kunde will es einfach – und dann ist es das nicht wert, dieser Person vor den Kopf zu stoßen. Vielleicht gibt es eine gesetzliche Vorschrift für die Tätigkeit oder eine unternehmensinterne Vorschrift. Dann riskiert man durch die Nicht-Erledigung natürlich Ärger.
Hier gilt es, die Mindestanforderungen mit dem minimal möglichen Zeiteinsatz hinzubekommen. Wenn Ihr Chef oder eine andere Abteilung die Erledigung einer Aufgabe mit einem geringen Nutzwert von Ihnen erwartet, dann stellt sich die Frage, ob Sie das einfach akzeptieren oder ob Sie...