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E-Book

Zwei Schwestern, ein Leben

Über Liebe, Trauer und das, was im Leben wirklich zählt

AutorElizabeth Lesser
Verlagbtb
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl384 Seiten
ISBN9783641201302
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Eine faszinierende und mutige Erinnerung: die Geschichte zweier Schwestern, die die Tiefe ihrer Liebe durch eine Knochenmark-Transplantation erfahren. Als Elizabeth sieht, dass sie die perfekte Spenderin für Maggie ist, stellt sich ihr die Frage nach ehrlicher und authentischer Liebe noch einmal neu. In der Hoffnung, Maggie die beste Chance für eine erfolgreiche Transplantation zu geben, graben die Schwestern tief in das Mark ihrer Beziehung, um den Weg zu bedingungsloser Akzeptanz zu finden. Sie überlassen die Knochenmark-Transplantation den Ärzten, und nehmen sich dem an, was die kleine Schwester 'Seelenmark-Transplantation' nennt. Maggies Körper ist letztlich zu schwach, um die Krankheit zu bekämpfen. Als sich die beiden auf das Unvermeidliche vorbereiten, kommen sie sich so nahe wie nie, die gemeinsamen Blutzellen werden zum Symbol der Bindung, die sie für immer teilen werden.

Elizabeth Lesser ist New-York-Times-Bestsellerautorin und Mitbegründerin des Omega-Instituts, international anerkannt für seine Workshops und Konferenzen, die sich auf ganzheitliche Gesundheit, Psychologie, Spiritualität, Kreativität und sozialen Wandel konzentrieren. Vor ihrer Arbeit bei Omega war sie eine Hebamme und Geburtspädagogin. Sie wohnt mit ihrer Familie im Hudson Valley.

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Leseprobe

EINLEITUNG

Dieses Buch erzählt von einer Liebesgeschichte. Vor allem von der Liebe zwischen zwei Schwestern, aber auch von der Güte, die man sich selbst gegenüber an den Tag legen muss, um einen anderen Menschen aufrichtig zu lieben. Sich selbst lieben, den anderen lieben: zwei Stränge im Geflecht der Liebe. Ich habe diese beiden Stränge in vielen Beziehungen zu einem festen Band verflochten, mal mehr, mal weniger gekonnt. Ich habe es in beide Richtungen vermasselt, indem ich manchmal zu ichbezogen war und manchmal die Märtyrerin spielen wollte. Ich kannte meinen eigenen Wert nicht, und ich wusste den wahren Wert meines Gegenübers nicht zu schätzen. Jemanden auf eine gesunde Art und Weise zu lieben, heißt, die richtige Balance zu finden. Es ist eine Lebensaufgabe. Es ist eine Kunst. Und genau darum geht es in diesem Buch.

Meine Schwester hatte schon einmal Krebs, sie hatte ihn besiegt. Als der Krebs nach sieben Jahren in Remission zurückkehrte, als man uns sagte, dass dieses Mal eine Knochenmarktransplantation ihre einzige Überlebenschance sei, als sich nach den Tests herausstellte, dass mein Knochenmark perfekt mit ihrem Knochenmark übereinstimmt, als wir uns darauf vorbereiteten, körperlich und seelisch, zu geben und zu empfangen, als mir meine Spende entnommen wurde, als sie meine Stammzellen erhielt, die zu ihren Blutzellen wurden, während unserer gemeinsamen Reise durch das Dickicht aus Verzweiflung und Hoffnung, während des besten Jahres ihres gesamten Lebens, wie sie es selbst nannte, als der Krebs zurückkehrte, als sie das Ende vor Augen hatte, als sie starb – während also all das passierte, nahm ich die Stränge meiner selbst in die Hand und flocht sie mit denen meiner Schwester zu einem Band, und endlich machte ich alles richtig. Obwohl »alles richtig machen« viel disziplinierter und endgültiger klingt, als es die Liebe je sein könnte. Wenn es um Liebe geht, gibt es keinen Zehn-Punkte-Plan, »wie man es richtig macht«. Keine mathematische Formel, wann man verletzlich und wann man stark sein soll, wann man abwarten und wann man weitermachen, wann einlenken und wann ein unbarmherziger Krieger sein soll. Liebe ist chaotisch, Liebe ist ein Tanz, Liebe ist ein Wunder. Die Liebe ist außerdem stärker als der Tod, aber ich bin selbst noch dabei, das zu lernen.

An dieser Stelle muss ich hinzufügen, dass es noch einen weiteren Strang gab, den meine unglaublich starke Schwester mitbrachte, um das Band der Liebe zu vervollständigen, und durch den sie mich inspirierte, es ihr gleichzutun. Es ist der verborgene Strang, derjenige, den der Philosoph Friedrich Nietzsche »Amor fati« nannte – Liebe zum Schicksal. Nietzsche beschrieb Amor fati als die Fähigkeit, unser Schicksal nicht einfach nur als gegeben hinzunehmen, sondern es zu lieben. Das ist ziemlich viel verlangt. Denn Mensch sein heißt, mit der Art von Schicksal zu leben, das wundersame wie schreckliche Dinge willkürlich verteilt. Niemand kommt ohne ein gewisses Maß an Verwirrung und Angst, Schmerz und Verlust durchs Leben. Was soll man daran lieben? Trotzdem, wenn man Ja sagt zu Amor fati, wenn man sich darin übt, die Fülle des eigenen Schicksals zu lieben, wenn man den dritten Strang des Liebesbands in die Hand nimmt, dann wird man Fäden aus Vertrauen, Dankbarkeit und Lebenssinn durch das eigene Leben weben. Manch einer wird die Auffassung, das eigene Schicksal zu lieben, als Kapitulation oder Naivität zurückweisen; ich sage, dass es der Weg zur Weisheit ist und der Schlüssel zur Liebe.

Wenn ich über Liebe rede, dann meine ich damit nicht romantische Gefühle. Romantik ist gut. Ich mag sie sehr. Sie ist feurig und macht Spaß. Aber sie macht lediglich einen kleinen Teil der Liebesgeschichte aus. Es ist ein Fehler, den weiten Ozean der Liebe auf eine kleine romantische Flamme zu reduzieren und anschließend alle Energie darauf zu verwenden, diese Flamme davor zu bewahren herunterzubrennen. Durch dieses Verhalten machen wir kurzen Prozess mit den allermeisten unserer Liebesbeziehungen: mit unseren Eltern, Geschwistern, Kindern, Freunden, Kollegen und natürlich mit unseren Partnern, sobald die erste Leidenschaft verflogen ist. Das Streben nach ewiger Romantik wie in einem Märchen ist albern. Stattdessen verleihen wir doch lieber gemeinsam mit einem bunt zusammengewürfelten Haufen von Leuten einer anderen Art von Liebe Kraft, und zwar unser ganzes Leben lang. Es braucht Mut, auf gesunde Art zu lieben, und es ist Arbeit, wichtige Beziehungen zu erhalten, aber ich verspreche Ihnen, dass es möglich ist. Es ist das, wonach sich unsere Herzen wirklich sehnen.

Während Sie das hier lesen, erinnern Sie sich vielleicht an die abgestumpften oder lädierten oder kaputten Beziehungen in Ihrem eigenen Leben. Vielleicht denken Sie gerade, sie kennt meine Schwester nicht, meinen Bruder, meinen Ex-Partner, mein Kind, meinen Chef, Freund, Partner. Und Sie haben möglicherweise Recht – man kann nicht jede Beziehung heilen oder am Leben erhalten. Manchmal müssen wir Dinge beenden oder den Heilungsprozess aus eigener Kraft vollziehen. Dennoch lautet mein Rat, dass die meisten unserer wichtigen Beziehungen repariert, besänftigt, vertieft werden können. Und ich behaupte, dass die Vertiefung einer einzigen Beziehung viele Wunder bewirken kann – hinsichtlich Ihres Blickwinkels auf andere Menschen, Ihre Arbeit, Ihr Schicksal.

Ich gebe Ihnen diese Ratschläge, weil das Verhältnis zwischen meiner Schwester und mir mit dem vieler Menschen, Paare, Geschwister vergleichbar ist. Wir waren keine perfekten Menschen, wir hatten unsere Eigenarten, die unsere Fähigkeit zu lieben manchmal verstärkten, manchmal behinderten. Wir waren uns in vielem ähnlich, aber dennoch verschieden genug, um keinem Missverständnis aus dem Weg zu gehen, Urteile über uns zu fällen oder uns zurückzuweisen. Manchmal standen wir uns nahe, und manchmal waren wir uns völlig fremd. Und wie die meisten Menschen – und ganz bestimmt die meisten Geschwister – karrten wir säckeweise alte Geschichten, Ressentiments und Dinge, die wir bereuten, mit uns durch die Gegend. Wir schleppten diese Säcke von der Kindheit hinein in unser Erwachsenenleben, hinein in andere Beziehungen, hinein ins Büro, in unsere eigenen Familien. Wir hielten die Geschichten in den Säcken für wahr – Geschichten, die wir über uns gehört und uns gegenseitig erzählt hatten. Wir haben diese Säcke nie ausgepackt und uns gezeigt, was sich darin befand.

Bis wir dazu gezwungen waren.

In den Jahren zwischen der ersten Krebsdiagnose meiner Schwester und dem letzten Rezidiv lebte meine Schwester ein außergewöhnlich erfülltes Leben. Sie erschuf noch einmal ein Zuhause für sich und ihren neuen Mann; sie widmete ihr Leben ganz und gar ihren Kindern, ihrer Arbeit und ihrer Kunst; sie überwand mehrere gravierende gesundheitliche Krisen; und sie lernte, mit der Angst und den Schmerzen umzugehen, denen man als Überlebende einer Krebserkrankung ausgesetzt ist. Ihr Leben stabilisierte sich, genau wie unsere Beziehung und mein eigenes Leben. In dieser Phase tat ich, womit sich viele Autoren die Zeit vertreiben: Ich begann mehrere Bücher zu schreiben, brachte aber keins davon zu Ende. In meinen ersten beiden Büchern hatte ich mein eigenes Leben verarbeitet. Aber ich hatte es satt, über mich selbst zu reden. Also beschloss ich, einen Roman zu schreiben. So konnte ich meine eigene Geschichte (und die der armen Menschen, die das Pech haben, mit mir verwandt zu sein) hinter erfundenen Charakteren verbergen. Aber ein Roman war etwas ganz anderes als das, was ich vorher geschrieben hatte, und es gelang mir nicht, mich bis zum Ende einer Geschichte durchzukämpfen. Ich fing eine Fabel und schließlich eine Essaysammlung an, aber der Funke sprang einfach nicht über.

Das Buch, das ich am dringendsten schreiben wollte, war ein Buch über Wahrhaftigkeit, über die Sehnsucht, authentisch zu sein. Der Grundgedanke war, dass sich hinter dem Geplapper des Geistes und dem Stürmen des Herzens ein wahreres und substanzielles Selbst befindet, ein Wesenskern, eine Seele. Nennen Sie es, wie Sie wollen, aber das Leben hat mich an den Punkt gebracht, dass ich weiß, dass das strebsame und verunsicherte Ego nicht die ganze Wahrheit darüber aussagt, wer ich bin, oder wer Sie sind. Immer öfter, durch kurze Einblicke während einer Mediation oder eines Gebets, durch ein freundliches Wort oder mutiges Verhalten und manchmal auch nur dadurch, dass ich eine Tasse Kaffee am Morgen trinke oder ein Glas Wein mit Freunden am Abend, fühle ich mich ziemlich plötzlich verbunden mit der Fülle des Daseins, die mich aus meinem Dornröschenschlaf weckt. Es ist, als riefe Gott uns der Reihe nach auf, und ich recke meine Hand in die Höhe und melde mich: »Hier!« Es passiert in den merkwürdigsten Momenten. Ich schiebe gerade den Einkaufswagen durch den Supermarkt oder fahre nach einem langen Arbeitstag nach Hause, wenn plötzlich Gnade herabsinkt und ich befreit bin von der Illusion, dass ich doch nur eine verschrobene, unvollkommene, überforderte Person bin. Stattdessen spüre ich hinter den angenommenen Rollen ein würdevolleres Wesen – eine edle Seele, die vertrauensvoll durch die menschliche Erfahrung gleitet, verbunden mit allem und jedem, wissend um die Herrlichkeit im Herzen der Schöpfung.

Über dieses Selbst wollte ich ein Buch schreiben – das Seelen-Selbst, das authentische Selbst, das wahre Selbst. Ich wollte erforschen, warum wir vergessen, wer wir sind und wie wir uns wieder daran erinnern können. Ich dachte bereits geraume Zeit über dieses Buch nach, mindestens seit meiner Arbeit am Omega Institute, einem Retreat- und Tagungszentrum, das ich 1977 mit Freunden gegründet hatte, als ich Mitte zwanzig war. Durch meine Arbeit hatte ich es mit...

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